Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Konservative Therapie der symptomatischen Gonarthrose in Zeiten der Unterfinanzierung

Meine persönliche Meinung: Nahrungsergänzungsmittel belasten nicht mein Budget, der Nutzen ist nicht evidenzbasiert.

Schuhaußenranderhöhung

Möglicherweise kann auch eine Schuhaußenranderhöhung eine Entlastung des medialen Kompartiments bewirken, die AAOS-Leitlinie [1] spricht sich jedoch klar dagegen aus.

Eine jüngere Metaanalyse von Petersen [29] kam zu dem Ergebnis, dass die wissenschaftliche Evidenz für den Einsatz vage ist, allerdings bei leichten Arthrosestadien und leichten Varusfehlstellungen ein biomechanischer und klinischer Effekt zu erzielen sei. Wenn überhaupt sei der biomechanische Effekt stärker, wenn die Erhöhung unter der Schuhsohle und nicht nur an der Einlage angebracht werde.

Meine persönliche Meinung: Eine Schuhaußenranderhöhung ist nicht evidenzbasiert, sie liegt im Ermessen des Arztes.

Krankengymnastik

Diehl et al. [10] postulierten, positive Effekte der Krankengymnastik auf Schmerzreduktion und eine Verbesserung der Gelenkfunktion seien in einer Reihe von Studien demonstriert worden.

Fransen et al. [13] untersuchten, ob sich Bewegungstherapie (auf dem Trockenen) positiv auf Gelenkschmerzen und Funktion bei Patienten mit Gonarthrose auswirken kann. Einbezogen wurden hier 54 RCTs, die zwischen 1996 und 2013 erschienen sind. Im Ergebnis konnte eine hohe Evidenz für den zumindest kurzzeitigen Behandlungseffekt (2–6 Monate nach Beendigung der Behandlung) in Bezug auf Schmerz und Verbesserung der Funktion nachgewiesen werden. Uthman [34] stellte sich die generelle Frage, ob Bewegungsinterventionen effektiver sind als keine Bewegungsintervention bzw. die Effektivität von verschiedenen Bewegungsinterventionen in Bezug auf Schmerzreduzierung und Funktionsverbesserung. Untersucht wurde hier neben der Gonarthrose auch die Coxarthrose. Im Ergebnis der 66 RCTs konnte bestätigt werden, dass Bewegungsinterventionen (Kraft-, Ausdauertraining bzw. kombinierte Interventionen) signifikant effektiver waren als keine Bewegungsintervention. Am effektivsten zur Schmerzreduzierung erwiesen sich kombinierte Interventionen aus Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining.

Meine persönliche Meinung: Bei der Unterfinanzierung meiner ambulanten Tätigkeit sehe ich mich entgegen den Empfehlungen der aktuellen Leitlinie „Gonarthrose“ [33] nicht in der Lage, Regress-bedrohte Krankengymnastik bei Gonarthrosepatienten zu verordnen. Ich rate im Einklang mit der AAOS-Leitlinie [1] Selbstübungen zur Verbesserung der Beweglichkeit und der Kraft an.

Topische NSAR

Ideal in mein von Regress-Sorgen bestimmtes „Kein Aufwand“-Konzept passt die Cochrane-Analyse von Derry et al. aus dem Jahr 2017, [9] wonach die lokale Diclofenac-Anwendung bei Kniegelenksarthrose gleich wirksam ist wie die orale NSAR-Verabreichung. Zudem waren die gastrointestinalen Wirkungen bei topischer Anwendung geringer, dafür stieg das Risiko für eine dermatologische Wirkung wie Rötung und Jucken an.

Die bevorzugte topische Applikation von NSAR bei Patienten, die älter als 75 Jahre sind, wird auch vom American College of Rheumatology empfohlen, da mit geringer ausgeprägten unerwünschten gastrointestinalen Nebenwirkungen zu rechnen ist [19].

