Übersichtsarbeiten - OUP 04/2025
Metatarsalgie
Jörn Dohle
Zusammenfassung:
Die Metatarsalgie ist über den Schmerz als Leitsymptom im Bereich des zentralen Vorfußes definiert. Damit ist die Metatarsalgie ein „Sammelbecken“ für verschiedene Krankheitsbilder, die in dieser Region ähnliche Beschwerden verursachen können.
Als häufigste Ursachen können eine Schädigung der plantaren Platte des Kleinzehengrundgelenks mit konsekutiver Instabilität des Gelenks, ein Morton-Neurom, eine degenerative Schädigung des Kleinzehengrundgelenks als Spätstadium einer avaskulären Knorpel-Knochen-Nekrose, eine Ermüdungsfraktur eines Os metatarsale oder eine Synovitis als Manifestation einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis genannt werden. Da eine adäquate Therapie nur bei Identifikation der Grunderkrankung möglich ist, steht eine sorgfältige klinische Untersuchung mit ergänzender Röntgendiagnostik des Fußes in 2 Ebenen im Stand am Beginn der Behandlung. Die konservative Therapie besteht meist aus einer konsequenten Entlastung des schmerzhaften Vorfußes durch eine Einlagenversorgung in Kombination mit einer unspezifischen analgetischen Medikation. Führt dies nicht zu einem funktionell befriedigenden Zustand, sind operative Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Diese müssen spezifisch auf die zugrunde liegende Pathologie ausgerichtet sein.
Schlüsselwörter:
Metatarsalgie, Biomechanik, Hammerzehe, Morton-Neurom, Ermüdungsfraktur, M. Freiberg-Köhler
Zitierweise:
Dohle J: Metatarsalgie
OUP 2025; 11: 164?172
DOI 10.53180/oup.2025.0164–0172
Summary: Metatarsalgia is defined by pain as the main symptom in the area of the central forefoot. This means that various conditions with different etiology can cause metatarsalgia The most common causes include damage to the plantar plate of the metatarsophalangeal joint leading to instability. Other possible causes for metatarsalgia are a Morton’s neuroma, degenerative changes to the metatarsophalangeal joint as a late stage of avascular necrosis (Freibergs disease), a stress fracture of a metatarsal bone, or a synovitis as a manifestation of a rheumatic disease. Since an adequate therapy is only possible upon identification of the underlying disease, a careful clinical examination along with additional X-ray diagnostics of the foot in two planes while standing is the starting point of the treatment. The conservative therapy mainly consists of a consistent unloading of the painful forefoot through the use of insoles in combination with a nonspecific analgetic medication. If this does not lead to a functionally satisfactory condition, surgical measures should be considered, which must be specifically aimed at the underlying pathology.
Keywords: Metatarsalgia, biomechanics, hammer toe, Morton Neuroma, fatigue fracture, Freibergs disesase
Citation: Dohle J: Metatarsalgia
OUP 2025; 11: 164?172. DOI 10.53180/oup.2025.0164–0172
Dohle J: OGAM Orthopädie Wuppertal
Einleitung
Die Metatarsalgie ist durch die Kombination aus Schmerzen (Algos) in einer bestimmten Region unter den Metatarsalia, insbesondere unter dem 2–4 Mittelfußköpfchen, definiert. Unterschiedliche Krankheitsbilder können damit zum klinischen Bild der Metatarsalgie führen [4]. Historisch wurde in strukturelle versus biomechanische Ursachen der Metatarsalgie unterschieden. So werden ein Morton-Neurom, eine avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose eines Metatarsalköpfchens, eine Ermüdungsfraktur oder eine rheumatische Erkrankung eines Kleinzehengrundgelenks in die Gruppe der strukturelle Metatarsalgie eingeordnet. Demgegenüber wurden Veränderungen, bei denen eine Störung der Biomechanik zugrunde liegt, die dann sekundäre zu strukturellen Veränderungen führt, als biomechanische Metatarsalgie bezeichnet. Die sich daraus entwickelnden strukturellen Veränderungen betreffen im Wesentlichen die „plantare Platte“ des Kleinzehengrundgelenks, deren Schädigung im Weiteren dann zur Instabilität und Luxation des Kleinzehengrundgelenks führen kann.
