Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Low-grade-Infektionen bei Schulterprothesen

Alle Nekrosen, Fremdkörper und avitale Knochen sollten unter Erhalt der Vaskularisierung entfernt werden, um eine Infektpersistenz zu vermeiden. Der Prothesenschaft wird in der Regel über ein M.pectoralis gestieltes Knochenfenster entfernt. Verschiedene Meißel, eine hydraulische/elektrische Fräse und spezielle Räumhaken sind zur vollständigen Zemententfernung obligat [51]. Präoperativ sollten daher Röntgenbilder des gesamten ipsilateralen Humerus und zur Längenbestimmung auch der gesunden Gegenseite vorliegen. Zur Verankerung der Revisionsprothese sind mindestens 5 cm distal des gegenwärtigen Zementköchers erforderlich, dies definiert dann die Länge der Revisionsprothese. Sie muss präoperativ möglichst genau bestimmt werden, denn häufig sind Langschäfte mit 210 mm oder länger erforderlich. Gegebenenfalls muss ein Sonderimplantat angefertigt werden, dann sind längere Vorlaufzeiten oft unausweichlich. Nach dem Wechsel auf die Interimsprothese sollte für 6–8 Wochen eine resistenzgerechte Antibiotikatherapie unter Infektmonitoring erfolgen [33]. Vor der Reimplantation der Wechselprothese sollte ein antibiotikafreies Intervall von 2 Wochen erfolgen. Bei fehlendem Keimnachweis und negativen Infektparametern ist die Planung der Reimplantation möglich. Sollten bei der Reimplantation erneut Keime nachgewiesen werden, empfiehlt sich die weitere Gabe von Antibiotikum für insgesamt 3 Monate. Die Ruhigstellung bei einliegendem Spacer erfolgt mit einer Gilchristbandage, der Patient sollte zurückhaltend beübt werden. Der Nachteil der 2-zeitigen Versorgung liegt in der langen Behandlungsdauer und Ruhigstellung sowie der erneuten Operation/Narkose und dem anspruchsvollen operativen Verfahren.

Antimikrobielle Therapie

Die antiinfektive Therapie begleitet den Prothesenwechsel für mehrere Monate. Eine möglichst frühzeitige Erkennung des Erregers ist daher wichtig. Bei allen operativen Verfahren sollten mehrere (mind. 5) mikrobiologische Proben inklusive Gewebestücken gewonnen werden. Diese sind von Kaspel/Synovia und dem Interface zur Prothese zu entnehmen. Von explantierten Komponenten sollte ebenfalls eine Probe entnommen werden. Außerordentlich hilfreich für den Keimnachweis ist die Sonikation der explantierten Prothese. Die Sonikation entfernt die Bakterien von der Oberfläche des Implantats [52] und zertrümmert die Biofilmfragmente in Suspensionen einzelner Zellen [53]. Die Sensitivität eines so gewonnenen Sonifikats ist einer konventionellen Gewebekultur überlegen (78,5 vs. 60,8 %; P < 0,001), vor allem dann, wenn eine Antibiotikatherapie zwischen 4 und 14 Tagen vor der Implantatentfernung gestoppt wurde [54]. Die Sonikationsmethode wurde mehrfach bei periprothestischen Schulter- und Ellbogenprotheseninfekten [55, 56] und multiplen anderen implantatassoziierten Infekten eingesetzt [57].

Die mikrobiologischen Proben werden steril in Röhrchen für Anaerobierkulturen gegeben (Thio-Glycolat-Lösung oder Blutkulturflaschen), weil sonst die Anzucht langsam wachsender Anaerobier wie C. acnes nicht gelingt [58]. Zudem müssen immer repräsentative histologische Proben entnommen werden. Wenn histologische und mikrobiologische Proben einen Infekt belegen, sind Kontaminationen in der Regel ausgeschlossen.

Empirisch wird ein Breitspektrum-Antibiotikum mit grampositivem und -negativem Spektrum sowie Anaerobierwirkung empfohlen. In unserem Hause wird primär eine Kombination aus Ampicillin und Sulbactam in der kalkulierten Therapie verwendet. Bei nachgewiesenem Protheseninfekt werden 3 Monate als Behandlungsdauer angegeben [33]. Häufig wird eine Kombinationstherapie mit Rifampicin eingeleitet, da dies hilft, den Biofilm zu penetrieren. Es sollte jedoch nie alleine und stets in Kombination verabreicht werden [59]. C. acnes ist sehr empfindlich gegenüber einem breiten Spektrum an Antibiotika. Darunter zählen ß-Lactame, Chinolone, Clindamycin und Rifampicin [60, 61]. Erste Resistenzen sind allerdings schon bekannt und breiten sich aus. 1983 wurden 104 C. acnes Isolate gegenüber 22 verschiedenen Antibiotika getestet, wobei der Keim lediglich gegenüber Metronidazol resistent war. Mittlerweile liegen aber Berichte über Resistenzen gegenüber Makroliden, Clindamycin, Tetracyclinen und Trimethoprim-Sulfamethoxazol vor [57]. Die Resistenzrate von C. acnes liegt bei derzeit 2,6 % gegenüber Tetracyclinen, 15,1 % gegenüber Clindamycin und 17,1 % gegenüber Erythromycin [61]. Keine Resistenzen wurden hingegen gegenüber Linezolid, Benzylpenicillin, oder Vancomycin beobachtet [61]. Die Macrolid-Clindamycin-Resistenz ist vor allem dem breiten Einsatz bei der topischen und oralen Anwendung bei der Akne vulgaris geschuldet [62].

Bei der Behandlung von Biofilmen haben Rifampicin, Daptomycin und Ceftriaxon die höchste Effektivität, während Vancomycin, Clindamycin und Levofloxacin weniger wirksam sind. Im Tiermodell wurde die höchste Heilungsrate mit der Kombination aus Daptomycin und Rifampicin beobachtet (63 %), gefolgt von Vancomycin plus Rifampicin (46 %) [63].

Schlussfolgerung

Low-grade-Infekte in der Schulterendoprothetik zeigen nicht die typischen Infektzeichen und werden deshalb oft erst sehr spät erkannt. Dabei sind vor allem biofilmbildende Keime ursächlich, allen voran C. acnes. Die frühzeitige und korrekte Erkennung einer Low-grade-Infektion ist für die Einleitung einer adäquaten Therapie wichtig. Chronisch manifeste Low-grade-Infekte werden in der Regel mit einer vollständigen Entfernung aller Fremdkörper und einem 2-zeitigen Prothesenwechsel behandelt. Die Herausforderungen bei der Behandlung bestehen in der Erkennung einer Low-grade-Infektion und der anspruchsvollen Operation im Falle eines 2-zeitigen Prothesenwechsels.

Interessenkonflikt:

Keine angegeben.

Literatur

1. Neer CS, Brown TH, Jr., McLaughlin HL: Fracture of the neck of the humerus with dislocation of the head fragment. Am J Surg 1953; 85: 252–8

2. Neer CS, 2nd: The classic: Articular replacement for the humeral head. Clin Orthop Relat Res 1955; 469: 2409–21

3. Neer CS, 2nd: Follow-up notes on articles previously published in the journal: articular replacement for the humeral head. J Bone Joint Surg Am 1964; 46:1607–10

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