Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018

Langzeitergebnisse nach Resektion der distalen Tibia bei Osteosarkom und Kallusdistraktion

Beide Patienten wurden im Jahr 2016 nachuntersucht (15 Jahre und 13 Jahre nach Primäroperation). In der Funktionsanalyse (MSTS-Score nach Enneking) hatte der männliche Patient 30 von 30 Punkten, die Patientin hatte zum Zeitpunkt der Untersuchung noch leichte Einschränkungen im Gangbild und erreichte im Score 28 von 30 Punkten. Im validierten Fragebogen der EORTC (SF36) erreichten beide Patienten einen vollständigen, nicht beeinträchtigten Score.

Diskussion

Die operative Rekonstruktion bei Tumoren nahe dem Sprunggelenk ist schwierig und endet in den meisten Fällen in einer Unterschenkelamputation. Die Weichteilausdehnung des Primärtumors auf der einen Seite und die enge Lagebeziehung zu der Gefäßnervenstraße andererseits mit der Möglichkeit, intraoperativ keine adäquaten Resektionsgrenzen zu erzielen, lassen oft die Chance auf einen Erhalt des Unterschenkels schwinden. In den beiden beschriebenen Fällen war es durch die Zweizeitigkeit des Eingriffs – zuerst die Resektion und Überprüfung der Resektionsgrenzen durch den Pathologen einerseits und andererseits durch die Bestätigung des klinisch bereits angenommenen guten Ansprechens auf die neoadjuvante Chemotherapie – jeweils möglich, eine Interimsmöglichkeit zu schaffen und das Ende der Chemotherapiephase abzuwarten.

Grundsätzlich hätte die Möglichkeit bestanden, bei marginalen Resektionsgrenzen oder aber schlechtem oder Nicht-Ansprechen auf die Chemotherapie, die alternativ in Erwägung gezogene Unterschenkelamputation durchzuführen, ohne dass sich bei dieser „Rückzugsmöglichkeit“ die Chancen für den Patienten verändert oder verschlechtert hätten.

Der Vorteil der Zweizeitigkeit lag weiterhin darin, dass durch die Schanz’schen Pins während der Chemotherapie mit ihren Aplasiephasen das Risiko einer Pin-Infektion nicht unnötig gesteigert worden wäre. Die Montage des Fixateurs externe und der anschließende Kallustransport waren somit ohne übermäßiges Risiko einer lokalen und auch einer systemischen Infektion möglich.

Das vorgestellte Verfahren ist eine Alternative zu einer Unterschenkelamputation. Die Möglichkeit der Rekonstruktion mittels Tumorprothese ist nur sehr begrenzt. Lee [6] beschreibt in einer kleinen Serie von 6 Patienten nicht nur die Möglichkeit von Infektionen, sondern auch von einem Taluskollaps in 2 Fällen. Auch die beiden Fälle von Gosheger et al. [8] mit Rekonstruktion der totalen Tibia mittels Tumorprothese haben nur einen kurzen Nachbeobachtungszeitraum, und es ist zu erwarten, dass insbesondere bei einem Follow-up von 10 Jahren und mehr wie bei diesen beiden beschriebenen Patienten das Risiko des Taluskollaps – je nach Körpergewicht und der Aktivität des Patienten – noch steigen wird. Die Rekonstruktion mittels Allograft wird in der Arbeitsgruppe von Frey sehr kritisch gesehen [2]; noch im Zeitraum von einem Jahr kam es zu einer Fraktur des Grafts, sodass eine neue Rekonstruktion in Erwägung gezogen werden muss oder letztlich eine Amputation erforderlich ist.

Die Funktion nach der hier beschriebenen Methode und die Lebensqualität sind nur minimal eingeschränkt und auch Patienten mit Tumorprothesenrekonstruktion oder Umdrehplastik weit überlegen [5]. Allerdings ist das Verfahren unabdingbar an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Es ist nur durchführbar, wenn der Tumor der distalen Tibia keine ausgeprägte Weichteilkomponente hat. Ist das Gefäßnervenbündel involviert, ist der distale Unterschenkel nicht zu erhalten. Dies entspricht der allgemeinen Vorgehensweise bei malignen Extremitätentumoren, aber aufgrund der besonderen Anatomie mit sehr engen Verhältnissen am Unterschenkel ist dies eine Besonderheit dieser Lokalisation. Die zweite Voraussetzung ist, dass der Tumor ein möglichst gutes Ansprechen auf die präoperative Chemotherapie haben sollte. Der klinisch oder radiologisch vermutete Progress sollte auf jeden Fall zur Amputation disponieren. Die Zweizeitigkeit ist unabdingbar, denn das Risiko, während der Chemotherapie über die Pins eine Infektion zu generieren, erscheint uns außerordentlich hoch.

Die lange Therapiezeit von etwa einem Jahr bei der beschriebenen Rekonstruktionsstrecke setzt eine sehr gute Compliance und Geduld der Patienten und deren Eltern voraus.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Axel Hillmann

Zentrum für Sarkome und Muskuloskelettale Tumore

Asklepios Klinikum Bad Abbach

Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg

Kaiser-Karl-V.-Allee 3

93077 Bad Abbach

a.hillmann@asklepios.com

Literatur

1. El-Negery A, Elmoghazy NA, Abd-Ellatif MS, Elgeidi A: Vascularized fibular medialization for reconstruction of the tibial defects following tumour excision. Int Orthop. 2017; 41: 2179–87

2. Frey SP, Hardes J, Ahrens H, Winkelmann W, Gosheger G: Total tibia replacement using an allograft (in a patient with adamantinoma). Case report and review of literature. J Cancer Res Clin Oncol. 2008; 134: 427–31

3. Gosheger G, Hardes J, Leidinger B et al.: Total tibial endoprosthesis including ankle joint and knee joint replacement in a patient with Ewing sarcoma. Acta Orthop. 2005; 76: 944–6

4. Hardes J, von Eiff C, Streitbuerger A et al.: Reduction of periprosthetic infection with silver-coated megaprostheses in patients with bone sarcoma. J Surg Oncol. 2010; 101: 389–95

5. Hillmann A, Hoffmann C, Gosheger G, Krakau H, Winkelmann W: Malignant tumor of the distal part of the femur or the proximal part of the tibia: endoprosthetic replacement or rotationplasty. Functional outcome and quality-of-life measurements. J Bone Joint Surg Am. 1999; 81: 462–8

6. Lee SH, Kim HS, Park YB, Rhie TY,
Lee HK: Prosthetic reconstruction for tumours of the distal tibia and fibula. J Bone Joint Surg Br. 1999 Sep;81(5):803–7

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5