Eine derartige Gruppierung von Krankheitsbildern, die zu Schmerzen im Bereich des zentralen Vorfuß führen können, ist im klinischen Alltag von untergeordneter Bedeutung und soll an dieser Stelle deshalb nicht weiterverfolgt werden. Stattdessen sollen die wichtigsten Krankheitsbilder, die zur Metatarsalgie führen können dargestellt werden (Tab. 1). Eine Kenntnis des Biomechanik des Fußes, insbesondere des Vorfußes ist allerdings unverzichtbar und soll deshalb vorab diskutiert werden. Dies gilt insbesondere bei Behandlung von Schädigungen der „plantaren Platte“.
Häufigste Ursachen der
Metatarsalgie
Die in der täglichen Praxis ohne Frage häufigste Konstellation, die zum klinischen Bild der Metatarsalgie führt, ist die Überlastung der plantaren Gelenkkapsel des Kleinzehengrundgelenks. Hier sind vor allem das MTP-2– und MTP-3-Gelenk betroffen. Risikofaktoren für die repetitive Schädigung der plantaren Gelenkkapsel sind eine Hallux valgus-Deformität mit verminderter Belastung des ersten Vorfußstrahls, sowie einer vermehrten Belastung des Fußes auf harten Böden in Schuhen mit geringer Dämpfung der Fußsohle und höherem Absatz. Klinisch zeigt sich eine Fehlstellung der Kleinzehen in Form einer Hammerzehe oder in Form einer Deviation der Zehe nach medial oder lateral. Bei progressiver Schädigung der plantaren Platte kann es zur Instabilität des Kleinzehengrundgelenks, zur Subluxation und letztendlich zur Luxation der Kleinzehe kommen. Die operative Behandlung muss dann stadienorientiert sein und ist höchst individuell. Beim Vorliegen einer Luxation ist in der Regel eine Weil-Osteotomie zur „knöchernen Dekompression“ erforderlich. Die Weil-Osteotomie muss dann meist mit stabilisierenden Maßnahmen wie z.B. einem Beugesehnentransfer oder einer Naht der plantaren Platte kombiniert werden. Zur Rezidivprophylaxe muss in der Regel die Funktionalität des ersten Vorfußstrahls durch eine gleichzeitige Hallux valgus-Korrektur sichergestellt werden. Außerdem muss das metatarsale Alignment intraoperative überprüft und ggf. mit korrigiert werden. So wird z.B. eine Überlänge eines lateral benachbarten Strahls nach Verkürzung des medialen Strahls durch eine Weil-Osteotomie selten dauerhaft vertragen und muss deshalb korrigiert werden. Als Alternative zur Anpassung des metatarsalen Alignments durch eine Weil-Osteotomie hat sich in fußchirurgischen Zentren mittlerweile eine minimalinvasive Osteotomie des Os metatarsale etabliert, die als DMMO (Distal Metatarsal Minimallyinvasive Osteotomie) bezeichnet wird. Diese Osteotomie wird mit einer 2 mm starken rotierenden Fräse in 45°-Inklination zur Schaftlängsachse über eine Stichinzision durchgeführt und ohne Osteosynthese sofort postoperativ belastet werden.
Als Morton-Neurom wird eine schmerzhafte Verdickung eines plantaren Interdigitalnervens bezeichnet. Es handelt sich nicht um Neoplasma im engeren Sinn, da die Verdickung des Nervens als Folge einer reaktiv vermehrten Fibrose des Endoneuriums durch repetitive Kompression des Nervens unter dem Ligamentum transversum profundum entsteht. Die konservative Behandlung besteht aus einer Einlagenversorgung, in die eine entsprechende Entlastung des Nervens eingearbeitet werden sollte, in Kombination mit einer lokalen Kortikoidinfiltration. In der Mehrzahl der Fälle muss im Laufe der Erkrankung eine operative Behandlung durchgeführt werden, wobei eine Dekompression des Nervens oder eine Resektion des Nervens als Optionen diskutiert werden. Vor einer Operation empfiehlt sich eine Testinfiltration mit einem Lokalanaesthetikum mit anschließender Belastungssimulation zur Sicherung der Diagnose. Eine MRT-Untersuchung ist nicht zwingend erforderlich, zumal die Sensitivität der MRT-Diagnostik bei ca. 80–90 % liegt, in 10–20 % der Fälle das MRT somit trotz vorliegendem Morton-Neurom unauffällig ist.
