Übersichtsarbeiten - OUP 06/2022

Komplikationsmanagement nach hüftgelenknaher Fraktur

Matthias Knobe, Florian Gebhard, Bernhard Karich

Zusammenfassung:
Durch die Wahl des für die jeweilige biomechanische Situation am besten geeigneten Implantats lässt sich eine Reduktion der Komplikationsrate erreichen. Implantate mit rotationsstabiler Hüftkopfverankerung zeigen hier deutliche Vorteile. Bei mehreren Risikofaktoren (instabiler Frakturtyp, schlechte Knochenqualität, Übergewicht) sind erhöhte Fehlheilungsraten zu beobachten. Leider ist die Behandlung von Fehlheilungen oft langwierig und häufig komplikationsbehaftet. Eine Re-Osteosynthese ist in Betracht zu ziehen, wenn eine klare Ursachenanalyse erfolgt ist. Insbesondere biomechanische und biologische Gründe sind zu eruieren. Hierbei sollten dann ein Wechsel der Verankerung im Knochen, respektive ein Wechsel des Implantates erfolgen. In der Revisionschirurgie hat die Verwendung von Spongiosa einen hohen Stellenwert. Auch das Verwenden von Knochenzement zur Stabilitätserhöhung ist sorgfältig abzuwägen. Bei schlechter Biologie und hohem Alter ist die prothetische Versorgung die Revisionsoption der Wahl. Ein persistierender Infekt ist bei ausbleibender knöcherner Heilung in Betracht zu ziehen. Auch im Jahr 2022 stellen die Reposition sowie die stabile und korrekte interne Fixation die Grundvoraussetzungen für eine komplikationslose Heilung und schnelle Rehabilitation dar. Neben der Frakturinstabilität und dem Design des Kraftträgers bedingt hauptsächlich der Operateur einen Großteil der Komplikationen.

Schlüsselwörter:
Hüftgelenknahe Femurfraktur, Alterstraumatologie, Revisionsstrategie, Re-Osteosynthese,
Gelenkersatz

Zitierweise:
Knobe M, Gebhard F, Karich B: Komplikationsmanagement nach hüftgelenknaher Fraktur
OUP 2022; 11: 248–256
DOI 10.53180/oup.2022.0248-0256

Summary: Failed treatment of proximal femoral fractures leads to remarkable disability and pain, and revision surgery is frequently accompanied by higher complication and reoperation rates than primary internal fixation or primary hip arthroplasty. There is an urgent need to establish a profound strategy for the effective surgical management of these fragile patients. Salvage options are determined according to patient physiological age, functional level, life expectancy, nonunion, fracture pattern, remaining bone stock and quality, and hip joint competency. In physiologically young patients, care should be taken to preserve the vitality of the femoral head with salvage internal fixation; however, for the elderly population, conversion arthroplasty can result in early weight bearing and ambulation and eliminates the risks of delayed fracture healing. Technical challenges include a difficult surgical exposure, removal of broken implants, deformity correction, critical bone defects, poor bone quality, high perioperative fracture risk, and prolonged immobilization. The answer to all problems is still lacking – all or part in consequence of the complication rate induced by the surgeon itself. Even though the fracture pattern indicates a specific treatment option to some extent, the patient characteristics play an important role in decision-making. In re-osteosynthesis, a change in anchorage strategies is necessary and bone graft options should be considered. To improve construct stability, cement augmentation strategies for revision implants should be evaluated critically. Infections must be either diagnosed or excluded by joint aspiration or open biopsy. Adequate reduction and stable fixation are prerequisites for uneventful healing. A meticulous operative technique can prevent iatrogenic complications.

