Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Integrationsversorgung für Patienten mit Rückenschmerzen
Daten aus dem IGOST-FPZ-KonzeptEvaluation of a concept developed by IGOST and managed by FPZ

Patienten mit „flags“ wurden den betreffenden Gruppen hierarchisch zugeordnet. Wenn Patienten red und orange flags hatten, wurden sie den red flags, solche mit orange und yellow flags den mit orange flags zugeordnet. Patienten in der Gruppe mit yellow flags hatten diese ausschließlich.

Projektsteuerung

Im Vorfeld wurde von der IGOST zusammen mit der Universität Heidelberg ein Screeningbogen für Patienten mit Rückenschmerzen entwickelt, der Heidelberger Kurzfragebogen (HKF R10) [8], um psychische und soziale Faktoren einer Chronifizierung frühzeitig zu erkennen. Alle teilnehmenden Ärzte sollten das IGOST-Curriculum der orthopädischen Schmerztherapie absolvieren, die verantwortlichen Ärzte der 3. Ebene mussten sich der Rezertifizierung durch die IGOST unterziehen.

Der Vertragspartner FPZ unterhält regional physio- und sporttherapeutisch geleitete Zentren zur Trainingstherapie, die ab der 2. Ebene in die Therapie einbezogen werden konnten. Allgemeinärzte und Fachärzte konnten zusammen mit einem FPZ-Zentrum ein regionales Netz gründen oder einem bestehenden regionalen Netz beitreten. Sie nahmen an einer einführenden Schulung teil und besuchten 2 regionale sowie ein zentrales Treffen pro Jahr, eine Nachschulung war alle 2 Jahre angesetzt. Die Ärzte wurden einer Versorgungsebene zugeordnet und von den anderen Ebenen angesteuert. Sie übernahmen die Patienten zur definierten Versorgung in einem Zeitfenster und dokumentierten online in vereinbarten Dokumenten nach inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben.

Vertragsabschluss und -verwaltung mit Krankenkassen erfolgten über die FPZ GmbH, die auch die teilnehmenden Ärzte vertraglich einband. Für die Abrechnung beauftragte das FPZ eine Dienstleistungsgesellschaft (PRIA GmbH). Die meisten Netze lagen in NRW, die meisten regionalen Vertragsabschlüsse erfolgten mit der Gmünder Ersatzkasse GEK, heute Barmer GEK.

Dokumentationsinstrumente und Datenerfassung

Als Dokumentationsgrundlage dienten 2 Patientenfragebögen zu den aktuellen Schmerzen und Beschwerden sowie zu psychologischen Risikofaktoren (der Heidelberger Kurzfragebogen HKF R10 [8]), die zu jedem ersten Termin in einer Versorgungsebene ausgefüllt werden sollten. Zusätzlich gab es jeweils einen Befundbogen des Arztes, der in den Versorgungsebenen 2 und 3 vor allem in Bezug auf die körperliche Untersuchung ausführlicher war als in Ebene 1. In Ebene 3 war Psychotherapie im Bogen nicht vorgesehen, sollte aber nach Befunderhebung ermöglicht werden. Im FPZ-Zentrum wurden ein körperlicher Befundbogen zu Beginn, therapeutische Maßnahmen und die wahrgenommenen Termine im Verlauf dokumentiert.

Die Daten wurden von den Projektpartnern der Versorgungsebenen in ein internetbasiertes Dokumentationsprogramm eingegeben. Datenerhebung und Befunddokumentation wurden vom FPZ überwacht und im Auftrag der IGOST von CLARA ausgewertet.

Datenauswertung

Die Auswertung erfolgte deskriptiv in SPSS (Statistical package for the social sciences, Version 18). Die Versorgungsgruppen werden nicht verglichen. Unterschiede zwischen Ausgangs- und Abschlusssituation wurden auf klinische Relevanz geprüft. An 9455 aufbereitete Datensätze von Patienten im IV-Projekt aus dem Zeitraum 01.04.2006 bis 28.05.2008 wurden zur Auswertung folgende Anforderungen gestellt:

Die Patienten starteten mit einer Aufnahme in Ebene 1 (–947 Quereinsteiger).

Das IV-Projekt war als beendet angegeben (–1790 ohne Abschlussdokumentation).

Die Patienten wurden in den 22 größten Netzwerken mit jeweils mehr als 100 Patienten versorgt (–287 aus kleinen Netzwerken).

Damit wurden die Datensätze von 6431 Patienten ausgewählt, auch wenn Angaben fehlten.

Jeder Datensatz galt für einen Patienten, für den sich die Daten im Verlauf des Projekts ergänzt hatten. Eine Auswertung über diesen Zeitraum wurde vom FPZ als Broschüre „IV Rückenschmerz“ herausgegeben [6].

Die Daten wurden nach folgenden Gesichtspunkten ausgewertet:

  • 1. Patientenebene: Beschreibung der Patienten, Prozesse des Screenings und des Weiterleitens in die Versorgungsebenen
  • 2. Projektebene: Versorgungsstrukturen
  • 3. Prozessebene: Therapieangebote in den Versorgungsebenen
  • 4. Patientenbezogene Ergebnisse: Behandlungsdauer, Schmerzen und Abschluss

Ergebnisse

1. Patientenebene

a) Demografie und Diagnosen (Tab. 1) bei Einschluss (Beginn der Dokumentation in Ebene 1)

Weniger als die Hälfte der 6431 Patienten (43,9 %) war männlich und im Mittel 48,4 Jahre alt, die 3529 (54,9 %) weiblichen Patienten 47,2 Jahre, in 137 (2,1 %) Fällen fehlte die Angabe zum Geschlecht. 1232 (20,2 %) Patienten waren berentet, davon 116 unter 60 Jahre alt. 77,9 % der Patienten waren erwerbstätig, 14,1 % arbeitsunfähig und 3,6 % hatten einen Rentenantrag gestellt. Mit 45,1 % hatten die meisten Patienten eine M54-Diagnose (Rückenschmerzen), 7,3 % M51 (Bandscheibenschäden) und 6,5 % M47 (Spondylose). Alle anderen Diagnosen waren zu jeweils unter 1 % vertreten.

b) Schmerzen (Tab. 2)

Die Schmerzintensität aller Patienten war zu Beginn unter Belastung (5,9 ± 2) deutlich höher als in Ruhe (3,4 ± 2,1), die von den Patienten angestrebte Schmerzintensität lag unter 1 in einer 11-stufigen Skala von 0–10. Die Dauer der Rückenschmerzen lag im Mittel bei 7,7 ± 9,1 Jahren, 80 % der Patienten hatten eine Schmerzdauer von mehr als 6 Monaten, die Schmerzen waren nach dem zeitlichen Kriterium als chronisch zu bezeichnen.

c) Körperlicher Befund und Risikofaktoren für eine Chronifizierung (Tab. 2)

Die Ärzte gaben bei 15 (0,2 %) Patienten körperlich bedrohliche Hinweise (red flags) an, bei 511 (7,8 %) Warnhinweise auf Erkrankungen (orange flags). Diese „flags“ wurden in allen Ebenen gefunden. Für 5905 (91,8 %) Patienten wurden keine red oder orange flags angegeben. Psychosoziale Risikofaktoren wurden durch die Ärzte bei 25,6 % der Patienten gesehen.

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