Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Langzeitergebnisse nach Resektion der distalen Tibia bei Osteosarkom und Kallusdistraktion

Nach Entfernung des Fixateurs nach radiologischer Kontrolle der Konsolidierung der Arthrodese begann der schrittweise Belastungsaufbau und letztlich das Abschulen von den Unterarmgehstützen.

In der folgenden Untersuchung wurden die Patienten klinisch untersucht, ohne eine neuerliche Röntgenaufnahme anzufertigen, da zahlreiche Kontrollaufnahmen aufgrund onkologisch empfohlener und in den jeweiligen onkologischen Kliniken durchgeführten Röntgenaufnahmen in mehr oder minder regelmäßigen Abständen erfolgt waren und sich vor allem in den letzten Jahren keine klinisch relevanten Befundänderungen mehr ergeben hatten.

Es wurden die Fixateur-Tragedauer, der mittlere Index (Zeit pro cm transportiertem Knochen), die Komplikationsrate und die Art der Komplikationen ermittelt.

Weiterhin wurde die Frage nach einem Rezidiv gestellt. Nach einem Follow-up von 15 (w) und 13 (m) Jahren wurde der Funktionsscore der MSTS nach Enneking und die Lebensqualität (QoL nach der EORTC) sowie der SF36 untersucht.

Ergebnisse

Der Defekt nach Tumorentfernung der distalen Tibia betrug 12,8 cm (w) und 13,5 cm (m). Für die Defektstrecken war eine Gesamttransportzeit des Segments einschließlich der initialen 10-tägigen Ruhephase von 158 (w) resp. 163 (m) Tagen erforderlich. Als Ende der reinen Transportzeit wurde der Zeitpunkt definiert, als die Spindel nicht mehr durch die Gewindemutter extrahierbar war, was simultan dann eintrat, als das transportierte Segment an den Talus angedockt war. Das bedeutete einen Index von 12 (w) resp. 11,3 (m) Tagen pro Zentimeter. Über diese Zeit hinaus war es aufgrund der erfolgten Docking-Operation weiterhin erforderlich, den Fixateur bis zur Konsolidierung der Arthrodese tibio-talar zu belassen. Die Gesamttragezeit für den Fixateur betrug 266 Tage (w) versus 275 Tage (m). Allerdings war es erforderlich, das operierte Bein an Unterarmgehstützen über die Tragezeit des Fixateurs hinaus weiter zu entlasten oder nur teilweise zu belasten. Die Gehstützen konnten vollständig nach 410 Tagen (w) und 402 Tagen (m) weggelassen werden (Abb. 2a–e).

An Komplikationen entwickelten beide Patienten mehrfach seröse Sekretionen aus verschiedenen Pins (Schanz’schen Schrauben), die aber durch die intensive Pin-Pflege mit regelmäßiger Reinigung mit Desinfektionslösungen beherrschbar waren. Eine ärztliche oder gar operative Intervention war nicht erforderlich.

Auch eine Inzision von Hautgewebe distal der Pins während des Transports, wie es gelegentlich vorkommen kann, wenn die Haut durch die Distalisierung der Pins nicht dem Pin weicht, war nicht erforderlich.

Allerdings resultierte am Ende der Distraktionszeit und nach Abschulen von den Unterarmgehstützen bei beiden Patienten eine Beinlängendifferenz zum kontralateralen Bein. Diese betrug 3,5 cm (w) bzw. 2 cm (m). Dies erklärt sich einerseits aus dem während der langen Zeit der Chemotherapie noch bestehenden Wachstum auf der kontralateralen Seite bei fehlender Wachstumsfuge der distalen Tibia und der andererseits langen Zeit des Transports bis hin zur vollständigen knöchernen Konsolidierung bis zur tibio-talaren Arthrodese.

Eine weitere Ursache ist, dass auf die Arthrodese eine leichte Kompression auf die angefrischten und augmentierten Spongiosa-Areale ausgeübt werden muss, durch diese Kompression kann auch ein Längenverlust von mehreren Millimetern resultieren, zumal bei der Patientin eine distale Fibulafraktur entstanden ist und damit bereits eine Verkürzung des Beins während des Callustransports vorlag.

Die Fraktur ist zum wesentlichen Teil bedingt durch die ausgeprägte Inaktivitätsosteoporose, da über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr – rechnet man vom Zeitpunkt der Tumorresektion ca. 1,5 Jahre – keine Belastung auf dem Bein besteht und erst zu diesem Zeitpunkt allmählich wieder eine beginnende Teilbelastung einsetzt. Bemerkenswert war zum Beispiel, dass bereits zum Zeitpunkt der Fixateur-Montage bei der Patientin aufgrund der Inaktivitäts-Osteoporose der knöcherne Calcaneus so weich war, dass die Schanz’schen Schrauben zur Fixierung der unteren Fixateur-Backe vom Operateur mit den Fingern ohne Zuhilfenahme von Schraubendrehern oder durch Vorbohren von Schraubenlöchern gesetzt werden konnten.

Während der Tragezeit des Fixateurs entwickelte die Patientin eine massive Beugebehinderung des Kniegelenks auf eine Flexionsfähigkeit von nur 40°. Erst nach Entfernung des Fixateurs war binnen 4 Wochen durch intensive Physiotherapie eine volle Flexionsfähigkeit des operierten Beins im Kniegelenk von 140° wieder möglich, (gleich wie die Beweglichkeit der kontralateralen Seite). Eine operative Intervention war nicht erforderlich.

In beiden Fällen entwickelte sich kein Rezidiv des Osteosarkoms.

Beide Patienten entwickelten nach Abschluss des Knochentransports eine sekundäre Beinlängendifferenz. Der männliche Patient, der zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits 17 Jahre alt war, also in der Endphase des Wachstumsalters, hatte am Ende der Prozedur noch eine Differenz von 2 cm im Vergleich zur gesunden Seite. Da er dadurch funktionell keine Beeinträchtigung hatte und durch einen entsprechenden Sohlenausgleich seines Schuhwerks auch seinen sportlichen Aktivitäten nachgehen konnte, war eine nochmalige Verlängerungsoperation nicht erforderlich und auch nicht gewünscht.

Die Beinlängendifferenz der Patientin nach Abschluss des Wachstums betrug 3,5 cm. Somit entschlossen wir uns 4 Jahre nach Abschluss des ersten Verfahrens zu einer erneuten Beinverlängerung in analoger Form mittels Fixateur externe und Monorail-Distraktor der Firma Orthofix. Bei dieser Beinverlängerung von Oktober 2006 bis April 2007 (Abbau des Fixateur Systems) bestand klinisch und radiologisch eine Achsabweichung im Sinne einer Valgusdeformität von ca. 15° mit Scheitelpunkt in der Distraktionsstrecke. Unter dieser Deformität und unter zunehmender Belastung kam es zu einer schleichenden Fraktur, so dass eine erneute Operation erforderlich wurde. Mittels unaufgebohrtem Tibianagel erfolgte eine Gradstellung und Verriegelung, die Fraktur heilte per primam und der Nagel konnte fristgerecht nach einem Jahr entfernt werden. Eine Beinlängendifferenz bestand nun nicht mehr.

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