Übersichtsarbeiten - OUP 03/2017

Knochenersatz mit Cerasorb in der orthopädischen Chirurgie, Unfallchirurgie und Handchirurgie
Langzeitbeobachtung über 10 JahreA long-term observation over 10 years

Da keins der genannten Fremdmaterialien die Anforderungen an ein ideales Knochenregenerationsmittel erfüllt, wurden in den vergangenen Jahren verstärkt Anstrengungen unternommen, synthetische Materialien zu entwickeln, wobei ein besonderes Interesse dem ?-TCP galt [12, 13].

Zahlreiche Untersuchungen aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie der Dentalmedizin belegen, dass ?-TCP erfolgreich zur Regeneration des unbelasteten Knochens eingesetzt werden konnte. Die wissenschaftliche Dokumentation über klinische Studien und Fallberichte ist für das synthetische ?-TCP ad modum Cerasorb (curasan AG) besonders ausführlich [14, 15, 16, 17]. Zwischenzeitlich liegen sogar Langzeitbeobachtungen über 10 Jahre zum Einsatz dieses Materials in der Dentalchirurgie vor [18]. Im Gegensatz zu oralchirurgischen Indikationen erfolgt der Einsatz von ?-TCP in der Orthopädie und Unfallchirurgie dagegen bislang noch eher zögerlich. Die Ergebnisse der Knochenheilung nach Einsatz von ?-TCP bei Defekten im Röhrenknochen sind jedoch ebenfalls viel versprechend. So berichtete bereits 1999 Gruber anhand mehrerer Kasuistiken überzeugende Ergebnisse des Einsatzes von ?-TCP bei Knochentumoren, Arthrodesen und der Defektfüllung von Frakturen [19].

Die vorliegende prospektive Studie zeigt nun den Einsatz von ?-TCP (Cerasorb und Cerasorb M) bei 103 Fällen aus den Indikationsgebieten der orthopädischen Unfallchirurgie, Knochentumorchirurgie und bei entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen, bei denen auf eine autologe oder allogene Knochentransplantation verzichtet wurde und der Knochenersatz bzw. Knochenaufbau mit ?-TCP erfolgte.

Patienten/Material und
Methoden

In einer offenen, prospektiven, monozentrischen Studie wurde die klinische Anwendung des synthetischen Knochenregenerationsmaterials Cerasorb bezüglich Anwendbarkeit, Handhabung, Resorptionsverhalten und Sicherheit unter Routinebedingungen untersucht und dokumentiert. Cerasorb (Fa. curasan AG) ist eine rein synthetisch hergestellte Keramik aus ?-Tricalciumphosphat (?-TCP). Das poröse Material steht als Granulat in verschiedenen Korngrößen und mit unterschiedlichen Porositäten zur Verfügung. Für spezielle Anwendungen sind auch Formteile von unterschiedlicher Geometrie sowie ein Kollagen-Keramik-Komposit (Cerasorb Foam) erhältlich.

Die Dokumentation der Fälle sollte nach einem vorgegebenen Protokoll mit klinischen und radiologischen Untersuchungen und Nachuntersuchungen zu definierten Zeitpunkten in vorbereiteten standardisierten Dokumentationsbögen erfolgen. Nach Anamnese und Ausgangsbefund sowie intraoperativem Befund erfolgten die Nachuntersuchungen zu 7 vorgesehenen Kontrollzeitpunkten: 1. Tag post-OP, K 1 = 7 Tage, K 2 = 14 Tage, K 3 = 6 Wochen, K 4 = 6 Monate, K 5 = 12 Monate post-OP und im Rahmen einer Abschlussuntersuchung. Kriterien waren klinischer und radiologischer Befund sowie eine klinische Gesamtbeurteilung mit einer 7-Punkte-Skala von 3+ über 0 bis 3–.

Die Studie fand statt vom 15.10.1997 (Einschluss erster Patient) bis zum 05.03.2013 (letzte Untersuchung, letzter Patient). Dokumentiert wurden die Einschluss-Kriterien erfüllenden Fälle in der Reihenfolge ihres Vorsprechens.

