Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Konservative Therapie der symptomatischen Gonarthrose in Zeiten der Unterfinanzierung

Meine persönliche Meinung: Bei der Unterfinanzierung meiner ambulanten Tätigkeit sehe ich mich entgegen den Empfehlungen der aktuellen Leitlinie „Gonarthrose“ [32] weder in der Lage, zuverlässig das Risiko unerwünschter Wirkungen zu verringern, bei Patienten im höheren Lebensalter lediglich NSAR mit kurzer Halbwertszeit einzusetzen, mich um die Ulkus-Prophylaxe zu kümmern oder die routinemäßige Überwachung des Gastrointestinaltraktes, des Blutdrucks sowie der Nierenfunktion zu gewährleisten.

Patienten mit anamnestisch festgestellten Risiken am oberen Gastrointestinaltrakt, am Herz-Kreislauf-System oder an der Niere verordne ich keine NSAR mehr, sondern verweise sie zu meiner Risikominimierung und zur Schonung meines Medikamentenbudgets konsequent an ihren Hausarzt oder Internisten.

Metamizol

Metamizol wird häufig als WHO-Stufe-2-Medikament zur Schmerzbehandlung eingesetzt, der genaue Wirkmechanismus von Metamizol ist nicht bekannt. Indikation zum Einsatz von Metamizol sind sonstige akute oder chronische Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind. Die Behandlung der Arthrose ist nicht die Indikation von Metamizol.

Jerosch und Breil-Wirth wiesen in ihrem ausgezeichneten Artikel [22] darauf hin, dass als gravierende Nebenwirkung die Gefahr der Agranulozytose im Verhältnis 1:10.000 und die anaphylaktische Reaktion im Verhältnis 1:10.000 im Vordergrund steht. Der Verlauf der Erkrankung ist im individuellen Fall nicht konkret vorhersehbar, von eher leichtem Verlauf bis hin zum Tod.

Durch Metamizol wird nicht das Knochenmark als Erzeugungsort der Granulozyten geschädigt, sondern es erfolgt eine Vernichtung bereits zirkulierender Blutzellen, d.h. das limitierende Element stellt hier die Immunabwehrschwäche des Patienten dar, wobei in der Regel schwere Infekte oder eine Sepsis todesursächlich sind.

Für den Arzt ergibt sich nach Jerosch und Breil-Wirth ein erhebliches haftungsrechtliches Problem, denn nur in den seltensten Fällen werde die Verschreibung mit der Aufklärung über das Risiko einer bedrohlichen Leukopenie verbunden. Auch eine „therapeutische Aufklärung“, z.B. mit Verhaltensempfehlungen bei Auftreten von Fieber und Halsschmerzen, finde in der Regel nicht statt. Das zahlenmäßig sehr geringe Risiko werde dabei angesichts der guten Wirksamkeit und der Verträglichkeit vernachlässigt.

Bei bestimmten Medikamenten mit typischen und ernsthaften Risiken oder Nebenwirkungen, z.B. Blutungen unter Antikoagulanzien, gilt eine Pflicht zur Risikoaufklärung für Juristen als unbestritten. Wo die Grenze zwischen ernsthaft und nicht ernsthaften Risiken zu ziehen ist, ist vom Gesetzgeber nicht eindeutig fixiert. Die Juristen hätten jedoch sehr allgemein formuliert: Eine Aufklärung ist immer dann durchzuführen, wenn für ein bestimmtes Medikament eine typische Nebenwirkung bekannt ist und wenn durch die Realisierung eines damit verbundenen Risikos die weitere Lebensgestaltung wesentlich beeinträchtigt werde. Dabei wurde betont, dass die Häufigkeit der typischen Nebenwirkungen keine Rolle spiele, über diese also auch bezüglich sehr seltener typischer Nebenwirkungen aufzuklären sei.

