Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2016

Klumpfußbehandlung in der täglichen Praxis – ist Ponseti alternativlos?

Obwohl die Methode einfach und mit steiler Lernkurve zu erlernen ist, gibt es einige Probleme, die häufig vorkommen.

Weichteilirritationen treten insbesondere im Windelbereich auf. Sind die Eltern informiert darüber, dass sie darauf achten sollen, dass die Windelbündchen proximal der Gipse liegen und nicht über den Gips gezogen werden, verringert man dieses Problem. Weichteilprobleme im Gips sind selten, wenn man beherzigt, dass die Watte dünn und nicht zu lose angelegt wird. Krepppapier benutzen wir nicht, da es eine unnötige Zwischenschicht darstellt. Genauso wenig kommen Strumpfbandagen welcher Art auch immer zum Einsatz, da diese nur das Verrutschen der Schichten oder gar des ganzen Gipses erleichtern.

Ein Verrutschen der Gipse lässt sich weitgehend vermeiden durch die 90°-Stellung im Knie und die ausreichende, aber dünne Polsterung. Der Hinweis für die Eltern, ausreichend große Beinbekleidung zu wählen, verringert ein Verrutschen der Gipse zusätzlich.

Stellt man fest, dass der erste Strahl kürzer zu werden scheint, nimmt man die Abduktion etwas zurück und stellt den Vorfuß wieder in korrekter Supination im Alignement zum Rückfuß ein.

Lässt sich die Deformität nicht oder nicht mehr mit der manuellen Redression korrigieren, obwohl noch keine 70°-Abduktion erreicht ist, überprüft man zunächst, ob der als Hypomochlion dienende Daumen zu weit distal liegt und das Kalkaneokuboidgelenk und damit die gesamte Abduktionsbewegung blockiert. Ist dies nicht der Fall, haben wir z.B. bei arthrogrypotischen, sehr rigiden Klumpfüßen gute Fortschritte nach einer Stagnation gesehen, wenn der Gipswechsel dann intermittierend nur alle 2 Wochen durchgeführt wurde.

Die Abduktionsschiene dient der Rezidivprophylaxe. Vom Beginn der Therapie an muss den Eltern die Wichtigkeit des regelmäßigen Gebrauchs der Schiene klar sein, damit das Behandlungskonzept erfolgreich ist. Wir müssen sie also von Anfang an dahingehend informieren und auf die vorgebrachten Probleme eingehen. Eine Einbeziehung der Kinderärzte kann dabei hilfreich sein. Schlafsäcke reduzieren das Risiko von Verletzungen bei Säuglingen, aber auch bei größeren Kindern. Zusätzlich wirken sie schonend für das Mobiliar der Familie und reduzieren den Enthusiasmus der Kinder beim Spielen mit der Schiene und ggf. dabei das Ausziehen der Schiene. In der Regel sind die Schnallen der Fußhalterungen von den Herstellern bereits so konzipiert, dass sie sich von kleinen Kindern nur schwer öffnen lassen. Sollten die Kinder dennoch dazu in der Lage sein und ein Schlafsack keine ausreichende Abhilfe schaffen, sind sowohl Tapevarianten als auch das Überziehen von Socken über die Fußhalterungen von den Eltern als hilfreich beschrieben worden. Regelmäßige Kontrollen und Beratungen durch den Orthopäden können die Compliance der Eltern erhöhen.

Gelingt es trotz aller Beratung, Information und Überprüfung der eigenen Behandlung nicht, das Rezidiv zu vermeiden, kann überbrückend vor erneuter Gipstherapie eine physiotherapeutische Behandlung erfolgen. Diese wird ohnehin begleitend bei allen nicht idiopathischen Klumpfüßen im Säuglingsalter zur Förderung der motorischen Entwicklung eingeleitet. Dabei ist darauf zu achten, dass sich Therapeut und Arzt einig sind über die Therapieziele. In der Regel handelt es sich von ärztlicher Seite aus um die Wiederherstellung der Vorfußabduktion und die Vermeidung von größeren Operationen. Dies muss abgesprochen werden, damit die Eltern nicht durch Konzeptwechsel oder -vermischung verunsichert werden.

Grenzen der Klumpfußbehandlung nach dem
Ponseti-Konzept

Obwohl vor allem nicht idiopathische Klumpfüße im Verlauf häufig operiert werden müssen, kann das Ausmaß der Operation in der Regel reduziert werden, sodass für die initiale Ponseti-Behandlung keine Grenze besteht [38, 39, 40, 41]. Im Rahmen der späteren Förderung der motorischen Entwicklung bzw. der Vermeidung von zusätzlichen Deformitäten sind allerdings häufig Anpassungen des Schienenkonzepts nötig. Vor allem bei Spina bifida passen wir nach initial reiner Ponseti-Therapie im Verlauf das Konzept dem Orthesen- und Vertikalisierungskonzept für Spina-bifida-Kinder an [12]. Probleme mit den Gipsen im Säuglingsalter sind nicht häufiger als bei nicht gelähmten Kindern, wenn sie nach oben genannten Kautelen angelegt werden.

Sind gleichzeitig Kniegelenkluxationen zu behandeln, so sollte zunächst das Knie in ausreichende Beugung redressiert werden, bevor mit der Korrektur der Klumpfußdeformität begonnen wird.

Bei gleichzeitig luxierter Hüfte kann die Ponseti-Behandlung problemlos durch Verlängerung des Beckenbeingipses erfolgen, bei adäquater Einstellung können auch Nachreifungsorthesen mit den Ponseti-Gipsen kombiniert werden.

Gibt es Alternativen
zu Ponseti?

Nachdem es im deutschsprachigen Raum etwa 50 Jahre gedauert hat, das Hypomochlion der manuellen Redression vom Kalkaneokuboidgelenk auf den lateralen Talus zu verlagern, haben große Klumpfußoperationen bei der initialen Behandlung idiopathischer Klumpfüße vollständig ausgedient [30, 33, 34, 35]. Auch nicht idiopathische Klumpfüße lassen sich zumindest im Säuglingsalter sehr zufriedenstellend mit der Ponseti-Methode korrigieren [38, 39, 40, 41].

Doch obwohl die Ponseti-Therapie unter Kinderorthopäden weltweit als alternativlos gilt [42], werden nach insuffizienter Korrektur der Fehlstellung immer noch größere operative Eingriffe bei Säuglingen durchgeführt. Dies ist zum einen auf eine unzureichende ärztliche Aus- bzw. Fortbildung zurückzuführen, zum anderen auf das Angebot von zum Teil recht unkritisch beworbenen Alternativtherapien. Um große primäre Klumpfußoperationen wirklich der Geschichte angehören zu lassen, sind weiterhin flächendeckend fundierte theoretische und praktische Fortbildungen erforderlich. Bei den physiotherapeutischen Therapiealternativen müssen die Eltern bereits vor Beginn der Behandlung ausführlich beraten werden hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen sowie der Evidenz der jeweiligen Methode. Eine grobe Gegenüberstellung der beiden konservativen Behandlungsmethoden zur Erleichterung der Beratung in der täglichen Praxis bietet die Tabelle 1.

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