Keywords: Proximal femur fracture, fragility fracture care, re-osteosynthesis, arthroplasty, decision-making

Citation: Knobe M, Gebhard F, Karich B: Management of complications in proximal femur fractures
OUP 2022; 11: 248–256. DOI 10.53180/oup.2022.0248-0256

Knobe: Klinik für Unfallchirurgie, St. Marien-Krankenhaus Ahaus, Klinikum Westmünsterland

F. Gebhard: Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm

B. Karich: Klinik für Unfallchirurgie und Physikalische Medizin, Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH Zwickau

Ätiologie und
Behandlungsziele

Die hüftgelenknahe Femurfraktur ist eine der häufigsten Frakturen weltweit und stellt ein existenzielles Problem für die überwiegend älteren Patienten, aber auch ein relevantes Problem für die Gesellschaft und ihre Krankenversicherungsträger dar. Die 2-Jahres-Mortalität liegt bei diesem geriatrischen Patientenkollektiv bei 9–43 % [14, 17] und die optimale Therapie ist auch heute noch in der Diskussion. Bei jüngeren Patienten mit guter Knochenqualität sind Hüftfrakturen Folge von hochenergetischen Unfällen (Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe). Der häufigste Unfallmechanismus des älteren Menschen ist der Sturz aus dem Stand, z.B. bei Erleiden eines synkopalen Ereignisses, oder aufgrund einer kognitiv-koordinativen Funktionseinschränkung. Häufig bestehende Mangelernährung, Sarkopenie und Gebrechlichkeit (Frailty) führen zu diesen funktionellen Defiziten und bedingen einander. Die Osteoporose stellt neben der altersassoziierten multifunktionellen Gehstörung das höchste Risiko für eine proximale Femurfraktur im Alter dar. Die Mehrzahl der betroffenen Patienten leidet zum Unfallzeitpunkt bereits an zahlreichen Erkrankungen der inneren Organsysteme. Ziel der Behandlung ist deshalb, das Überleben und die Lebensqualität der Patienten zu erhalten sowie die Komplikationen und Einschränkungen nach hüftgelenknaher Femurfraktur zu minimieren.

Alterstraumatologisches
Co-Management

Das hohe Alter der Patienten macht die physiologischen Systeme nach einem traumatischen Ereignis besonders vulnerabel für Komplikationen. Deswegen haben sich vielerorts unterschiedliche Formen einer interdisziplinären und multiprofessionellen Behandlung entwickelt [11]. Hauptsächlich in Kooperation mit der geriatrischen Medizin werden hier Synergien geschaffen, um Problemfelder wie postoperatives Delir, Mangelernährung, Schmerz, Wundmanagement und Sturzprävention gemeinsam angehen zu können [20]. Um den Patienten mit ihrer Co-Morbidität gerecht zu werden, wurden schon vor mehreren Jahren ortho-geriatrische Co-Management Modelle entwickelt, deren Ergebnisse im Hinblick auf die postoperative Funktion durchweg positiv erscheinen [8, 12]. Somit entwickelt sich das ortho-geriatrische Co-Management zunehmend zur Standardbehandlung bei den multimorbiden geriatrischen Patienten. Allerdings ist das notwendige Ausmaß des Co-Managements bisher nicht geklärt, was mit Blick auf die ressourcenintensiven Prozesse klinisch wie auch ökonomisch von Bedeutung ist [16]. Das Problem ist hierbei sicherlich, diejenigen Patienten unter Nutzung diverser Assessment-Strategien zu identifizieren, die potenziell von dieser komplexen Kooperation profitieren.

Ursachen von Fehlheilung und Versagen von Knochen und Implantat

Die Ansprüche an das OP-Verfahren stellen neben der unmittelbaren postoperativen Belastbarkeit eine schonende und einfache OP-Technik mit niedriger Komplikationsrate dar. Im Allgemeinen sind für den Erfolg der operativen Maßnahme neben der sicheren Implantatverankerung im häufig osteoporotischen Knochen ebenso patientenspezifische Faktoren (Frakturstabilität, Knochenqualität, Vorerkrankungen, Geschlecht) sowie chirurgische Faktoren (Verfahrenswahl, operative Präzision) verantwortlich. Mögliche Fehlheilungen am proximalen Femur sind:

  • - der Implantatausbruch, die verzögerte Frakturheilung, der Bruch des Implantats und Infektionen.
  • - In der postakuten Phase werden Fehlstellungen, Nekrosen des Hüftkopfs und ein vorzeitiger Gelenkverschleiß beobachtet.
  • - Untersucht man Fehlheilungen nach ihrem Auslöser, lassen sich 3 Gruppen unterscheiden [13]:

Menschliche Ursachen: Die häufigste Ursache ist menschlicher Natur, wobei Patient und Operateur gleichermaßen einbezogen werden müssen. Wesentliche Komponenten sind die Indikationsstellung zum operativen Verfahren, das Beherrschen der Operationstechnik, aber auch die Compliance des Patienten.

Biologische Ursachen: Seltener sind biologische Ursachen als individueller Faktor des Patienten die Hauptursache. Dazu gehören die evtl. vorhandene schlechtere Knochenqualität, Begleiterkrankungen, die sowohl die Wundheilung als auch die Frakturheilung beeinflussen, Infektionen und auch die Körpermasse des Patienten.

Mechanische Ursachen: Fehlheilungen können ebenso durch mechanische Faktoren ausgelöst werden, wobei sich auch hier häufig zusätzliche Fehler, insbesondere in der Handhabung des Instrumentariums, beobachten lassen. Den mechanischen Ursachen zuzuordnen sind die mechanische Stabilität und Funktionalität des Implantats, die durch das Implantatdesign zusammen mit der Frakturmorphologie sowie der Körpermasse beeinflusst werden.

Primärtherapie der
Schenkelhalsfraktur

Als Versorgungsoptionen bei der medialen Schenkelhalsfraktur werden die Reposition mit osteosynthetischer Versorgung, die Hemiprothese und die Total-Endoprothese (H-TEP) diskutiert. Bei der medialen Schenkelhalsfraktur sind die Pauwels- und die Garden-Klassifikation gebräuchlich. Die eingestauchte Garden I- oder II-Fraktur kann einer konservativen Behandlung oder einer prophylaktischen internen Fixation als Alternative zugeführt werden [4]. Entscheidet man sich zur Osteosynthese, stehen im Allgemeinen die Dynamische Hüftschraube (DHS) oder 3 kanülierte Schrauben zur Diskussion. Während die Schrauben Vorteile bei der Torsionsstabilität, hinsichtlich der Blutversorgung des Femurkopfes und bezüglich der Invasivität des Eingriffes zeigen, spricht die höhere biomechanische Stabilität, gerade auch im osteoporotischen Knochen, für die DHS [4]. In Meta-Analysen und randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) zeichnet sich für dislozierte Frakturen eine starke Tendenz pro Endoprothese ab [20]. Hierfür ist hauptsächlich die teils erheblich höhere Re-Operationsrate nach osteosynthetischer Versorgung verantwortlich [14]. Viele Autoren konnten daneben der Endoprothese Vorteile bezüglich der Funktion und des Schmerzes attestieren. Unterschiede bezüglich der Mortalität finden sich zwischen beiden Versorgungsarten dagegen nicht [14]. Ein höheres Risiko der Infektion nach endoprothetischem Ersatz muss bedacht werden [4]. Bei der Entscheidungsfindung zwischen der Hemi- und Total-Endoprothese spielen dann patientenspezifische Faktoren, wie eine vorbestehende Arthrose oder die vorbestehende Mobilität, eine wesentliche Rolle. Für altersgerecht gesunde, ältere Patienten mit guter Mobilität vor dem Sturz ist die H-TEP die primäre Therapie der Wahl. Bei vorerkrankten, bettlägerigen oder dementen Patienten spricht jedoch einiges für den Einsatz einer Hemiprothese. Die kürzere Operationszeit, bei geringerem Operationstrauma und Blutverlust, kann neben dem geringeren Luxationsrisiko als Vorteil der Hemiprothese gegenüber der Total-Endoprothese gewertet werden. Die Gefahr der acetabulären Arosion kann bei diesen Patienten aufgrund der eingeschränkten Mobilität vernachlässigt werden. Ein anterolateraler oder ein minimalinvasiver anteriorer Zugang werden aufgrund der geringeren Luxationsrate im Vergleich zu einem hinteren Zugang bevorzugt [5]. Das zementierte Vorgehen kann aufgrund des geringeren postoperativen Schmerzes, einer teilweise besseren Funktion mit geringerer Komplikationsrate als Fixationsmethode der Wahl im geriatrischen Patientengut angesehen werden [20, 24].

