Übersichtsarbeiten - OUP 06/2022

Komplikationsmanagement nach hüftgelenknaher Fraktur

Die Ansprüche an das OP-Verfahren stellen neben der unmittelbaren postoperativen Belastbarkeit eine schonende und einfache OP-Technik mit niedriger Komplikationsrate dar. Im Allgemeinen sind für den Erfolg der operativen Maßnahme neben der sicheren Implantatverankerung im häufig osteoporotischen Knochen ebenso patientenspezifische Faktoren (Frakturstabilität, Knochenqualität, Vorerkrankungen, Geschlecht) sowie chirurgische Faktoren (Verfahrenswahl, operative Präzision) verantwortlich. Mögliche Fehlheilungen am proximalen Femur sind:

  • - der Implantatausbruch, die verzögerte Frakturheilung, der Bruch des Implantats und Infektionen.
  • - In der postakuten Phase werden Fehlstellungen, Nekrosen des Hüftkopfs und ein vorzeitiger Gelenkverschleiß beobachtet.
  • - Untersucht man Fehlheilungen nach ihrem Auslöser, lassen sich 3 Gruppen unterscheiden [13]:

Menschliche Ursachen: Die häufigste Ursache ist menschlicher Natur, wobei Patient und Operateur gleichermaßen einbezogen werden müssen. Wesentliche Komponenten sind die Indikationsstellung zum operativen Verfahren, das Beherrschen der Operationstechnik, aber auch die Compliance des Patienten.

Biologische Ursachen: Seltener sind biologische Ursachen als individueller Faktor des Patienten die Hauptursache. Dazu gehören die evtl. vorhandene schlechtere Knochenqualität, Begleiterkrankungen, die sowohl die Wundheilung als auch die Frakturheilung beeinflussen, Infektionen und auch die Körpermasse des Patienten.

Mechanische Ursachen: Fehlheilungen können ebenso durch mechanische Faktoren ausgelöst werden, wobei sich auch hier häufig zusätzliche Fehler, insbesondere in der Handhabung des Instrumentariums, beobachten lassen. Den mechanischen Ursachen zuzuordnen sind die mechanische Stabilität und Funktionalität des Implantats, die durch das Implantatdesign zusammen mit der Frakturmorphologie sowie der Körpermasse beeinflusst werden.

Primärtherapie der
Schenkelhalsfraktur

Als Versorgungsoptionen bei der medialen Schenkelhalsfraktur werden die Reposition mit osteosynthetischer Versorgung, die Hemiprothese und die Total-Endoprothese (H-TEP) diskutiert. Bei der medialen Schenkelhalsfraktur sind die Pauwels- und die Garden-Klassifikation gebräuchlich. Die eingestauchte Garden I- oder II-Fraktur kann einer konservativen Behandlung oder einer prophylaktischen internen Fixation als Alternative zugeführt werden [4]. Entscheidet man sich zur Osteosynthese, stehen im Allgemeinen die Dynamische Hüftschraube (DHS) oder 3 kanülierte Schrauben zur Diskussion. Während die Schrauben Vorteile bei der Torsionsstabilität, hinsichtlich der Blutversorgung des Femurkopfes und bezüglich der Invasivität des Eingriffes zeigen, spricht die höhere biomechanische Stabilität, gerade auch im osteoporotischen Knochen, für die DHS [4]. In Meta-Analysen und randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) zeichnet sich für dislozierte Frakturen eine starke Tendenz pro Endoprothese ab [20]. Hierfür ist hauptsächlich die teils erheblich höhere Re-Operationsrate nach osteosynthetischer Versorgung verantwortlich [14]. Viele Autoren konnten daneben der Endoprothese Vorteile bezüglich der Funktion und des Schmerzes attestieren. Unterschiede bezüglich der Mortalität finden sich zwischen beiden Versorgungsarten dagegen nicht [14]. Ein höheres Risiko der Infektion nach endoprothetischem Ersatz muss bedacht werden [4]. Bei der Entscheidungsfindung zwischen der Hemi- und Total-Endoprothese spielen dann patientenspezifische Faktoren, wie eine vorbestehende Arthrose oder die vorbestehende Mobilität, eine wesentliche Rolle. Für altersgerecht gesunde, ältere Patienten mit guter Mobilität vor dem Sturz ist die H-TEP die primäre Therapie der Wahl. Bei vorerkrankten, bettlägerigen oder dementen Patienten spricht jedoch einiges für den Einsatz einer Hemiprothese. Die kürzere Operationszeit, bei geringerem Operationstrauma und Blutverlust, kann neben dem geringeren Luxationsrisiko als Vorteil der Hemiprothese gegenüber der Total-Endoprothese gewertet werden. Die Gefahr der acetabulären Arosion kann bei diesen Patienten aufgrund der eingeschränkten Mobilität vernachlässigt werden. Ein anterolateraler oder ein minimalinvasiver anteriorer Zugang werden aufgrund der geringeren Luxationsrate im Vergleich zu einem hinteren Zugang bevorzugt [5]. Das zementierte Vorgehen kann aufgrund des geringeren postoperativen Schmerzes, einer teilweise besseren Funktion mit geringerer Komplikationsrate als Fixationsmethode der Wahl im geriatrischen Patientengut angesehen werden [20, 24].

