Originalarbeiten - OUP 12/2012

Interventionelle Verfahren an der Wirbelsäule

Der dekompressierende Effekt wird durch die Coblations-Technologie erreicht. Dabei wird mit bipolarer Radiofrequenztechnologie eine plasmaindizierte Gewebsspaltung erreicht und Gewebe abgetragen. Bei der Coblation werden Elektrolyte mittels Hochfrequenzenergie in einem leitfähigen Medium angeregt, um ein Plasmafeld zu erzeugen. Die aufgeladenen Teilchen im Plasma verfügen über ausreichend Energie, um Molekülverbindungen aufzuspalten und Weichgewebe abzutragen. Auf diese Weise bleibt das umliegende gesunde Gewebe erhalten. Durch die Coblation wird ein Teil des Nukleusgewebes entfernt und die vorgefallene Bandscheibe dekomprimiert [63]. Bei der Coblation wird eine kontrollierte und lokale Ablation mit niedrigen Temperaturen (40–70 °C) erreicht. Chen et al. zeigten eine kontrollierte Entfernung von Bandscheibenmaterial ohne Verletzung oder Nekrose im unmittelbar benachbarten Bandscheibengewebe [12]. Nur 5 mm von der SpineWand entfernt werden keine erhöhten Temperaturen gemessen, was den schonenden Effekt auf das umgebenende Gewebe belegen soll [16]. Damit unterscheidet sich das Verfahren entscheidend von herkömmlichen HF-Instrumenten, welche mit bis zu 400 °C arbeiten [37] Der Effekt der Nukleoplastie ist damit zum einen mechanisch dekomprimierend, sie senkt aber auch den Bandscheibendruck signifikant [16] und wirkt biochemisch. Der biochemische Effekt beruht auf einer Abnahme von Interleukin-1 und Zunahme von Interleukin-8 [45]. Die Nukleoplastie ist an der lumbalen Wirbelsäule mit mit einer 17-Gauge-Crawford-Nadel mit 157 mm oder 208 mm Länge möglich. In der Nadel wird dann die SpineWand vorgeschoben. Hierfür stehen je nach verwendeter Crawford-Nadel 2 SpineWands zur Verfügung (DLR SpineWand oder DLG SpineWand). Über eine Referenzmarkierung an der SpineWand wird die Tiefe festgelegt. Während der Ablation wird die SpineWand langsam bis zur definierten Insertionstiefe vorgeschoben. Der Ablationsvorgang dauert jeweils 10–15 sec.

Ergebnisse:

Die Nukleoplastie folgt dem allgemeinen Trend, in der Behandlung der degenerativen Bandscheibenerkrankung den operativen Zugang zur Bandscheibe zu minimieren, und damit mögliche Komplikationen wie Narbenbildung oder segmentale Instabilität zu reduzieren. Von den Autoren werden nach morphologischen Kriterien übereinstimmend die „contained disc“, also der Bandscheibenvorfall Grad I–III behandelt. Das Verfahren stellt weder eine Indikation bei neurologischen Ausfällen noch bei sequestrierten Vorfällen dar [43]. Die signifikante Schmerzverbesserung im 1. postoperativen Jahr reichte von 45 %–88 %, wobei in einigen Studien neben der Schmerzreduktion auch die Zufriedenheit das Zielkriterium war, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert [40, 42, 43, 52, 64]. Sharp et al. geben eine signifikante Schmerzreduktion von 67 % auch bei Postnukleotomiepatienten an [53]. Die Reduktion der angegebenen Schmerzen auf der VAS Skala lag zwischen 3,6 und 5,4 Punkten [42, 45, 52, 63]. Masala et al. berichten neben der 79 %igen Schmerzverbesserung auch über eine Volumenreduktion des Bandscheibenvorfalls bei 80 % ihrer Patienten im Kontroll MRT im nachuntersuchten Zeitintervall [42].

Die einzige randomisierte Studie zur Nukleoplastie geht auf Mirzai et al. zurück. Danach waren 81–88 % der Patienten mit dem Behandlungsergebnis zufrieden. Der Oswestry-Score konnte 6 Monate nach dem Eingriff von 42,2 auf 20,5 reduziert werden [43].

