Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023
Interventionelle Wirbelsäulentherapie ohne Zuhilfenahme bildgebender Verfahren
Mit dieser schrägen Einstichtechnik erreicht man einen sicheren Knochenkontakt im posterolateralen Anteil des Lendenwirbels. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu den Techniken von Reischauer [23] und Macnab und Dall [15].
Lumbale Facetteninfiltration (Fac. Lumbal)
Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf . gemischt mit Kortikosteroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den lumbalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale-, und pseudoradikuläre Lumbalsyndrom sowie das lumbale Facettensyndrom.
Technik:
Sitzende Position
Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5
Senkrechter Einstich 2 cm (Fac. L3/4 u. L4/5) (Abb. 7) bzw. 2,5 cm (Fac. L5/S1) lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum jeweiligen Facettengelenk (Knochen-Kapselkontakt)
Ligamentäre Infiltration am Iliosakralgelenk (ISG-Block)
Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf. gemischt mit Kortikosteroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den dorsalen Bandapparat der Sakroiliakalgelenke und an den Ansätzen des Lig. iliolumbale. Hauptindikationen sind das ISG-Syndrom mit oder ohne Blockierung, das lokale-, und pseudoradikuläre Lumbalsyndrom und ggf. die Sakroiliitis [30, 31].
Technik:
Sitzende Position
Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4, L5, Aufsuchen und Markieren des Dornfortsatzes S1
Einstich nach lateral in Höhe des Dornfortsatzes S1 genau in der Mittellinie zwischen der Medianlinie und der gleichseitigen SIPS in 45°-Winkeleinstellung bis zum jeweiligen ISG-Gelenk (Knochenkontakt/ligamentäre Infiltration)
Epidurale dorsale Injektion (Epi dorsal/Epi gerade)
Dorsale interlaminäre Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5–10 ml Naropin 2 mg/ml) ggf. gemischt mit Kortikosteroiden (Off-Label-Use) mit einer 7,5 cm langen Spinocan-Kanüle in den dorsalen lumbalen Epiduralraum. Hauptindikationen sind das polyradikuläre Lumbalsyndrom und die zentrale Spinalkanalstenose [30, 31].
Technik:
Sitzende Position
Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5
Senkrechter Einstich einer mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllten „loss of resistance“-Spritze genau in der Medianlinie zwischen den Dornfortsätzen, meistens zwischen L3 u. L4 sowie L4 u. L5
Langsames Vorschieben unter kontinuierlichem Andruck am Spritzenstempel bis ein schlagartiger Widerstandsverlust entsteht („loss of resistance“-Technik/Erreichen des Epiduralraums)
Auswechseln der NaCl-Spritze gegen die LA-Spritze, epidurale Injektion
Epidurale perineurale Injektion (Epi peri)
Dorsale schräg-kontralaterale interlaminäre Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 1 ml Naropin 2 mg/ml) ggf. gemischt mit Kortikosteroiden (Off-Label-Use) unter Verwendung eines Doppelnadelsystems mit einer Führungskanüle und einer 12 cm langen 29-G-Spinocan-Kanüle in den anterolateralen Epiduralraum im Segment L5/S1. Hauptindikationen sind das monoradikuläre Wurzelreizsyndrom L5 und S1 [27, 28, 30, 31].
Technik:
Sitzende Position
Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5, Aufsuchen und Markieren des Dornfortsatzes S1
Einstich einer 3,5 cm langen Führungskanüle 1 cm unterhalb und 1 cm kontralateral des Dornfortsatzes L5
in einem Winkel von 15–20° schräg bis zum Lig. flavum [28]
Einführen der 29-G Kanüle durch die Führungskanüle. Vorschieben der Kanüle bis zum anterolateralen Epiduralraum L5/S1 (Abb. 8)
Aufsetzen der 1 ml-Spritze, epidurale-perineurale Injektion anterolateral
In einer Studie von Teske et al. [25] wurden Voluminamessungen des anterolateralen Epiduralraums L5/S1 durchgeführt. Dabei kam heraus, dass ganz geringe Volumina ausreichen (ca. 1 ml) um beide Nervenwurzeln (L5 und S1) zu umfluten.
Klinische Relevanz der
landmarkengestützten
interventionellen Therapie an der Lendenwirbelsäule
Die „Wetterecken“ im lumbalen Bewegungssegment sind der anterolaterale Epiduralraum, die foraminoartikuläre Region und die Kapseln der Wirbelgelenke. Diese erreicht man am besten mit der epiduralen-perineuralen Injektion, mit der Spinalnervenanalgesie und mit der Facetteninfiltration. Bei starken Schmerzen durch Nervenwurzelreizerscheinungen können lumbale Spinalnervenanalgesien sogar täglich an mehreren Tagen durchgeführt werden. Epidurale Injektionen sowie Facetten- und ISG-Infiltrationen können diesen Teil des Behandlungsprogramms ergänzen. Je nach Schweregrad können die Injektionen ambulant oder stationär durchgeführt werden.
Ergebnisse in der Literatur
Es gibt zahlreiche Untersuchungen über die Bedeutung der Wirbelgelenke bei der Entstehung von Rücken-/Beinschmerzen [3, 8, 16, 17, 20, 24, 35]. Studien mit bildgesteuerten Injektionen konnten nachweisen, dass bereits geringe Mengen eines Lokalanästhetikums (0,3–0,5 ml) ausreichen, um den Ramus medialis an den Wirbelgelenken sicher zu umfluten und zu anästhesieren [1, 7]. Eine Arbeit von Manchikanti [18] mit weiteren 54 Autoren, die gleichzeitig die Guidelines der American Association of Interventional Pain Physicians darstellt, weist eine gute Evidenz bezüglich der diagnostischen Blockaden an den Facetten- und ISG-Gelenken sowie eine gute Evidenz für die epidurale und transforaminale Injektionstherapie zur Behandlung der Radikulopathie beim Bandscheibenvorfall und eine befriedigende Evidenz bei der Spinalkanalstenose. Eine befriedigende bis gute Evidenz findet sich bei den therapeutischen Blockaden. Hingegen findet sich nur eine limitierte Evidenz bei den intraartikulären Facetteninjektionen und bei den diagnostischen Nervenwurzelblockaden. In dieser umfassenden Arbeit wurden insgesamt über 2400 Arbeiten aus den Jahren 1966–2012 berücksichtigt und ausgewertet [30]. Zur Wirksamkeit epiduraler Injektionen beim lumbalen Wurzelkompressionssyndrom liegen weitere Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien vor [4, 6 10, 11, 12, 19, 32, 34]. Zur epiduralen-perineuralen Injektionstechnik mit dem Doppelnadelsystem gibt es insgesamt 3 Studien, alle mit einer positiven Evidenz. Untersucht wurde die Wirksamkeit von Lokalanästhetika mit Steroiden [13], von Orthokin [2] (vom Eigenblut hergestelltes Protein mit antiphlogistischer Wirkung) und vom Lokalanästhetikum allein [21, 26].