Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2016

Klumpfußbehandlung in der täglichen Praxis – ist Ponseti alternativlos?

Julia F. Funk1

Zusammenfassung: Die Klumpfußbehandlung nach Ponseti hat sich in den letzten 15 Jahren auch im deutschsprachigen Raum überwiegend durchgesetzt. Die einfach zu erlernende Methode wird unter praktischen Aspekten für den täglichen Gebrauch erklärt. Im Vergleich zu anderen Methoden ist die konservative Behandlung nach Ponseti als Primärtherapie für mittlere und schwere Ausprägungen der Klumpfußdeformität – egal ob idiopathischen oder nicht idiopathischen Ursprungs – alternativlos. Physiotherapeutische Alternativen können bei leichteren Deformitäten initial gute Ergebnisse erzielen. Hinsichtlich eines nachhaltigen gelenkschonenden Behandlungsprotokolls ist die Ponseti-Methode nach heutigem Kenntnisstand allen aktuell bekannten Klumpfußbehandlungsoptionen überlegen. Der langfristige Therapieerfolg hängt von den anatomischen Kenntnissen, einer guten Information aller Beteiligten und
einer erfolgreichen Kommunikation ab.

Schlüsselwörter: Klumpfuß, idiopathisch, nicht idiopathisch, konservative Behandlung, Ponseti-Methode, Physiotherapie-Methode

Zitierweise
Funk JF: Klumpfußbehandlung in der täglichen Praxis – ist Ponseti
alternativlos?
OUP 2016; 7/8: 426–432 DOI 10.3238/oup.2016.0426–0432

Summary: Within the last 15 years the Ponseti method for clubfoot treatment has gained widespread acceptance in German speaking countries. This article aims at explaining this easy-to-learn method for everyday use. In comparison to other methods there is no alternative to the conservative treatment according to Ponseti when it comes to primary clubfoot therapy of moderate to severe deformities regardless of their etiology. Physiotherapy based methods may yield good initial results when applied for milder deformities. According to existing knowledge the Ponseti method is superior to all currently established therapy options for clubfoot treatment with regard to its sustainability and joint-sparing protocol. Long-term treatment success depends on anatomical knowledge, well-informed treatment partners and effective communication.

Keywords: clubfoot, idiopathic, non-idiopathic, conservative treatment, Ponseti method, physiotherapy method

Citation:
Funk JF: Clubfoot treatment for everyday use – is there an alternative to Ponseti?
OUP 2016; 7/8: 426–432 DOI 10.3238/oup.2016.0426–0432

Historie

Der unbehandelte Klumpfuß ist seit Menschengedenken als eine gravierende Behinderung bekannt. Redressionsmethoden werden seither mit dem Ziel durchgeführt, die Gehbehinderung zu reduzieren [1]. Als die Ponseti-Methode im deutschsprachigen Raum Einzug hielt, lagen bereits seit einigen Jahren sensationell gute Langzeitergebnisse aus der Klinik des Entwicklers in Iowa vor [2, 3, 4]. Bis dahin waren im deutschsprachigen Raum zufriedenstellende Ergebnisse nach klassischer Gipsredression über einen häufig halbjährlichen Zeitraum die Regel, oftmals gefolgt von einer mehr oder weniger ausgedehnten Arthrolyse [5, 6, 7, 8]. Radler berichtete 2006 erstmalig über Ergebnisse der Ponseti-Behandlung im deutschsprachigen Raum [9]. Nun wird seit fast 20 Jahren auch in Deutschland zunehmend flächendeckend die von Ponseti entwickelte Methode angewendet. Was gibt es also Neues zu berichten?

Praktisches Vorgehen

Den meisten Lesern werden sowohl Gips- als auch Schienenbehandlung nach dem von Ponseti erarbeiteten Konzept vertraut sein [10]. In diesem Artikel soll daher der Fokus auf die praktische Umsetzung gelegt werden.

Pränatale Beratung

Als besonders vorteilhaft für Eltern und Behandler im Sinne einer gemeinsamen Therapie erweist sich die pränatale Beratung nach Stellung der Verdachtsdiagnose Klumpfuß im Ultraschall [11]. Im Rahmen dieses Gesprächs können die Behandlung erklärt, Fragen beantwortet und Unklarheiten aus dem Weg geräumt werden. Hier kann bereits pränatal besprochen werden, inwieweit die Ponseti-Behandlung auch bei anderen pränatal erkannten Erkrankungen zum Einsatz kommen kann. Außerdem sind so die Eltern von Anfang an in das Behandlungskonzept eingebunden und gut informiert. Dies ist relevant bei der Wahl des Entbindungsorts und der Entscheidung über den Beginn der Gipstherapie. So können die Eltern selbstständig einen Termin nach der Entbindung vereinbaren und werden nicht am Tag der Geburt mit einer Gips- oder Wickelbehandlung überrumpelt. Die Behandlung sollte in den ersten Lebenswochen begonnen werden, auf den Tag kommt es dabei nicht an [10]. Bei zusätzlichen Erkrankungen muss man ein interdisziplinäres Konzept erstellen, damit die Eltern erkennen können, dass die Probleme postnatal nach Wichtigkeit in Angriff genommen werden [12]. Dann fällt es ihnen weniger schwer zu verstehen, dass der deutlich sichtbare Klumpfuß in den ersten Lebenstagen oder Wochen möglicherweise noch keine Behandlungspriorität hat.

Orthopädische Erstuntersuchung

Vor Beginn der Behandlung erfolgt
eine orthopädische Ganzkörperuntersuchung inklusive Hüftultraschall nach Graf, um assoziierte Fehlbildungen zu erkennen bzw. auszuschließen [13].

Klassifizierung des Schweregrads

Eine Klassifizierung sollte aus 2 Gründen erfolgen. Zum einen lässt sich eine bessere Aussage über die Prognose bzw. die zu erwartende Dauer der Gipsbehandlung treffen und zum anderen kontrolliert man sich so selbst hinsichtlich des Behandlungsverlaufs [14]. Zur Klassifizierung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Am weitesten verbreitet sind die Einteilungen nach Pirani [15] und nach Dimeglio [16]. Eine zusätzliche Fotodokumentation ist darüber hinaus hilfreich. Die Beurteilung der Aktivität der peronealen Muskulatur gibt ebenfalls einen Hinweis auf die Rezidivfreudigkeit der Klumpfußdeformität [17, 18].

Behandlungsprinzip

Steht ein geübtes Behandlerteam zur Verfügung und hält man sich strikt an das Behandlungsprotokoll, sind sehr gute Ergebnisse mit der Ponseti-Methode zu erwarten. Da die Methode auf der genauen Kenntnis der Fehlstellung beruht, sollte man sich vor Beginn der Behandlung die Komponenten der subtalaren Fehlstellung in Erinnerung rufen:

Der gesamte Fuß ist adduziert und supiniert, die Ferse steht varisch (Abb. 2, 3).

Der Vorfuß ist gegen den Rückfuß proniert, woraus der Hohlfuß resultiert (Abb. 3).

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