Das Verfahren bietet in der Hand des geübten Wirbelsäulenchirurgen eine hohe Sicherheit. Verfahrensbezogene Komplikationen sind bisher nicht beschrieben. Mit zufriedenstellenden Ergebnissen kann gerechnet werden, wenn die Indikation auf die Bandscheibenprotrusion und den kleinen gedeckten Bandscheibenvorfall begrenzt bleibt. Die Vergleichbarkeit der Studien ist durch die teilweise unterschiedliche Patientenauswahl und unterschiedliche Auswertung nur bedingt möglich. Das Fehlen randomisierter Studien für dieses Verfahren ist ein entscheidendes Manko für eine generelle Empfehlung.

2.3 IDET-Katheter

Die Intradiskale Elektrothermale Therapie (IDET) ist ein minimalinvasives intradiskales Behandlungsverfahren für Patienten mit chronischen bandscheibenbedingten Rückenschmerzen. In Analogie zur Nukleoplastie wird das Verfahren sowohl für den diskogenen Rückenschmerz als auch für den neuropathischen Schmerz, verursacht durch geringgradige Bandscheibenvorfälle, empfohlen. Bei der IDET wird eine navigierbare Wärmesonde perkutan in die Bandscheibe eingeführt und anschließend erwärmt. Die IDET-Therapie wurde von Saal et al. entwickelt und 1997 in die Behandlung der degenerativen Bandscheibenerkrankung eingeführt [55, 56, 57]. Die Thermosonde wird beginnend bei 65 °C erhitzt. Die Temperatur wird alle 30 Sekunden um 1 °C gesteigert, der Vorgang dauert 12,5 min. 90 °C werden abschließend für 4 min gehalten. Die durch die Hitze erzielten Effekte sind schlussendlich nicht abschließend geklärt. Letztlich werden 2 Mechanismen angeführt.

Das im Anulus und in der Bandscheibe vorhandene Kollagen liegt als sogenanntes Kollagen Triple-Helix-Molekül vor. Die Elastizität und Zugfestigkeit wird einmal durch die spiralige Anordnung, zum anderen durch Quervernetzung mit Wasserstoff-Brückenbindung realisiert. Durch die Hitze wird das Kollagen Triple-Helix-Molekül aufgebrochen. Das Kollagen wird denaturiert und kontrahiert somit, was den Shrinking-Effekt bewirkt [3]. Die Kontraktion des Kollagens bei Hitzeapplikation ist bekannt und wird auch in anderen Bereichen der operativen Therapie genutzt. Die optimale Temperatur für diesen Mechanismus liegt bei 65 °C.

Als weiterer Mechanismus wird eine Ablation von Nozizeptoren beschrieben. Nach unseren eigenen Erfahrungen scheint der ablative Effekt bei der IDET besser ausgeprägt als der Effekt der Volumenreduktion durch das beschriebene Kollagen-Shrinking. Der ideale IDET Kandidat reagiert bei der Diskographie bereits mit einem starken Punktionsschmerz und gibt einen starken volumen- und druckabhängigen Rückenschmerz an [11]. Die ISIS (International Spine Intervention Society) hat bezüglich der Diskographieparameter entsprechende Leitlinien verfasst. Die morphologische Darstellung der kontrastmittelgefüllten Bandscheibe wird röntgenologisch nach Adams oder mit den Dallas Kriterien (Postdiskographie-CT) beschrieben [31]. Auf der Grundlage dieser Beobachtungen haben wir die Kriterien für die Diskographie – z.T. angelehnt an bestehende Klassifikationen [11] – für unsere Untersuchung festgeschrieben. Neben dem „Memory pain“ wurden das Kontrastmittelvolumen, die Schmerzhaftigkeit bei der Punktion des Anulus/hinteren Längsbandes sowie das Vorliegen eines kompletten Anulusrisses mit Abstrom des Kontrastmittels über den Bandscheibendefekt erfasst. Die Indikationsstellung für diesen Katheter ist der diskogene Rückenschmerz. Slipmann et al. haben haben die Platzierung dieses Katheters für den gesamten dorsalen Anulus festgeschrieben [58], Abbildung 3–4).

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