Bei jeder einzelnen Verordnung von Metamizol ist sowohl eine Risikoaufklärung als auch eine sog. Sicherungsaufklärung (therapeutische Aufklärung) durchzuführen und zu dokumentieren, etwa in dem Sinne, dass im Fall von Fieber/Schüttelfrost, Halsschmerzen, Abgeschlagenheit oder Affektionen von Haut oder Schleimhäuten unverzüglich ein Arzt aufzusuchen und auf die Medikamenteneinnahme hinzuweisen sei. Ideal wäre zudem die dokumentierte Empfehlung, etwa eine Woche nach Beginn der Metamizol-Therapie ein Blutbild anfertigen zu lassen.

Meine persönliche Meinung: Bei der Unterfinanzierung meiner ambulanten Tätigkeit sehe ich mich nicht in der Lage, eine Risiko- und Sicherheitsaufklärung zu leisten. Ich verschreibe Metamizol nicht mehr und verweise die Patienten konsequent an ihren Hausarzt oder Internisten.

Akupunktur

Nach Diehl et al. [10] ist keine andere nicht operative Heilmethode so gut untersucht. In einer ganz aktuellen Vergleichsstudie wird die Wirksamkeit verschiedener Akupunkturverfahren untersucht. Sie liegt zwischen 48 und 73 %. In der Metaanalyse von Manyanga et al. [27] wurden 12 RCTs, davon 3 von hoher Qualität, begutachtet. Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung, Lebensqualität waren in den Verum-Akupunkturgruppen allen Kontrollen (Sham-Akupunktur, NSAIDs, Warteliste etc.) signifikant überlegen. Laut der aktuellen Leitlinie „Gonarthrose“ [33] „kann“ die Akupunktur bei Kniearthrose angewendet werden. Die AAOS-Leitlinie [1] spricht sich klar gegen die Anwendung der Akupunktur bei symptomatischer Gonarthrose aus.

Meine persönliche Meinung: Die Akupunktur bei Gonarthrose wird zurzeit nicht budgetiert und ist als extrabudgetäre Leistung damit auch finanziell interessant. Zudem ist sie evidenzbasiert.

Kortisoninjektion

Es gibt keinen Konsens, welches Präparat man in welcher Dosierung und wie häufig in ein symptomatisches Arthroseknie spritzen sollte. Bennell et al. [4] gestehen im British Medical Journal 3–4 Injektionen alle 3 Monate zu, während Diehl et al. [10] laut Studienlage 3–4 Injektionen im Jahr für indiziert halten. Denn eine Metaanalyse zeigt, dass intraartikulär applizierte Corticosteroide in hoher Dosierung den Knorpelzellstoffwechsel hemmen können [18] und die Knorpelmasse reduzieren [28]. In jedem Fall, so die Leitlinie „Gonarthrose“ [33], ist eine kurzfristige analgetische Wirkung für einen Zeitraum von mindestens einer Woche nachgewiesen worden. Gelegentlich können Corticosteroide sogar 16–24 Wochen wirken.

Die intraartikuläre Therapie darf nur von in dieser Technik besonders erfahrenen Ärzten durchgeführt werden. Die Injektion muss wegen der Gefahr einer septischen Arthritis unter streng aseptischen Bedingungen erfolgen. Die Leitlinie zur Durchführung intraartikulärer Punktionen und Injektionen, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und des Berufsverbands der Ärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie in Abstimmung mit dem Arbeitskreis „Krankenhaus- und Praxishygiene“ der AWMF erstellt wurde, ist hier zu beachten [15].

Meine persönliche Meinung: Bei der Unterfinanzierung meiner ambulanten Tätigkeit sehe ich die intrartikuläre Kniegelenksinfiltration mit einem Kortikoidpräparat als nicht medizinisch notwendig und damit auch nicht als Kassenleistung an. Der zeitliche und materielle Aufwand für Aufklärung und Durchführung der Leistung ist zu groß, als dass ich diese als „nicht eigenständig berechnungsfähige Teilleistung der Gebührenordnungsposition des EBM“ wirtschaftlich erbringen könnte. Ich biete solche Infiltrationen nicht mehr an.

Hyaluronsäure

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