Komplikationsmanagement der Schenkelhalsfraktur

Mögliche Komplikationen der Osteosynthese:

  • - Pseudarthrosen
  • - frühes Osteosyntheseversagen
  • - Femurkopfnekrosen
  • - tiefe Infekte und Hämatome

Mögliche Komplikationen der Endoprothese:

  • - Infektion/Hämatom
  • - Luxation
  • - acetabuläre Arosion
  • - Prothesenlockerung
  • - (intraoperative) periprothetische Frakturen

Als eine Ursache für Komplikationen im Bereich des Schenkelhalses wird die gestörte Durchblutung des Hüftkopfs als Frakturfolge angesehen. Deshalb wird für eine Kopf erhaltende Therapie eine schnellstmögliche operative Versorgung gefordert. Die Rotations- und Winkelstabilität der Implantatverankerung bei der osteosynthetischen Versorgung der Schenkelhalsfraktur ist aber gleichermaßen bedeutsam [15]. Neben dem von Pauwels beschriebenen Einfluss des Bruchlinienverlaufs auf die Stabilität der Osteosynthese und dem von Garden beschriebenen Grad der Dislokation als Einflussfaktor auf die Durchblutung hat auch die Morphologie der Schenkelhalsfraktur selbst einen entscheidenden Einfluss auf das Behandlungsergebnis. Eine ausgeprägte dorsale Impressionszone lässt bei gedeckter osteosynthetischer Versorgung in anatomischer Position keinen vollflächigen Fragmentkontakt mehr zu. Außer Frage steht, dass eine relevante dorsale axiale Abweichung eher nachteilig für die Funktion des Hüftgelenks ist [35]. Die rein anatomische Reposition hat allerdings den höchsten Grad der Rotationsinstabilität und fordert somit ein geeignetes rotationsstabiles, winkelstabiles und dynamisches Implantat bei der osteosynthetischen Versorgung hüftgelenknaher Frakturen. Die häufig als Standard anerkannte Versorgung mit 3 kanülierten Schrauben [21] erfüllt diese Anforderungen im höheren Lebensalter nicht, da die Verminderung der Spongiosa im Bereich des Schenkelhalses nur eine stabile Führung der Schrauben im Hüftkopf, nicht aber in der Schenkelhalsregion zulässt. Im Verlauf findet sich dann als Versagensmuster eine Torsion und Abkippung des Hüftkopfs. Außerdem kann das mehrfache Bohren und Einbringen der Schrauben zu einer Schwächung der lateralen Kortikalis führen und per-/subtrochantäre Femurfrakturen provozieren (Abb. 1). Auch die additiv eingebrachte Antirotationsschraube nach Versorgung mit dynamischer Hüftschraube (DHS) kann nicht immer die Torsionskräfte neutralisieren. In den letzten Jahren wurden Implantate als Schrauben-Klingen-Kombination entwickelt, welche diesem Umstand durch eine erhöhte Rotationsstabilität begegnen sollen. Das Femoral Neck System (Depuy Synthes) zeigte sich biomechanisch ebenbürtig im Vergleich zu DHS-Schraube und DHS-Klinge [34]. Dennoch sind auch mit diesem Implantat Komplikationen zu erwarten, wenn die Implantatlage defizitär ist (Abb. 2). Seine Rotationsstabilität muss zukünftig noch detailliert nachgewiesen werden. Diesen Nachweis hat der rotationsstabile Schraubanker (RoSA, Königsee Implantate, Allendorf) schon erbracht [15, 19]. Die Vorteile der Klinge bezüglich der Belastbarkeit und der Rotationsstabilität, gerade auch im osteoporotischen Knochen, werden mit den Vorteilen der Schraube (Ausreißfestigkeit, Kompressionsmöglichkeit) in einem einzigen Kraftträger kombiniert, indem die Klinge über die Schenkelhalsschraube eingeschlagen wird. Durch seine enorme Ausreißfestigkeit kann intraoperativ mit einem speziellen Instrument durch Zurückziehen des mit dem RoSA fixierten Hüftkopfs eine hohe interfragmentäre Kompression unter anatomischer Reposition erzielt werden. Biomechanisch ist er der DHS-Schraube und teilweise auch der DHS-Klinge überlegen [15].

