Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Integrationsversorgung für Patienten mit Rückenschmerzen
Daten aus dem IGOST-FPZ-KonzeptEvaluation of a concept developed by IGOST and managed by FPZ

d) Gruppen in Versorgungsebenen

Die Patienten wurden nach ihrer Leitung durch die Versorgungsebenen eindeutigen Gruppen zugeordnet. Von 6431 Patienten wurden 15 (0,2 %) mit körperlich bedrohlichen Hinweisen (red flags) und 511 (7,8 %) mit Warnhinweisen auf Erkrankungen (orange flags) identifiziert. Von 5905 Patienten ohne red oder orange flags blieben 560 (8,7 %) in Ebene 1 (Gruppe 1), 2982 (46,4 %) Patienten schlossen auf Ebene 2 ab (Gruppe 1–2). 1901 (29,6 %) Patienten wechselten von Ebene 1 auf 3 (Gruppe 1–3) und 462 (7,2 %) Patienten durchliefen alle Versorgungsebenen (Gruppe 1–2–3).

e) Steuerung der Patienten nach dem psychosozialen Risikoscreening (Tab. 3)

Von 5905 Patienten ohne orange oder red flags hatten 1374 (23,3 % dieser Ausgangsgruppe) einen als unproblematisch angesehenen HKF-Wert A oder B im HKF R10. Von diesen Patienten blieben 120 in Ebene 1; 1145 wurden ggf. nach einer Zeit ohne Besserung der Beschwerden auf Ebene 2 weitergeleitet, 21 direkt auf Ebene 3 und 88 über Ebene 2 nach 3.

2117 Patienten waren in der Zwischengruppe HKF C, davon wurden 1.755 (83 %) entsprechend dem vereinbarten Patientenpfad nach Ebene 2 und 186 (8,8 %) später noch nach Ebene 3 geleitet.

Von 2414 Patienten (40,9 % des Ausgangskollektivs ohne orange oder red flags, aber mit problematischen Werten D und E im HKF R10) blieben 11,5 % in Ebene 1; 77,2 % wurden entsprechend den Projektvorgaben in Ebene 3 weitergeleitet, weitere 7,7 % über Ebene 2 nach 3.

2. Projektebene: Versorgungsstrukturen

In 22 Netzen wurden zwischen 71 bis 879 Patienten durch das IV-Projekt geleitet. Die Netze unterschieden sich nach der Anzahl der tätigen Ärzte (Mittelwert: 17), der Anzahl der Krankenkassen als Vertragspartner (Mittelwert: 15) und nach ihrem Alter seit dem Gründungsdatum (Mittelwert: 623 Tage).

Die meisten Patienten waren bei der GEK versichert (33,4 %), gefolgt von der BKK Barmag (17 %), BKK Bergisches Land (7,3 %) und der BKK Rheinland (5,4 %). Alle anderen Krankenkassen waren mit weniger als 5 % der Patienten vertreten.

3.

Prozessebene: Therapieangebote in den Versorgungsebenen (Abb. 2)

In Versorgungsebene 1 erhielten 60,2 % der Patienten Medikamente, 56 % eine physikalische Behandlung, 4,4 % Entspannungstherapie und 0,9 % ein FPZ-Programm. In Versorgungsebene 2 wurde das FPZ-Konzept bei 92,1 % der Patienten und in Ebene 3 bei 86,9 % der behandelten Patienten eingeleitet. Zusätzlich wurde physikalische Therapie in den Ebenen 2 und 3 jeweils bei etwa einem Drittel der Patienten dokumentiert, Entspannungstherapie stieg von einem Patientenanteil von 4,4 % in Ebene 1 über 7 % in Ebene 2 auf 10 % in Ebene 3.

4. Patientenebene: Behandlungsdauer, Schmerzen und Abschluss

Im Mittel waren die Patienten 53,7 Tage im IV-Programm. Je nach Steuerung durch die Ebenen unterschied sich die Versorgungsdauer mit der kürzesten Gesamtdauer, wenn die Patienten in Ebene 1 blieben (25,1 Tage), und der längsten mit insgesamt 95,4 Tagen bei Gruppe 1–2–3 (Abb. 3).

Die Ausgangswerte der Schmerzintensität lagen bei Belastung deutlich höher als in Ruhe. Bei Abschluss einer Ebene lag die Schmerzintensität jeweils unter den Werten der vorhergehenden Ebene bei den Patienten, die weitergeleitet wurden. Abb. 4 beschreibt die sehr ähnliche Ausgangslage der Patienten in den Versorgungsgruppen und die Linderung der Schmerzen in jeder Gruppe, allerdings nicht unter den zuvor genannten Zielwert um 1. Die Unterschiede zwischen Ausgangs- und Abschlusssituation sind jedoch klinisch relevant.

Diskussion

Leitlinien und Integrationsversorgung

Das Modell der Versorgungsebenen entspricht dem im Gesundheitspfad GPRS [7] und in der NVL [4]. Dort gefährden Lücken in der konkreten Ausgestaltung die Umsetzung in den Praxisalltag [9], beispielsweise dadurch, dass es keine eindeutige Empfehlung für ein Screening gibt und kein validiertes Screeninginstrument zur Diagnostik psychosozialer Risikofaktoren anerkannt wird. Der HKF R10 ist ein in Deutschland evaluiertes Instrument [8]. Zudem gibt es inhaltliche und zeitliche Vorgaben („4 Wochen lang keine Bildgebung, dann ggf. weitere Diagnostik“), die, obwohl in den Leitlinien enthalten, nicht umgesetzt werden [9, 10] oder zwischen den Leitlinien differieren und damit ihre Befolgung erschweren.

Die Integrationsversorgung kann durch weitere Ausgestaltung und deren Erprobung helfen, Leitlinien zu implementieren und so die Versorgung verbessern [11]. Es gibt allerdings für dieses Projekt zum Vergleich nur wenige Daten aus der Regelversorgung und nur begrenzt Daten aus der Integrationsversorgung. Für die 3. Ebene können gut belegte Therapiekonzepte (Göttinger Rücken-Intensiv-Programm GRIP [12]), einzelne Einrichtungen der Regelversorgung [13] und IV-Projekte mit Evaluation [14] zum Vergleich herangezogen werden.

Im IGOST-FPZ-Konzept wurden alle Versorgungsebenen einbezogen und bundesweit regionale Netze gebildet. Viele Patienten hatten seit längerer Zeit Rückenschmerzen, sodass die Leitlinienempfehlungen zur Vorgehensweise bei akuten Rückenschmerzen auf deren Situation übertragen werden mussten. Der im Projekt geplante Ablauf erscheint auch für Patienten mit rezidivierenden oder teilweise schon chronifizierten Rückenschmerzen als sinnvoll und praxisnah, ggf. mit einer zügigeren Weiterleitung nach dem Screening.

Screeningverfahren

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