Übersichtsarbeiten - OUP 03/2019

Konservative Therapie der symptomatischen Gonarthrose in Zeiten der Unterfinanzierung

Die intraartikuläre Verabreichung von Hyaluronsäure zeigt – Präparat-abhängig – positive länger andauernde Effekte am Arthroseknie, laut Cochrane-Review aus 2009 [Bellamy 32] jedenfalls länger als Kortison. Zur gegenteiligen Auffassung gelangt eine klassische Metaanalyse von Rutjes et al. [31] in den Annals of Internal Medicine, in der alle Präparate in einen Topf geworfen wurden. Nach gründlichem Umrühren fand man zusammengefasst keinen „klinisch relevanten“ Therapieeffekt mehr. Auch die AAOS [1] spricht sich klar gegen intraartikuläre Hyaluronsäureinjektionen bei symptomatischer Gonarthrose aus. Laut Leitlinie „Gonarthrose“ [33] kann die intraartikuläre Hyaluronsäureinjektion pragmatisch bei Patienten eingesetzt werden, bei denen der Einsatz von NSAR kontraindiziert ist oder bei denen NSAR „nicht ausreichend“ wirksam sind [32].

Meine persönliche Meinung: Die intraartikuläre Verabreichung von Hyaluronsäure belastet nicht mein Budget, da der Patient selbst zahlt, und sie löst weniger schwerwiegende unerwünschte Effekte aus als NSAR, Opioide oder Kortikosteroide.

Diskussion

Die statistischen Daten liegen auf dem Tisch. In Deutschland werden unverändert mehr Knieendoprothesen implantiert als im europäischen Vergleich – aus welchem Grund auch immer. Eine Schuldzuweisung an Einzelne bringt uns nicht weiter. Was notwendig ist, das ist ein „regime change“.

Bereits 2013 [30] hatte ich gefordert, dass sich BVOU und DGOU der bedrohlichen Situation endlich offensiv stellen und sich an die Spitze einer Knieprothesen-Vermeidungsstrategie setzen, wie diese bereits lange von Epidemiologen, Internisten und Allgemeinmedizinern gefordert wird, so z.B. im Review-Artikel des renommierten British Medical Journal [4].

Aktualisierte Leitlinien sowie ein Endoprothesenregister wurden zwar implementiert, die Qualitätskontrollen wurden ausgeweitet, jedoch beides offensichtlich ohne praktische Auswirkungen auf die Anzahl der Knieendoprothesenoperationen in Deutschland

Persönlich halte ich nach wie vor 3 Kernpunkte für das GKV-System unausweichlich:

  • 1. Weg von unserer budgetierten konservativen 4-Euro-Billig-Medizin hin zu einer zeitaufwendigen, auf die Bedürfnisse des Patienten eingehenden Versorgung, die den Namen auch verdient und deren Koordination originäre Aufgabe der Orthopädie ist.
  • 2. Verzicht und (auch finanzielle) Anstrengung für unsere Patienten, die zu einer Änderung ihres Lebenswandels überzeugt werden müssen. Die Implantation einer Knie-TEP muss in Zukunft an transparente und klare Voraussetzungen geknüpft werden, gerade auch beim Patienten – nach dem Motto „fördern und fordern“.
  • 3. Daher umfassende nicht budgetierte Angebote zu Physiotherapie, manueller Therapie, Orthesenversorgung, psychologischer Betreuung und diätetischer Anleitung, auch unter stationären Bedingungen.

Seit Jahren wird die orthopädische konservative Medizin unzureichend vergütet – weit über das von BÄK-Präsident Montgomery propagierte sparsame, wirtschaftliche Verhalten hinaus [14, 17].

So lange dies fortbesteht, ist die immer frühere und immer häufigere Entscheidung zum lukrativen Gelenkersatz keine Überraschung – und zur Querfinanzierung der nicht operativen Anstrengungen in meinen Augen vollkommen legitim.

Interessenskonflikte:

keine angegeben.

Literatur

1. AAOS: Treatment of osteoarthritis of the knee. Full guideline. 2013

2. Baczko M: Meine Rechte als Patient. Haufe-Lexware 2011

3. Bellamy N, Campbell J, Robinson V et al.: Viscosupplementation for the treatment of osteoarthritis of the knee. Cochrane Database Syst Rev 2015

4. Bennell KL, Hunter DJ, Hinman RS: Management of osteoarthritis of the knee. BMJ 2012; 345: e4934

5. Bhandari M, Smith J, Miller LE, Block JE: Clinical and economic burden of revision knee arthroplasty. Clin Med Insights Arthritis Musculoskelet Disord 2012; 5: 89–94

6. Blech J: Auf die Knochen. Der Spiegel 2018; 47: 114–22

7. Cascorbi I: Drug interactions – principles, examples and clinical consequences. Dtsch Arztebl Int 2012; 109: 546–55

8. da Costa BR, Reichenbach S, Keller N et al.: Effectiveness of non-steroidal anti-inflammatory drugs for the treatment of pain in knee and hip osteoarthritis: a network meta-analysis. Lancet 2017; 390: e21–e33

9. Derry S, Wiffen PF, Kalso EA et al.: Topical NSAIDs for acute and chronic pain in adults. Cochrane Database Syst Rev 2017

10. Diehl P, Gerdesmeyer L, Schauwecker J et al.: Konservative Therapie der Gonarthrose. Orthopäde 2013; 42: 125–39

11. EMA. PRAC recommends the same cardiovascular precautions for diclofenac as for selective COX-2 inhibitors. www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Press_
release/2013/06/WC500144451.pdf, 2013 (letzter Zugriff am 19.1.2019)

12. Fasco A: Was können wir von Politik und Kassen zukünftig erwarten? Quo vadis O&U? Vortrag 3. Landeskongress BVOU Rheinland-Pfalz, 2018

13. Fransen M, McConnell S, Harmer AR et al.: Exercise for osteoarthritis of the knee: a Cochrane systematic review. Br J Sports Med, 2015; 491554–7

14. Gegen die Kommerzialisierung. Patientenversorgung unter Druck. Dt. Ärzteblatt 2018; 115: A211–A212

15. Gruber B: Intraartikuläre Punktionen und Injektionen: Hygienemaßnahmen. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/029–006.html (letzter Zugriff am 19.1.2019)

16. Gudbergsen H, Boesen M, Lohmander LS: Weight loss is effective for symptomatic relief in obese subjects with knee osteoarthritis independently of joint damage severity assessed by high-field MRI and radiography. Osteoarthritis Cartilage 2012; 20: 495–502

17. Gutes Ergebnis oder Almosenmedizin? Orthopädische Nachrichten 09.2018

18. Hirsch G, Kitas G, and Klocke R: Intra-articular corticosteroid injection in osteoarthritis of the knee and hip: factors predicting pain relief – a systematic review. Semin Arthritis Rheum, 2013; 42: 451–73

19. Hochberg MC, Altman RD, April KT et al.: American College of Rheumatology 2012 recommendations for the use of nonpharmacologic and pharmacologic therapies in osteoarthritis of the hand, hip, and knee. Arthritis Care & Research 2012; 64: 465–74

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