Die Revisionsmethode der Wahl ist bei Schenkelhalsfrakturen nach Versagen der Osteosynthese des Schenkelhalses in der Regel der Gelenkersatz [31]. Bei jüngeren Patienten, insb. bei verzögerter Knochenheilung, aber sonst noch guter Biologie kann eine intertrochantäre valgisierende Umstellungsosteotomie versucht werden (Abb. 3).

Tipps und Tricks

  • - Wähle Gewindelänge der Schrauben so, dass das proximale Fragment sicher erreicht wird, ohne die Fraktur zu überbrücken.
  • - Achte auf eine korrekte BV-Einstellung, vor allem im seitlichen Strahlengang. Hüftkopf und Schaft sollten in einer Linie liegen, damit Fehllagen beurteilt werden können (Durchschwenken in 15°-Einstellung).
  • - Eine Reposition sollte in beiden Ebenen anatomisch erfolgen.
  • - Vermeide Rotationsfehlstellungen, indem vor dem Einbringen der Schenkelhalsschraube ein Sicherungsdraht gesetzt wird.
  • - Achte auf eine korrekte Schrauben-/Klingenlage. Die Center-Center-Position und ein Tipp-Apex-Abstand von 5–10 mm werden empfohlen.
  • - Ist die geschlossene Reposition nicht gut möglich, sollte die offene Reposition (am besten vorderer minimalinvasiver Zugang) erfolgen.
  • - Unter Nutzung eines Hebels oder Raspatoriums kann dann das Kopffragment gegen den Schaft reponiert werden.

Primärtherapie der
Trochantären Femurfraktur

Obwohl auch bei der pertrochantären Femurfraktur die Möglichkeit einer primären Endoprothese bedacht werden muss [6], stellt diese Fraktur-Entität doch die Domäne der Osteosynthese dar [18]. Ein entscheidender Faktor nach pertrochantärer Femurfraktur ist die Frakturausprägung und somit die mögliche Instabilität. A1-Frakturen gelten als stabil, mit der DHS aufgrund der Schonung der trochantären Sehnenansätze, der einfachen Operationstechnik und den geringen Kosten als “Standardimplantat” [2, 29]. Auch bei Verwendung der DHS und vermeintlich stabiler Fraktur sind die Stabilitätsanalyse und die Güte der operativen Versorgung von entscheidender Bedeutung (Abb. 4). A2- und A3-Frakturen gelten als instabil, wobei der Grad der Instabilität bei der A2-Fraktur und deren Subtypen kontrovers diskutiert wird, wie auch die Implantat-Entscheidung [10, 29]. Die Definition einer instabilen pertrochantären Femurfraktur ist nicht eindeutig in der Literatur geklärt [20]. Es werden hierunter Frakturen mit gebrochenem Trochanter minor [2], reverse Frakturen oder Frakturen mit einer ausgeprägten intertrochantären Trümmerzone und großem postero-medialen Fragment [9], Frakturen mit Ablösung des Trochanter major [28] oder Frakturen mit Bruch der lateralen Kortikalis verstanden [10]. Eine Beteiligung der lateralen Kortikalis konnte in diesem Zusammenhang als ein Prädiktor für eine Instabilität mit konsekutiv erhöhter Re-Operationsrate nach DHS charakterisiert werden [10].