Eine Ermüdungsfraktur eines Os metatarsale kann meist schon anhand der klinischen Untersuchung anhand der typischen Lokalisation des Druckschmerzes im Bereich der distalen Metaphyse, also proximal des Gelenks, diagnostiziert werden. Die anschließende Röntgenaufnahme dient bei Erstdiagnose zum Ausschluss anderer Pathologien. Die Diagnose wird meist im Verlauf durch weitere Röntgenaufnahmen gesichert, auf denen sich dann eine Kallusmanschette als Zeichen der Heilung erkennen lässt. Die Behandlung ist in der Regel konservativ mit schmerzadaptierter Belastung des Fußes in einem Schuh mit Einlage.
Die avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose eine Os metatarsale stellt eine weitere eher seltene Ursache für eine Metatarsalgie dar. Während die initiale Nekrose oft subklinisch verläuft, kommt es nach Jahren durch die sekundäre Arthrose des Kleinzehengrundgelenks zu Beschwerden. Die Verdickung des Gelenks kann meist klinisch gut getastet werden. Die Diagnose wird durch Röntgenbilder und ergänzende Schnittbilddiagnostik gesichert. Die operative Behandlung besteht aus einer Remodellierung des Gelenks, insbesondere des betroffenen Metatarsalköpfchen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Schädigung.
Differentialdiagnostik muss im Falle eine isolierten Synovitis eines Kleinzehengrundgelenks immer auch an eine Erstmanifestation einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis gedacht werden. In den Frühphasen ist die Behandlung symptomatisch analgetisch.
Anatomie und Biomechanik
Durch den Funktionswandel des Fußes im Laufe der Evolution vom Greiforgan zum Stand und Fortbewegungsorgan ist es zu einem Defizit der aktiven Stabilisatoren des Kleinzehengrundgelenks nach plantar gekommen. Während die langen und kurzen Beuger bei der Hand noch eine Flektion im Grundgelenk bewirken, und das Grundgelenk damit auch gegen „dorsalextendierende“ Kräfte stabilisieren, ist das beim Fuß nicht mehr der Fall. Durch den Auftritt des Fußes mit Widerlager der Zehenkuppe auf dem Untergrund führt eine Aktivierung der langen und kurzen Beuger zu einer Dorsalextension im Kleinzehengrundgelenk (Abb. 2) [13].
Die plantare Stabilisierung des Kleinzehengrundgelenks erfolgt in geringem Ausmaß über die intrinsische Muskulatur, die als aktive Beuger auf das Kleinzehengrundgelenk wirken, vor allem aber über die plantare Gelenkkapsel und die Kollateralbänder. Anatomisch ist die plantare Gelenkkapsel im Sinne einer fibrocartilaginären Struktur verstärkt und wird deshalb im klinischen Jargon auch als „plantare Platte“ bezeichnet. Die plantare Gelenkkapsel (plantare Platte) inseriert distal an der Basis des Grundglieds und ist proximal über bindegewebige Septen mit der Plantarfaszie bzw. Plantaraponeurose verbunden. Die Verbindungen führen bei der Belastung des Fußes im Stand oder in der frühen Belastungsphase des Gangs über den Zug der Septen zu einer „passiven“ Plantarflektion im Kleinzehengrungelenk, so dass dadurch der Bodenkontakt der Zehenkuppen bewerkstelligt wird. Dies wird auch als „inverser Windlass-Mechanismus“ bezeichnet. [11]. Eine Schädigung der plantaren Platte, z.B. in Form einer Elongation oder Ruptur, demaskiert sich deshalb häufig in Form einer Extension im Kleinzehengrundgelenk, also dem klinischen Bild einer Hammerzehe (Abb. 3).
Klinische Diagnostik
Hinsichtlich der Diagnostik hat sich die Etablierung eines standardisierten, strukturieren Untersuchungsgangs bewährt. Die Untersuchung erfolgt an der/am halb entkleideten Patientin/Patienten und beginnt mit einer orientierenden Betrachtung des Gangbildes. Anschließend wird die Patientin/der Patient gebeten, Funktionstests wie eine Zehenspitzengang, einen Fersengang und einen einbeinigen Zehenspitzenstand (Single-Heel-Rise-Test) durchzuführen. Oberes und unteres Sprunggelenk sowie das Torsionsprofil des Fußes werden untersucht.