Ergebnisse

Patienten und Behandlung

Insgesamt wurden 106 Eingriffe bei 98 Patienten durchgeführt, wobei es bei 6 Patienten Mehrfachbehandlungen gab. Drei Patienten erhielten zwar kein Cerasorb, wurden aber konsequenterweise als „Kontrollen“ weitergeführt. Die Auswertung erfolgte somit für 103 Eingriffe insgesamt und jeweils als Gruppenauswertung für die 3 Indikationen Tumor (52 Eingriffe), Rheuma (28 Eingriffe) und Trauma (23 Eingriffe). Es wurden 59 Frauen und 44 Männer im Alter von 11,7 bis 74,5 Jahren (MW 43,7 Jahre) behandelt. Für die einzelnen Indikationen ergab sich ein durchschnittliches Patientenalter von 40,3 Jahren für Tumor, 56,6 Jahren für Rheuma und 34,9 Jahren für Trauma. Bei den Diagnosen dominierte das Enchondrom, das 30-mal diagnostiziert wurde. Häufig kamen auch Arthrodesen (16-mal) und Zysten (18-mal) vor (Tab. 1). Es wurden gängige Osteosynthese-Maßnahmen eingesetzt, am häufigsten Platten bzw. Miniplatten und Schrauben (Tab. 2). Die verwendeten Cerasorb Granulatgrößen und Mengen sind Tabelle 3 zu entnehmen. Bei 8 Eingriffen wurde autologe Spongiosa eingesetzt, die mit Cerasorb gemischt wurde. Plättchenreiches Plasma (PRP) wurde zusätzlich bei 59 Fällen verwendet, im Median 0,34 ml.

Postoperativer Verlauf

Das keramische Knochenersatzmaterial Cerasorb wurde reizlos knöchern integriert. In praktisch allen Fällen zeigte sich radiologisch im Langzeitverlauf eine Komplettauflösung des Knochenersatzmaterials bzw. ein kompletter Einbau und eine Resorption zeitgleich zur Bildung körpereigenen Knochens. Es wurden keine klinischen Auffälligkeiten, Allergien oder potenziell materialbedingte Komplikationen dokumentiert.

Die Auswertung des postoperativen Verlaufs als klinische Gesamtbewertung erfolgte zunächst anhand einer 7-Punkte-Skala ausgehend von den vorgesehenen Untersuchungszeitpunkten (Tab. 4). Es zeigte sich, dass die Zeitpunkte für die Nachuntersuchungen nicht immer eingehalten werden konnten. Dadurch ergab sich eine große Varianz mit teilweiser Überschneidung der einzelnen Zeiträume. Beispielsweise hatte die erste Nachuntersuchung eine Spanne von 3–254 Tagen und die zweite Nachuntersuchung von 11–99 Tagen. Somit war eine stichhaltige Analyse des Verlaufs nicht gegeben. Deshalb wurden die einzelnen Nachuntersuchungen anhand des tatsächlichen Untersuchungsdatums neu zugeordnet und ausgewertet (Abb. 1 bis Abb. 4).

In der Auswertung aller Indikationen über den gesamten Verlauf ergab sich, dass die meisten Fälle der Kategorie 3+ zugeordnet werden konnten. Am zweithäufigsten kam die Kategorie 2+ vor und in einem geringeren Umfang Kategorie 1+. Die Fälle der Kategorie 2+ nahmen im Verlauf etwas ab zugunsten der Kategorie 3+. Die Anzahl der Patienten, die nachuntersucht werden konnten, sank bei den längeren Zeiträumen stark ab (Abb. 1).

Indikation Tumor

Bei allen 52 Patienten dieser Gruppe wurde Cerasorb Granulat verwendet, in 39 Fällen wurde PRP zugesetzt, in einem Fall autologe Spongiosa. Es wurden keine postoperativen Komplikationen beobachtet. Das keramische Material war nach einem Jahr in allen Fällen fast vollständig aufgelöst und durch körpereigenen Knochen ersetzt. Es fanden sich keine Fehlstellungen oder Pseudarthrosen, sondern regelgerechte anatomische Knochenstrukturen. Im Verlauf über den gesamten Untersuchungszeitraum zeigte sich, dass die meisten Fälle der Kategorie 3+ zugeordnet werden konnten. Am zweithäufigsten kam die Kategorie 2+ vor, gefolgt von der Kategorie 1+. Das Verhältnis der Zuordnung zu den einzelnen Kategorien blieb über den gesamten Zeitraum in etwa gleich (Abb. 2).

Indikation Rheuma

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