Originalarbeiten - OUP 02/2022

Kurzfristige Ergebnisse mit einer schaftfreien inversen Onlay Schulterendoprothese (Easytech, FX Solutions)

Die Onlay-Polyethylen-Kompo-nenten sind modular und über ein Metallsteckkonus-Modul mit dem metaphysären Ankerimplantat verbunden (Abb. 2 f–h). Die PE-Kom ponenten sind, wie die Glenosphäre, in Durchmessern von 36 und 40 mm verfügbar. Es kann zwischen Höhen von + 3, + 6 und +9 mm ausgewählt werden. Die Beständigkeit der Verbindung zwischen dem modularen Metallsteckkonus und dem metaphysären Ankerimplantat wurde mittels dynamischer, biomechanischer Testverfahren geprüft. Das modulare Onlay-Design erlaubt, dass das glenohumerale Offset des Polyethylens gegenüber dem Humerus bzw. dem einliegenden metaphysären Ankerimplantat durch eine unterschiedliche Positionierung verändert werden kann. So kann das Offset des Humerus, je nach Rotationseinstellung der Onlay-Komponente in allen Richtungen variiert werden (Abb. 3). Bspw. erlaubt dies eine zusätzliche Lateralisation des Humerus. In Kombination mit der Höhenaustestung der verfügbaren Inlaykomponenten erlaubt die Offseteinstellung eine vielseitigere Einstellung der Gelenkstabilität, der Spannung des Deltamuskels sowie der Spannung evtl. erhaltener Rotatoren. Darüber hinaus kann die Möglichkeit einer Offset-Erweiterung den Umlenkwinkel des Deltamuskels ein wenig verbessern (Abb. 4). Die in Abb. 4 rechts gezeigte Polyethylen-Positionierung mit einem um wenige Millimeter erweiterten Offset und einer leicht reduzierten akromiohumeralen Distanz ist in unserer Gruppe in Deutschland häufiger präsent als bei den französischen Kollegen. Evtl. bietet diese Technik in einem begrenzten Umfang funktionelle Vorteile. So mag dies helfen, eine Überspannung des Deltamuskels bei einer gleichzeitig vglw. hohen Gelenkstabilität etwas sicherer zu vermeiden. Evtl. reduziert dies die Wahrscheinlichkeit der im Verlauf von Jahren, insbesondere bei überspannten Verhältnissen, gelegentlich zu beobachtenden Deltainsuffizienz.

Ergebnisse

Die Nachuntersuchungszeit betrug wenigstens 6 und in Einzelfällen höchstens 12 Monate. Komplikationen neurologischerseits wie bspw. Apraxien des Nervus axillaris, Plexuslähmungen etc. oder anderweitige Komplikationen wie Luxationen, Frühinfekte etc. bestanden nicht. Der Constant-Score stieg im Mittel von präoperativ 11,8 ± 8,5 Punkten auf 59,3 ± 14,0. Der DASH-Score verbesserte sich von 73,3 ± 14,1 auf 22,2 ± 14,4 Punkte. Ebenso kam es zu einer Verbesserung des ASES-Scores von 48,5 ± 10,3 auf postoperativ 74,9 ± 14,0 Punkte. Die radiologischen Parameter (Abb. 1) zeigten die folgenden Veränderungen: Die AHD vergrößerte sich im Mittel von 5,7 ± 7,3 mm auf 35,1 ± 8,3 mm (p < 0.001). Das humerale Offset erweiterte sich von 25,6 ± 5,1 mm auf 52,5 ± 7,1 mm (p < 0.001). Das laterale glenohumerale Offset veränderte sich nicht signifikant um wenige Millimeter von 63,9 ± 19,8 mm auf 67,7 ± 10,0 mm postoperativ (p = 0.076). Das Rotationszentrum wurde im Mittel um 6,5 ± 12,5 mm distalisiert. Dabei veränderte sich die Höhe des Rotationszentrums von durchschnittlich von 17,1 ± 8,6 mm auf 10,4 ± 5,8 mm postoperativ. Dieser Unterschied war in dieser Fallserie allerdings nicht signifikant (p = 0.125). Die gesamte Medialisierung des Rotationszentrums wird durch die Summe aus der Differenz des lateralen glenohumeralen Offsets und der Vergrößerung des humeralen Offset beschrieben [8, 61]. In dieser Studie wurde das Rotationszentrum im Mittel um 25,7 ± 16,2 mm medialisiert. Ein inferiores Skapula-Notching, radiologische Zeichen einer Lockerung der Prothesenkomponenten, periprothetische Frakturen, Akromionfrakturen sowie Prothesenluxationen wurden in diesem ersten Follow-up nicht festgestellt.

Diskussion

Die schaftfreie, metaphysäre Verankerung der Easytech Endoprothese ist in diesen kurzzeitigen Follow-up‘s stabil. Interessant ist, dass auch bei geschafteten und damit mehr diaphysär bzw. meta-diaphysär verankernden inversen Systemen humerale Lockerungen nicht auszuschließen sind. So zeigte bspw. eine Multicenteranalyse eine Rate von aseptischen Schaftlockerungen von immerhin 6 % [21]. Weitere Arbeiten zu schaftgeführten, inversen Systemen zeigen humerale Lockerungsraten von 1,3 % [66], 2 % sowie 3 % [33]. Ballas et al., eine eigene Studie und v.a. eine Langzeituntersuchung von Beck at al. beschrieben bei der schaftfreien, metaphysär verankernden inversen TESS-Endoprothese bei Patienten mit einer Defektarthropathie einen festes Einwachsen ohne humerale Lockerungen [3, 4, 61]. Es stellt sich die Frage, ob dies auf einen Aspekt der proximalen Krafteinleitung schaftfreier Implantate hinweist. Evtl. beeinflusst dies die Lockerungen geschafteter Implantate, die in Folge des sog. “stress shielding“ im Langzeit-Follow-up gelegentlich zu sehen sind. Hierbei ist zu bemerken, dass die schaftfreie inverse Versorgung bei Frakturfolgezuständen, bei denen der peripher-metaphysäre Knochen geschädigt ist, nicht zu empfehlen ist [61]. In der vorliegenden Untersuchung mit einem sehr kurzen Follow-up wurden ausschließlich Patienten mit einer Defektarthropathie u./o. schweren Arthrosen und Manschettenschäden eingeschlossen. Das Konzept der peripher metaphysären Verankerung mit einem möglichst großen Ankerimplantat wurde umgesetzt. Somit scheint sich eine hohe Primärstabilität zu finden. Die Doppelbeschichtung aus porösem Titan und Hydroxylapatit findet sich im Bereich des gesamten metaphysären Ankerimplantates, an der Rückfläche der Metaglene und um den Zapfen herum. Dies ähnelt der schaftfreien TESS-Endoprothese, die eine gute Langzeitstabilität mit einem soliden Einwachsen sowohl im proximalen Humerus als auch am Glenoid zeigt [4].

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