Übersichtsarbeiten - OUP 04/2025

Metatarsalgie

Jörn Dohle

Zusammenfassung:
Die Metatarsalgie ist über den Schmerz als Leitsymptom im Bereich des zentralen Vorfußes definiert. Damit ist die Metatarsalgie ein „Sammelbecken“ für verschiedene Krankheitsbilder, die in dieser Region ähnliche Beschwerden verursachen können.
Als häufigste Ursachen können eine Schädigung der plantaren Platte des Kleinzehengrundgelenks mit konsekutiver Instabilität des Gelenks, ein Morton-Neurom, eine degenerative Schädigung des Kleinzehengrundgelenks als Spätstadium einer avaskulären Knorpel-Knochen-Nekrose, eine Ermüdungsfraktur eines Os metatarsale oder eine Synovitis als Manifestation einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis genannt werden. Da eine adäquate Therapie nur bei Identifikation der Grunderkrankung möglich ist, steht eine sorgfältige klinische Untersuchung mit ergänzender Röntgendiagnostik des Fußes in 2 Ebenen im Stand am Beginn der Behandlung. Die konservative Therapie besteht meist aus einer konsequenten Entlastung des schmerzhaften Vorfußes durch eine Einlagenversorgung in Kombination mit einer unspezifischen analgetischen Medikation. Führt dies nicht zu einem funktionell befriedigenden Zustand, sind operative Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Diese müssen spezifisch auf die zugrunde liegende Pathologie ausgerichtet sein.

Schlüsselwörter:
Metatarsalgie, Biomechanik, Hammerzehe, Morton-Neurom, Ermüdungsfraktur, M. Freiberg-Köhler

Zitierweise:
Dohle J: Metatarsalgie
OUP 2025; 11: 164?172
DOI 10.53180/oup.2025.0164–0172

Summary: Metatarsalgia is defined by pain as the main symptom in the area of the central forefoot. This means that various conditions with different etiology can cause metatarsalgia The most common causes include damage to the plantar plate of the metatarsophalangeal joint leading to instability. Other possible causes for metatarsalgia are a Morton’s neuroma, degenerative changes to the metatarsophalangeal joint as a late stage of avascular necrosis (Freibergs disease), a stress fracture of a metatarsal bone, or a synovitis as a manifestation of a rheumatic disease. Since an adequate therapy is only possible upon identification of the underlying disease, a careful clinical examination along with additional X-ray diagnostics of the foot in two planes while standing is the starting point of the treatment. The conservative therapy mainly consists of a consistent unloading of the painful forefoot through the use of insoles in combination with a nonspecific analgetic medication. If this does not lead to a functionally satisfactory condition, surgical measures should be considered, which must be specifically aimed at the underlying pathology.

Keywords: Metatarsalgia, biomechanics, hammer toe, Morton Neuroma, fatigue fracture, Freibergs disesase

Citation: Dohle J: Metatarsalgia
OUP 2025; 11: 164?172. DOI 10.53180/oup.2025.0164–0172

Dohle J: OGAM Orthopädie Wuppertal

Einleitung

Die Metatarsalgie ist durch die Kombination aus Schmerzen (Algos) in einer bestimmten Region unter den Metatarsalia, insbesondere unter dem 2–4 Mittelfußköpfchen, definiert. Unterschiedliche Krankheitsbilder können damit zum klinischen Bild der Metatarsalgie führen [4]. Historisch wurde in strukturelle versus biomechanische Ursachen der Metatarsalgie unterschieden. So werden ein Morton-Neurom, eine avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose eines Metatarsalköpfchens, eine Ermüdungsfraktur oder eine rheumatische Erkrankung eines Kleinzehengrundgelenks in die Gruppe der strukturelle Metatarsalgie eingeordnet. Demgegenüber wurden Veränderungen, bei denen eine Störung der Biomechanik zugrunde liegt, die dann sekundäre zu strukturellen Veränderungen führt, als biomechanische Metatarsalgie bezeichnet. Die sich daraus entwickelnden strukturellen Veränderungen betreffen im Wesentlichen die „plantare Platte“ des Kleinzehengrundgelenks, deren Schädigung im Weiteren dann zur Instabilität und Luxation des Kleinzehengrundgelenks führen kann.

Eine derartige Gruppierung von Krankheitsbildern, die zu Schmerzen im Bereich des zentralen Vorfuß führen können, ist im klinischen Alltag von untergeordneter Bedeutung und soll an dieser Stelle deshalb nicht weiterverfolgt werden. Stattdessen sollen die wichtigsten Krankheitsbilder, die zur Metatarsalgie führen können dargestellt werden (Tab. 1). Eine Kenntnis des Biomechanik des Fußes, insbesondere des Vorfußes ist allerdings unverzichtbar und soll deshalb vorab diskutiert werden. Dies gilt insbesondere bei Behandlung von Schädigungen der „plantaren Platte“.

Häufigste Ursachen der
Metatarsalgie

Die in der täglichen Praxis ohne Frage häufigste Konstellation, die zum klinischen Bild der Metatarsalgie führt, ist die Überlastung der plantaren Gelenkkapsel des Kleinzehengrundgelenks. Hier sind vor allem das MTP-2– und MTP-3-Gelenk betroffen. Risikofaktoren für die repetitive Schädigung der plantaren Gelenkkapsel sind eine Hallux valgus-Deformität mit verminderter Belastung des ersten Vorfußstrahls, sowie einer vermehrten Belastung des Fußes auf harten Böden in Schuhen mit geringer Dämpfung der Fußsohle und höherem Absatz. Klinisch zeigt sich eine Fehlstellung der Kleinzehen in Form einer Hammerzehe oder in Form einer Deviation der Zehe nach medial oder lateral. Bei progressiver Schädigung der plantaren Platte kann es zur Instabilität des Kleinzehengrundgelenks, zur Subluxation und letztendlich zur Luxation der Kleinzehe kommen. Die operative Behandlung muss dann stadienorientiert sein und ist höchst individuell. Beim Vorliegen einer Luxation ist in der Regel eine Weil-Osteotomie zur „knöchernen Dekompression“ erforderlich. Die Weil-Osteotomie muss dann meist mit stabilisierenden Maßnahmen wie z.B. einem Beugesehnentransfer oder einer Naht der plantaren Platte kombiniert werden. Zur Rezidivprophylaxe muss in der Regel die Funktionalität des ersten Vorfußstrahls durch eine gleichzeitige Hallux valgus-Korrektur sichergestellt werden. Außerdem muss das metatarsale Alignment intraoperative überprüft und ggf. mit korrigiert werden. So wird z.B. eine Überlänge eines lateral benachbarten Strahls nach Verkürzung des medialen Strahls durch eine Weil-Osteotomie selten dauerhaft vertragen und muss deshalb korrigiert werden. Als Alternative zur Anpassung des metatarsalen Alignments durch eine Weil-Osteotomie hat sich in fußchirurgischen Zentren mittlerweile eine minimalinvasive Osteotomie des Os metatarsale etabliert, die als DMMO (Distal Metatarsal Minimallyinvasive Osteotomie) bezeichnet wird. Diese Osteotomie wird mit einer 2 mm starken rotierenden Fräse in 45°-Inklination zur Schaftlängsachse über eine Stichinzision durchgeführt und ohne Osteosynthese sofort postoperativ belastet werden.

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