In den letzten Jahren wurde der intramedulläre Kraftträger zu einer häufigen Fixationsstrategie, besonders aufgrund seiner biomechanischen Überlegenheit gegenüber der DHS und seiner minimalinvasiven OP-Technik [2, 23, 33]. A1- und A2-Frakturen können mit beiden Verfahren belastungsstabil versorgt werden. A3-Frakturen, insb. mit ausgeprägter subtrochantärer Frakturkomponente, profitieren von den biomechanischen Vorteilen des Nagels.

Inwieweit zementaugmentierende Verfahren die Komplikationsrate senken können, konnte in der Vergangenheit nicht detailliert nachgewiesen werden. Allerdings zeigen aktuelle Meta-Analysen deutliche Vorteile der Zementaugmentation auf [32].

Komplikationsmanagement der trochantären Fraktur

Mögliche Komplikationen der pertrochantären Fraktur (Osteosynthese) sind:

  • - Pseudarthosen
  • - Varuskollaps der Fraktur mit Cut-out des Kraftträgers
  • - übermäßige Sinterungsvorgänge mit und ohne Cut-through
  • - Implantatbruch
  • - Infektion/Hämatom

Trotz vieler Neuentwicklungen auf Implantatebene persistieren seit Jahren die Versagensgründe der Osteosynthese bei instabilen pertrochantären Frakturen, auch wenn die intramedullären Kraftträger der dritten Generation geringere Komplikationsraten aufweisen und Augmentationsstrategien vielversprechend erscheinen [18, 23, 32]. Ein Kollaps in Varusrichtung, Sinterungsvorgänge mit Medialisierung des Schaftes und Cut-out der Schenkelhalsschraube stellen weiterhin die Hauptversagensgründe dar [20, 23]. Technische Entwicklungen wie die Helixklinge erhöhen die Cut-out-Resistenz durch eine Verbesserung der Rotationsstabilität und führen zu Re-Operationsraten von 2,5–7 % [7, 18, 22, 23, 27]. Dennoch zeigt die Helixklinge, neben fehlender intraoperativer Kompressionsmöglichkeiten auch Nachteile, gerade bezüglich einer geringen Ausreißfestigkeit, einer möglichen Fragmentdislokation beim Eintreiben des Kraftträgers und einer vermehrten postoperativen Sinterung im Kopf-Hals-Bereich [27]. Kontrollierte axiale Gleitvorgänge sind der komplikationslosen Knochenheilung zuträglich [30], wohingegen übermäßige Gleit- und Sinterungsvorgänge zum Frakturkollaps mit konsekutivem Implantatversagen führen [10]. Auch wenn intramedulläre Implantate biomechanisch Vorteile bieten und die Resultate der letzten Generation vielversprechend sind [10, 23], gibt es in der klinischen Anwendung durchaus Situationen, in denen extramedulläre Implantate sinnvoll erscheinen (ausgeprägte Adipositas, Voroperationen mit Achsabweichung, gestörte Integrität des Trochanter major). Additive Trochanterabstützplatten (TAP) können der exzentrischen Biegebeanspruchung dann entgegenwirken, die Lasteinleitung medialisieren und den biomechanischen Vorteil intramedullärer Implantate kompensieren, wenn dabei Reposition und Implantatlage einwandfrei sind [26] (Abb. 5). Der RoSA/TAP scheint dagegen aufgrund seiner nachgewiesenen biomechanischen Stabilität besonders auch als Revisionsimplantat geeignet zu sein, wenn der Grund für das Versagen verbliebene (Rotations-)Instabilität ist [26] (Abb. 6). Die exakte Reposition und die stabile, korrekte interne Fixation stellen die Grundvoraussetzungen für eine komplikationslose Heilung und schnelle Rehabilitation dar [18]. Multivariate Analysen haben gezeigt, dass hinsichtlich der Positionierung des Schenkelhalskraftträgers die Tipp-Apex-Distanz die höchste Vorhersagekraft für den Cut-out besitzt [3, 17]. Bei Systemen mit einer Hüfttragschraube findet sich ferner das sog. Problem der linken Seite. Da standardmäßig die Hüftschrauben ein Rechtsgewinde besitzen, kann es auf der linken Seite zu einer Ventralrotation des Calcar-femorale-Sporns kommen. Hier empfiehlt sich die Revision mit korrekter Reposition und rotationsstabiler Hüftkopfverankerung. Rotationssicherungsdrähte können das Fragment vor der Mitrotation schützen. Bei der extramedullären Versorgung kann es im Zuge einer ungenauen Bestimmung des Bohrwinkels für die Schenkelhalsschraube und dadurch zusätzlich auftretender Zugspannungskräfte nach Plattenfixierung zum Plattenausriss kommen. Adäquate Implantatlängen (fabrikatsneutral) stellen diese notwendige Ausgleichsbewegung der Implantatkomponenten sicher.

