Übersichtsarbeiten - OUP 06/2022

Komplikationsmanagement nach hüftgelenknaher Fraktur

Matthias Knobe, Florian Gebhard, Bernhard Karich

Zusammenfassung:
Durch die Wahl des für die jeweilige biomechanische Situation am besten geeigneten Implantats lässt sich eine Reduktion der Komplikationsrate erreichen. Implantate mit rotationsstabiler Hüftkopfverankerung zeigen hier deutliche Vorteile. Bei mehreren Risikofaktoren (instabiler Frakturtyp, schlechte Knochenqualität, Übergewicht) sind erhöhte Fehlheilungsraten zu beobachten. Leider ist die Behandlung von Fehlheilungen oft langwierig und häufig komplikationsbehaftet. Eine Re-Osteosynthese ist in Betracht zu ziehen, wenn eine klare Ursachenanalyse erfolgt ist. Insbesondere biomechanische und biologische Gründe sind zu eruieren. Hierbei sollten dann ein Wechsel der Verankerung im Knochen, respektive ein Wechsel des Implantates erfolgen. In der Revisionschirurgie hat die Verwendung von Spongiosa einen hohen Stellenwert. Auch das Verwenden von Knochenzement zur Stabilitätserhöhung ist sorgfältig abzuwägen. Bei schlechter Biologie und hohem Alter ist die prothetische Versorgung die Revisionsoption der Wahl. Ein persistierender Infekt ist bei ausbleibender knöcherner Heilung in Betracht zu ziehen. Auch im Jahr 2022 stellen die Reposition sowie die stabile und korrekte interne Fixation die Grundvoraussetzungen für eine komplikationslose Heilung und schnelle Rehabilitation dar. Neben der Frakturinstabilität und dem Design des Kraftträgers bedingt hauptsächlich der Operateur einen Großteil der Komplikationen.

Schlüsselwörter:
Hüftgelenknahe Femurfraktur, Alterstraumatologie, Revisionsstrategie, Re-Osteosynthese,
Gelenkersatz

Zitierweise:
Knobe M, Gebhard F, Karich B: Komplikationsmanagement nach hüftgelenknaher Fraktur
OUP 2022; 11: 248–256
DOI 10.53180/oup.2022.0248-0256

Summary: Failed treatment of proximal femoral fractures leads to remarkable disability and pain, and revision surgery is frequently accompanied by higher complication and reoperation rates than primary internal fixation or primary hip arthroplasty. There is an urgent need to establish a profound strategy for the effective surgical management of these fragile patients. Salvage options are determined according to patient physiological age, functional level, life expectancy, nonunion, fracture pattern, remaining bone stock and quality, and hip joint competency. In physiologically young patients, care should be taken to preserve the vitality of the femoral head with salvage internal fixation; however, for the elderly population, conversion arthroplasty can result in early weight bearing and ambulation and eliminates the risks of delayed fracture healing. Technical challenges include a difficult surgical exposure, removal of broken implants, deformity correction, critical bone defects, poor bone quality, high perioperative fracture risk, and prolonged immobilization. The answer to all problems is still lacking – all or part in consequence of the complication rate induced by the surgeon itself. Even though the fracture pattern indicates a specific treatment option to some extent, the patient characteristics play an important role in decision-making. In re-osteosynthesis, a change in anchorage strategies is necessary and bone graft options should be considered. To improve construct stability, cement augmentation strategies for revision implants should be evaluated critically. Infections must be either diagnosed or excluded by joint aspiration or open biopsy. Adequate reduction and stable fixation are prerequisites for uneventful healing. A meticulous operative technique can prevent iatrogenic complications.

Keywords: Proximal femur fracture, fragility fracture care, re-osteosynthesis, arthroplasty, decision-making

Citation: Knobe M, Gebhard F, Karich B: Management of complications in proximal femur fractures
OUP 2022; 11: 248–256. DOI 10.53180/oup.2022.0248-0256

Knobe: Klinik für Unfallchirurgie, St. Marien-Krankenhaus Ahaus, Klinikum Westmünsterland

F. Gebhard: Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm

B. Karich: Klinik für Unfallchirurgie und Physikalische Medizin, Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH Zwickau

Ätiologie und
Behandlungsziele

Die hüftgelenknahe Femurfraktur ist eine der häufigsten Frakturen weltweit und stellt ein existenzielles Problem für die überwiegend älteren Patienten, aber auch ein relevantes Problem für die Gesellschaft und ihre Krankenversicherungsträger dar. Die 2-Jahres-Mortalität liegt bei diesem geriatrischen Patientenkollektiv bei 9–43 % [14, 17] und die optimale Therapie ist auch heute noch in der Diskussion. Bei jüngeren Patienten mit guter Knochenqualität sind Hüftfrakturen Folge von hochenergetischen Unfällen (Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe). Der häufigste Unfallmechanismus des älteren Menschen ist der Sturz aus dem Stand, z.B. bei Erleiden eines synkopalen Ereignisses, oder aufgrund einer kognitiv-koordinativen Funktionseinschränkung. Häufig bestehende Mangelernährung, Sarkopenie und Gebrechlichkeit (Frailty) führen zu diesen funktionellen Defiziten und bedingen einander. Die Osteoporose stellt neben der altersassoziierten multifunktionellen Gehstörung das höchste Risiko für eine proximale Femurfraktur im Alter dar. Die Mehrzahl der betroffenen Patienten leidet zum Unfallzeitpunkt bereits an zahlreichen Erkrankungen der inneren Organsysteme. Ziel der Behandlung ist deshalb, das Überleben und die Lebensqualität der Patienten zu erhalten sowie die Komplikationen und Einschränkungen nach hüftgelenknaher Femurfraktur zu minimieren.

Alterstraumatologisches
Co-Management

Das hohe Alter der Patienten macht die physiologischen Systeme nach einem traumatischen Ereignis besonders vulnerabel für Komplikationen. Deswegen haben sich vielerorts unterschiedliche Formen einer interdisziplinären und multiprofessionellen Behandlung entwickelt [11]. Hauptsächlich in Kooperation mit der geriatrischen Medizin werden hier Synergien geschaffen, um Problemfelder wie postoperatives Delir, Mangelernährung, Schmerz, Wundmanagement und Sturzprävention gemeinsam angehen zu können [20]. Um den Patienten mit ihrer Co-Morbidität gerecht zu werden, wurden schon vor mehreren Jahren ortho-geriatrische Co-Management Modelle entwickelt, deren Ergebnisse im Hinblick auf die postoperative Funktion durchweg positiv erscheinen [8, 12]. Somit entwickelt sich das ortho-geriatrische Co-Management zunehmend zur Standardbehandlung bei den multimorbiden geriatrischen Patienten. Allerdings ist das notwendige Ausmaß des Co-Managements bisher nicht geklärt, was mit Blick auf die ressourcenintensiven Prozesse klinisch wie auch ökonomisch von Bedeutung ist [16]. Das Problem ist hierbei sicherlich, diejenigen Patienten unter Nutzung diverser Assessment-Strategien zu identifizieren, die potenziell von dieser komplexen Kooperation profitieren.

Ursachen von Fehlheilung und Versagen von Knochen und Implantat

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