Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2016

Klumpfußbehandlung in der täglichen Praxis – ist Ponseti alternativlos?

Aus der Fehlstellung ergibt sich dann das einfache 3-dimensionale Behandlungsprinzip [10]:

  • 1. Aufhebung der Vorfußpronation durch Elevation des ersten Strahls (Abb. 4, 5).
  • 2. Abduktion des Fußes ohne zusätzliche Pronation oder Dorsalextension mit dem von lateral fixierten Talus als Hypomochlion (Abb. 6, 7).

Gipsredression

Nach der manuellen Redression gemäß der Pathoanatomie werden gut anmodellierte Oberschenkelweißgipse in 90°-Kniebeugung angelegt, die wöchentlich gewechselt werden. Aufgrund der Fehlstellung sind Unterschenkelgipse nicht sinnvoll [19]. Die Verwendung von anderen Ruhigstellungsmaterialien ist prinzipiell möglich, allerdings erreicht man die Korrektur mit Weißgipsen am schnellsten [20]. Ein beschleunigtes Verfahren mit kürzeren Abständen zwischen den Gipswechseln ist als ebenfalls erfolgreich bei der Initialkorrektur beschrieben worden [21]. Die Gipsabnahme sollte immer erst kurz vor der erneuten Redression erfolgen, da sich gezeigt hat, dass eine frühere Abnahme (z.B. am Abend vorher, um die Babys zu baden) zu einer insgesamt längeren Gipstragezeit führt [22]. Ob die Vorfußpronation gut korrigiert ist, lässt sich daran erkennen, dass die quere Hautfalte auf der Fußsohle, die Zeichen des Hohlfußes ist, verschwindet. Erfolgte diese Korrektur nicht vollständig, so lässt sich der Fuß in der Folge nicht vollständig abduzieren und der erste Strahl scheint kürzer zu werden. Aufgrund der kinematischen Kopplung erhält man durch Abduktion bis 70° eine Korrektur der Supination. Allein der Spitzfuß wird dadurch in den allermeisten Fällen nicht korrigiert.

Achillotenotomie

Die Achillotenotomie erfolgt immer dann, wenn bei einer erreichten Abduktion von 70° keine Dorsalextension von mindestens 20° in Kniestreckung möglich ist [10]. Dies ist in etwa 90 % der behandelten Füße der Fall [23, 24]. Vergleicht man die Materialeigenschaften von Sehnen- und Wachstumsknorpelgewebe in diesem Alter, ist einleuchtend, warum zur Korrektur der Spitzfußkomponente die Achillessehnendurchtrennung die schonendere Variante ist im Vergleich zur manuellen Redression in die Dorsalextension unter Kompression des knorpeligen Talus [25, 26, 27, 28]. Ob die perkutane Durchtrennung in der Technik von Codivilla [29] in lokaler oder allgemeiner Anästhesie erfolgt, ist abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten. Die Notwendigkeit einer offenen Achillessehnenverlängerung ist primär nicht gegeben [10]. Nach Achillessehnendurchtrennung wird noch einmal für 3 Wochen ein Gips in Abduktion und in der erreichten Dorsalextension angelegt. Im Regelfall kann man also davon ausgehen, dass die Gipsbehandlung nach 10–12 Wochen beendet ist. Dies erklärt, warum keine gipsbedingten Verzögerungen in der motorischen Entwicklung zu erwarten sind, wenn die Behandlung in den ersten Lebenswochen begonnen und von geübten Behandlern durchgeführt wird.

Abduktionsschiene

Anschließend muss die Abduktionsschiene, von der mittlerweile mehrere Modelle auf dem deutschen Markt zur Verfügung stehen (Abb. 8), für 3 Monate 23 h pro Tag getragen werden [10]. Es hat sich bewährt, den Sitz der Fußhalterungen zunächst kurzfristig zu kontrollieren. Unbedingt sollten Socken ohne Nähte und Muster empfohlen werden. Barfuß sollten die Schuhe nicht getragen werden. Unter besonderen Umständen müssen die Orthopädietechniker noch Modifikationen an den Fußhalterungen vornehmen, damit ein Herausrutschen der Füße bzw. Druckulzera vermieden werden können. Ein guter Sitz der Abduktionsschiene ist notwendig, um die Compliance der Eltern beim Anlegen dieser hochzuhalten. Denn die Schiene muss insgesamt mindestens bis zum 4. Geburtstag 12 h pro Tag getragen werden, um zu den guten Ergebnissen der Ponseti-Methode mit Rezidiven von weniger als 10 % zu gelangen [3, 30]. Die Compliance bei der Schienenbehandlung sinkt nachweislich bereits nach einem Monat Tragezeit [31].

Behandlungsziel

Das Behandlungsziel sind Kinder und später auch Erwachsene mit gut funktionierenden, schmerzfreien Füßen, die problemlos Konfektionsschuhe tragen können [10]. Ideal sind die Füße im Lauflernalter genauso knickfüßig wie die der anderen Kinder. Einlagen und Spezialschuhe oder Orthesen (außer der Abduktionsschiene) gehören nicht in das Behandlungskonzept zum Erreichen des genannten Behandlungsziels.

Rezidive

Treten Rezidive auf, lassen sich viele von ihnen mit einigen Gipsen und einer Wiederholung der Achillotenotomie behandeln [10]. Ponseti hat auch für Rezidive ein einleuchtendes Konzept erstellt und damit die Notwendigkeit von peritalaren, gelenkeröffnenden Operationen maßgeblich reduziert [32, 33, 34]. Bei Rezidiven beim Säugling oder Kleinkind sollten die Füße wieder in der oben beschriebenen Technik manuell redressiert werden mit anschließender Anlage von Oberschenkelgipsen. Diese sollten vor Beginn der Gehfähigkeit auf jeden Fall auch in 90°-Kniebeugung angelegt werden. Bei gehfähigen Kindern haben Kollegen gute Ergebnisse mit Gipsen mit etwa 20°-Kniebeugung erzielt [35]. Diese haben den Vorteil, dass geschickte Kinder damit gehen können. Ansonsten sollte zusätzlich ein Aktivrollstuhl leihweise verordnet werden, damit die Kinder weiterhin am Alltag partizipieren können. Unterschenkelgipse sind nicht geeignet, die 3-dimensionale Korrektur zu halten.

Spitzfußrezidive können nach konservativer Korrektur der varischen Fersenstellung bis zu einem Alter von 2 Jahren mit einer Wiederholung der perkutanen Achillotenotomie behandelt werden, später favorisiert man allgemein eine perkutane Achillessehnenverlängerung nach Hoke [36] oder White [37]. Bei Kindern mit rezidivierender Adduktionsfehlstellung der Füße ist ab einem Alter von 2 Jahren ein Transfer der Sehne des M. tibialis anterior auf das Os cuneiforme intermedium angezeigt [10, 32]. Dieser sollte erst nach konservativer Korrektur der Fehlstellung mit Gipsen erfolgen und mit einem Unterschenkelgips nachbehandelt werden.

In den allermeisten Fällen idiopathischer Klumpfüße kommt man auf diese Weise ohne gelenkeröffnende Eingriffe aus. Bei nicht idiopathischen Klumpfüßen lässt sich so das Ausmaß der großen Klumpfußchirurgie oft vermindern und der Zeitpunkt der Notwendigkeit eines erweiterten Release nach hinten verschieben [38, 39, 40, 41].

Tipps und Tricks

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