Die Untersuchung des Vorfuß beinhaltet eine Bewegungsprüfung und Stabilitätsprüfung der Zehengrundgelenke. Fehlstellungen der Kleinzehen werden nach Form und Redressierbarkeit unterschieden. Leider besteht keine einheitliche, verbindliche Klassifikation von Zehenfehlstellungen [20]. Die umfassende Klassifikation nach Ferdini hat sich im klinischen Alltag nicht durchgesetzt [16]. Grundsätzlich wird eine Unterscheidung in flexible und kontrakte Fehlstellungen vorgenommen. Bei flexiblen Fehlstellungen ist eine manuelle Redression der Zehen in die Neutralstellung möglich, bei kontrakten Fehlstellungen ist dies nicht möglich (Abb. 4). Die Untersuchung endet mit einer orientierenden Beurteilung der Durchblutung und der Neurologie. Bei fraglich eingeschränkter Tastbarkeit der Fußpulse empfiehlt sich eine großzügige Entscheidung zur Verschlussdruckmessung.
Bildgebung
Die radiologische Basisdiagnostik besteht aus Röntgenaufnahmen des Fußes in 2 Ebenen im Stand. Ggf. ist eine ergänzende Schnittbilddiagnostik in Form einer MRT-Untersuchung selten in Form einer CT-Untersuchung erforderlich. Durch hochauflösende MRT-Untersuchungen ist mittlerweile eine Darstellung der plantaren Platte sowie eine zuverlässige Diagnostik von Rupturen der plantaren Platte möglich.
Therapie der biomechanischen Metatarsalgie
(Instabilität Kleinzehengrundgelenk)
Eine Schädigung der plantaren Platte ist in der Regel Folge einer repetitiven Überbelastung. Die Plantare Platte wird vor allem in der Abrollbewegung des Fußes belastet. Verschiedene Faktoren können zur Steigerung der Belastung beitragen:
Belastung des Fußes auf einem harten Untergrund
Fehlende Dämpfung durch die Schuhsohle
Überlänge des 2. Os metatarsale, dadurch exponierte Belastung des 2. Kleinzehengrundgelenks
Belastung des Fußes in einem Schuh mit erhöhtem Absatz
Plantarisierung des Kleinzehengrundgelenks durch Extensionskontraktur (fixierter Windlass-Mechanismus)
Insuffizienz des ersten Vorfußstrahls durch Elevation oder Verkürzung von MFK1
Die genannten Faktoren treten häufig in Kombination miteinander auf. Eine typische Konstellation ist z.B. eine Schädigung der plantaren Platte des 2. Kleinzehengrundgelenks bei Überlänge des 2. Vorfußstrahls, Insuffizienz des ersten Vorfußstrahls durch Hallux valgus und Metatarsus primus varus und Belastung des Fußes im Schuh mit Absatz, geringer Dämpfung (Pumps) auf harten Böden (Abb. 5).
Die Schädigung der plantaren Platte kann dabei verschiedene Stadien durchlaufen. Zunächst kommt es zur Elongation, dann zu einer Teilruptur und schließlich zur vollständigen Ruptur mit Luxation des Kleinzehengrundgelenks (Abb. 6) [15]. Die Behandlung richtet sich nach dem Ausprägungsgrad der Schädigung.
In frühen Stadien mit geringer Schädigung der plantaren Platte reicht meist eine Reduktion der „Belastungsfaktoren“. Dies ist zunächst konservativ mit einer schuhtechnischen Versorgung oder einer Einlagenversorgung anzustreben. Führt die konservative Behandlung nicht zu einem schmerzfrei belastbaren Fuß und kommt es gar zu einer Progredienz der Schädigung der plantaren Platte, sind operative Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. Klinisch ist die voranschreitende Schädigung der plantaren Platte an folgenden Parametern abzuleiten:
Zunehmende Schmerzen unter dem Metatarsalköpfchen bei Belastung,
Zunehmende Hammerzehenfehlstellung als Zeichen des insuffizienten inversen Windlass-Mechanismus
Zunehmende Instabilität des Kleinzehengrundgelenks in der klinischen Untersuchung (Abb. 7)
Eine Stabilisierung des Kleinzehengrundgelenks bei höhergradiger Instabilität ist entweder durch eine Naht der plantaren Platte oder durch einen Beugesehnentransfer möglich [6, 8]. Auch eine PIP-Arthrodese hat stabilisierenden Effekt auf das Kleinzehengrundgelenk, ist aber hinsichtlich des Effekts dem Beugesehnentransfer unterlegen. Durch die Rückverlagerung der Flexor-digitorum-longus-Sehne auf das Grundglied wird die lange Beugesehne zu einem aktiven Stabilisator des Grundgelenks. Der Beugesehnentrans wird dann in aller Regel mit einer Korrektur des metatarsalen Alignments durch eine Weil-Osteotomie kombiniert (Abb. 8).