Heilungsstörungen der intertrochantären Region sind aufgrund der suffizienten Blutversorgung eher selten und werden in der Literatur mit bis zu 2 % angegeben [26]. Allerdings ist eine übermäßige Sinterung mit schlechten funktionellen Resultaten verbunden [10]. Bisher ist nicht geklärt, wie viel Sinterungskapazität zugelassen werden sollte, um eine adäquate Frakturheilung ohne übermäßige Verkürzung der Schenkelhals-/Trochanterregion zu ermöglichen – und im Gegenzug, ohne eine Pseudarthrose zu riskieren. Dabei sollte das Gleiten nicht komplett verhindert werden, sondern auf ein biomechanisch akzeptables Maß von 2–3 mm reduziert werden. Beim RoSA-System können durch das Kopfteil der Platte zusätzlich variabel winkelstabile Schrauben mit dem Effekt einer zusätzlichen Limitierung des Gleitwegs eingebracht werden. Kritisch zu hinterfragen ist allerdings die eventuelle Notwendigkeit der sekundären Dynamisierung bei Heilungsverzögerung durch Verwendung von rigiden Konstruktionen, da Zweiteingriffe beim geriatrischen Krankengut vermieden werden sollten [26].

Tipps und Tricks

  • - Nutze minimalinvasive Sicherungs-Cerclagen oder die kollineare Repositionszange als Repositionshilfen bevor der Nagel eingebracht wird.
  • - Mache einen geschlossenen Repositionsversuch vor dem sterilen Abwaschen und nutze beide Bildwandler-Ebenen hierfür.
  • - Der Führungsdraht gibt die Richtung und die Lokalisation des Implantates vor. Kontrolliere die Lage (Trochanterspitze a.-p., mittig seitlicher Strahlengang) in 2 Ebenen sorgfältig.
  • - Vermeide beim Aufbohren eine Schädigung der lateralen Wand durch Druck nach medial. Die Wand ist für die Stabilität und die Nagelführung sehr wichtig.
  • - Verläuft die trochantäre Fraktur durch den Eintrittsweg für den Nagel, kann es zur Verdrängung des proximalen Fragmentes kommen und das Aufbohren ist nicht suffizient. Erzeuge vor dem Aufbohren einen Gegendruck mittels Einzinker oder der kollinearen Zange und beginne ggf. mit einem Bohrer kleineren Durchmessers.
  • - Vermeide ein mehrfaches Vorbohren von Schraube oder Klinge durch richtiges Einschätzen der Nageltiefe. Fehlbohrungen erzeugen Instabilität und können zur Fehllage des Kraftträgers im Schenkelhals führen.
  • - Sichere das proximale Fragment vor dem Einschlagen einer Klinge, damit es nicht zur medialen Dislokation des Kopf-/Halsfragmentes kommt und die Frakturreposition leidet.
  • - Schätze vor Operation das Ausmaß der Antekurvation des Femurs ein. Ggf. muss ein kürzeres oder anderweitiges (extramedulläres) Implantat verwendet werden.
  • - Kontrolliere genau den Sitz der distalen Verriegelung, auch wenn sie über den Zielbügel vorgenommen wird. Manchmal ist dieser durch unsachgemäße Nutzung verformt und kann Schrauben fehlleiten.
  • - Schlage nicht direkt mit dem Hammer auf den Zielbügel sondern nur auf den entsprechenden Aufsatz.
  • - Gerade Patienten mit stark reduzierter Knochenqualität profitieren von einer Zementaugmentation. Nutze geringe Zementmengen. Vermeide eine Drahtperforation des Hüftgelenkes und visualisiere vor (Kontrastmittel) und beim Zementiervorgang die Verteilung.