Komplikationsmanagement der Schenkelhalsfraktur

Mögliche Komplikationen der Osteosynthese:

  • - Pseudarthrosen
  • - frühes Osteosyntheseversagen
  • - Femurkopfnekrosen
  • - tiefe Infekte und Hämatome

Mögliche Komplikationen der Endoprothese:

  • - Infektion/Hämatom
  • - Luxation
  • - acetabuläre Arosion
  • - Prothesenlockerung
  • - (intraoperative) periprothetische Frakturen

Als eine Ursache für Komplikationen im Bereich des Schenkelhalses wird die gestörte Durchblutung des Hüftkopfs als Frakturfolge angesehen. Deshalb wird für eine Kopf erhaltende Therapie eine schnellstmögliche operative Versorgung gefordert. Die Rotations- und Winkelstabilität der Implantatverankerung bei der osteosynthetischen Versorgung der Schenkelhalsfraktur ist aber gleichermaßen bedeutsam [15]. Neben dem von Pauwels beschriebenen Einfluss des Bruchlinienverlaufs auf die Stabilität der Osteosynthese und dem von Garden beschriebenen Grad der Dislokation als Einflussfaktor auf die Durchblutung hat auch die Morphologie der Schenkelhalsfraktur selbst einen entscheidenden Einfluss auf das Behandlungsergebnis. Eine ausgeprägte dorsale Impressionszone lässt bei gedeckter osteosynthetischer Versorgung in anatomischer Position keinen vollflächigen Fragmentkontakt mehr zu. Außer Frage steht, dass eine relevante dorsale axiale Abweichung eher nachteilig für die Funktion des Hüftgelenks ist [35]. Die rein anatomische Reposition hat allerdings den höchsten Grad der Rotationsinstabilität und fordert somit ein geeignetes rotationsstabiles, winkelstabiles und dynamisches Implantat bei der osteosynthetischen Versorgung hüftgelenknaher Frakturen. Die häufig als Standard anerkannte Versorgung mit 3 kanülierten Schrauben [21] erfüllt diese Anforderungen im höheren Lebensalter nicht, da die Verminderung der Spongiosa im Bereich des Schenkelhalses nur eine stabile Führung der Schrauben im Hüftkopf, nicht aber in der Schenkelhalsregion zulässt. Im Verlauf findet sich dann als Versagensmuster eine Torsion und Abkippung des Hüftkopfs. Außerdem kann das mehrfache Bohren und Einbringen der Schrauben zu einer Schwächung der lateralen Kortikalis führen und per-/subtrochantäre Femurfrakturen provozieren (Abb. 1). Auch die additiv eingebrachte Antirotationsschraube nach Versorgung mit dynamischer Hüftschraube (DHS) kann nicht immer die Torsionskräfte neutralisieren. In den letzten Jahren wurden Implantate als Schrauben-Klingen-Kombination entwickelt, welche diesem Umstand durch eine erhöhte Rotationsstabilität begegnen sollen. Das Femoral Neck System (Depuy Synthes) zeigte sich biomechanisch ebenbürtig im Vergleich zu DHS-Schraube und DHS-Klinge [34]. Dennoch sind auch mit diesem Implantat Komplikationen zu erwarten, wenn die Implantatlage defizitär ist (Abb. 2). Seine Rotationsstabilität muss zukünftig noch detailliert nachgewiesen werden. Diesen Nachweis hat der rotationsstabile Schraubanker (RoSA, Königsee Implantate, Allendorf) schon erbracht [15, 19]. Die Vorteile der Klinge bezüglich der Belastbarkeit und der Rotationsstabilität, gerade auch im osteoporotischen Knochen, werden mit den Vorteilen der Schraube (Ausreißfestigkeit, Kompressionsmöglichkeit) in einem einzigen Kraftträger kombiniert, indem die Klinge über die Schenkelhalsschraube eingeschlagen wird. Durch seine enorme Ausreißfestigkeit kann intraoperativ mit einem speziellen Instrument durch Zurückziehen des mit dem RoSA fixierten Hüftkopfs eine hohe interfragmentäre Kompression unter anatomischer Reposition erzielt werden. Biomechanisch ist er der DHS-Schraube und teilweise auch der DHS-Klinge überlegen [15].

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