Meine persönliche Meinung: Die topische Applikation von NSAR belastet nicht mein Budget und ist evidenzbasiert.

Orale Medikation

Paracetamol

Bei der Tablettenverordnung wird im Review des British Medical Journals [4] an erster Stelle das rezeptfreie Paracetamol empfohlen, bis zu 4 g pro Tag, ebenso wie von Diehl et al. [10], der auf die Komplikationsmöglichkeit einer schweren Leberfunktionsstörung hinweist.

Dem gegenüber rät die aktuelle Leitlinie „Gonarthrose“ [33] von der Paracetamol-Verordnung bei Patienten mit Gonarthrose ab. Paracetamol zeige bei Patienten mit Gon- und Coxarthrose keine klinisch signifikante schmerzlindernde Wirkung [8, 26].

NSAR

Besondere Vorsicht ist geboten bei der Verschreibung von sog. nichtsteroidalen Antirheumatika. Laut aktueller Leitlinie „Gonarthrose“ [33] besitzen diese ein beachtliches Potenzial an gastrointestinalen, kardiovaskulären und renalen Nebenwirkungen, die besonders im höheren Lebensalter als auch bei höherer Dosierung auftreten.

Folgende Patienten haben ein besonders hohes Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen nach NSAR-Gabe:

Alter über 60 Jahre,

anamnestisch bekannte Ulzera und gastrointestinale Blutungen,

Kortikosteroidtherapie,

Antikoagulation/Thrombozytenaggregationshemmer,

schwere systemische Grunderkrankung,

Helicobacterpylori-Infektion,

Kombination mehrerer NSAR einschließlich ASS,

hohe Dosierung,

lange Therapiedauer,

Stress,

Alkoholismus.

NSAR unterscheiden sich hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens gastrointestinaler Nebenwirkungen. Danach haben z.B. Aceclofenac, Celecoxib und Ibuprofen ein geringeres Risiko als z.B. Diclofenac, Meloxicam und Ketoprofen und diese wiederum ein geringeres Risiko für gastrointestinale Komplikationen als z.B. Naproxen, Indometacin oder Piroxicam.

PPI sind nicht im Dünn- und Dickdarm wirksam, sodass nur ein eingeschränkter Schutz des Gastrointestinaltrakts vor NSAR besteht. Die Kombination eines COX-2 Hemmers mit PPI stellt derzeit die sicherste Möglichkeit dar, ein rezidivierendes Ulkusbluten im oberen Gastrointestinaltrakt zu verhindern.

Bei Patienten, die in der Vorgeschichte ein blutendes Ulkus im oberen Gastrointestinaltrakt hatten und die ein NSAR unbedingt erhalten sollen, empfiehlt das American College of Rheumatology die Kombination eines COX-2-Hemmers mit einem PPI.

Bei Patienten, die prophylaktisch ASS 100 einnehmen, ist Ibuprofen kontraindiziert! Ibuprofen verringert die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS und bewirkt eine signifikante Steigerung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos [7].

Eine Kontraindikation für jegliche NSAR sind Patienten mit einer Niereninsuffizienz im Endstadium.

Mehrere epidemiologische und randomisierte Studien sowie Metaanalysen weisen auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sowohl von COX-2-Hemmern als auch nach Gabe von topischen NSAR hin. Naproxen weist nach heutigem Kenntnisstand ein geringeres kardiovaskuläres Risiko auf, dagegen ist das gastrointestinale Risiko bei Naproxen höher als bei Diclofenac und den COX-2-Hemmern.

Nach Einschätzung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA unterscheidet sich das kardiovaskuläre Risiko von Diclofenac nicht von dem der COX-2-Hemmer. Die EMA empfiehlt daher für Diclofenac die gleichen KI und Vorsichtsmaßnahmen wie für COX-2-Hemmer, nämlich keine Anwendung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte) sowie Vorsicht bei kardiovaskulären Risikofaktoren (z.B. Diabetes, Rauchen, Hypercholesterinämie und Hypertonie) [11].

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