Implantatbrüche

Betrachtet man die Komplikation Implantatbruch bzw. Hüftschraubenausbruch bei der Frakturversorgung mit einem intramedullären System, finden sich i.d.R. in den jüngeren Altersstufen die Implantatbrüche, in höheren Altersstufen eher die Hüftschraubenausbrüche (Knochenversagen). Die Implantatbrüche können erklärt werden mit der höheren Mobilität der jüngeren Patienten in Kombination mit einer verzögerten Frakturheilung, die dann zur mechanischen Überlastung des Implantats führt. Der Hüftschraubenausbruch ist der häufig schlechteren Knochenqualität im höheren Lebensalter geschuldet. Hier muss neben der Knochenqualität auch die Rotationsstabilität der Hüftkopfverankerung als zusätzlicher Faktor diskutiert werden [1, 7].

Bei Betrachtung der Implantatbrüche nach trochantären Osteosynthesen findet sich häufig eine unglückliche Trias aus subtrochantärer Frakturkomponente, verzögerter Frakturheilung und Beschädigung des Implantats [25]. Ein höheres Körpergewicht des Patienten wirkt sich ebenfalls nachteilig aus. Der Nagel bricht typischerweise an der Durchquerungsstelle der Tragschraube. Naturgemäß findet sich hier bei dem Implantat die schwächste Stelle, was durch die ungünstige Kerbwirkung verursacht wird. Liegt ein ausreichend großes Hüftfragment vor, kann eine entsprechende Re-Osteosynthese wiederum mit einem Nagelsystem erfolgen (Abb. 7). Jedoch sollte die Fraktur möglichst optimal reponiert sein. Als komplementäre wirkungsvolle Maßnahme kann eine zusätzliche laterale Zuggurtung empfohlen werden [36]. Da mit einer Re-Osteosynthese die evtl. vorhandenen biologischen Probleme nicht behoben werden können, sind oft weitere Schwierigkeiten zu erwarten. Hier kommt der Spongiosaplastik (ggf. Beckkamm-Span) enorme Bedeutung zu. Biologie und Stabilität im Frakturbereich führen zum Erfolg (Abb. 8). Auf knöcherne Kompression ist ebenso zu achten (Abb. 9). Setzt die knöcherne Heilung trotz aller Maßnahmen nicht ein, muss ein persistierender Infekt unbedingt ausgeschlossen werden. Sind die Voraussetzungen für eine Re-Osteosynthese nicht mehr gegeben bzw. kommt dann ein Infekt hinzu, ist i.d.R. nur noch ein Gelenkersatz, erforderlichenfalls nach Infektsanierung, möglich.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Matthias Knobe

MME, MHBA

Klinik für Unfallchirurgie

St. Marien-Krankenhaus Ahaus

Klinikum Westmünsterland

Wüllener Straße 101

48683 Ahaus

knobema@gmail.com

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