Als Alternative haben sich in den letzten Jahren minimalinvasive Operationstechniken etabliert. Das minimalinvasive Pendent zur Weil-Osteotomie ist die DMMO (Distal Minimalinvasive Metatarsal Osteotomy), bei der eine diagonale Osteotomie des Os metatarsale mit einer 2 mm starken rotierenden Fräse über eine Stichinzision durchgeführt wird [5].
Während die Weil-Osteotomie häufig nur an dem Vorfußstrahl mit der ausgeprägten Pathologie vorgenommen wird, werden DMMOs typischerweise an mehreren Metatarsalia durchgeführt. Meistens an MFK2–MFK4 (Abb. 9).
Eine minimalinvasive Korrektur einer ggf. bzw. häufig gleichzeitig vorhandenen Hammerzehendeformität kann ebenfalls minimalinvasiv durchgeführt werden, folgt dann aber gänzlich anderen Behandlungsprinzipien als der offene Beugesehnentransfer.
Eine Sehnentransposition ist in minimalinvasiver Technik leider nicht möglich, was als wesentlicher Nachteil des Verfahrens bezeichnet werden kann. Somit muss die Hammerzehe durch eine bedarfsadaptierte Kombination aus perkutanen Tenotomien, Kapsulotomien und Osteotomien korrigiert werden [17].
Eine typische Kombination ist z.B. eine perkutane Tenotomie der Strecksehnen auf Höhe der Streckerhaube, in Kombination mit einer Osteotomie des proximalen Grundglieds. Die Osteotomie des Grundglieds folgt einem ähnlichen Prinzip wie die Akin-Osteotomie, allerdings in der um 90° gedrehten Ebene: „Die Fehlstellung des Grundgelenks wird belassen, die Zehe wird durch die Osteotomie des Grundglieds ausgegradet“ (Abb. 10) [3].
Bei vollständiger Ruptur der plantaren Platte kann es zur Luxation des Kleinzehengrundgelenks kommen. Die Luxation führt häufig zu einer äußerst schmerzhaften Metatarsalgie, die durch eine schuhtechnische Versorgung nur sehr selten adäquat kontrolliert werden kann. Die Zehen verlieren dann in der Regel den Bodenkontakt. Das nach dorsal luxierte Grundglied kann meist bei der klinischen Untersuchung mit der daraus resultierenden Stufe getastet werden.
Die operative Behandlung unter Erhalt des Kleinzehngrundgelenks besteht aus einer Reposition, einer Weil-Osteotomie und ggf. einer Naht der plantaren Platte oder einem Beugesehnentransfer. Dabei handelt es sich um sehr aufwändige operative Rekonstruktionen mit einer anspruchsvollen Nachbehandlung. Insbesondere bei geriatrischen Patientinnen und Patienten habe sich hier minimalinvasive Verfahren als alternative etabliert. Typischerweise wird eine DMMO mit einer Tenotomie der Streck- und Beugesehnen, einer dorsalen Kapsulotomie des Grundgelenks und einer Umstellungsosteotomie der Grundglieder kombiniert. Die Wirksamkeit einer minimalinvasiven Operation bei Malum perforans aufgrund einer Luxation einer Kleinzehe ist in der Literatur gut belegt [2].
Nach minimalinvasiver Operation einer Kleinzehe verbleibt oft ein moderates Funktionsdefizit. Die Zehe verbleibt taktiles Organ. Ein Bodenkontakt der Zehenkuppe wird meistens erreicht, die Kraftentfaltung bei Plantarflektion ist aber gemindert. Weiterhin ist eine aktive Beugung im PIP- oder DIP-Gelenk meist nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich meist, sämtliche Kleinzehen mitzuadressieren, damit ein einheitliches Funktionsbild der Kleinzehen entsteht. Da der Bodenkontakt der Kleinzehenkuppen in den meisten Fälle nach einer gewissen Rekonvaleszenzzeit wieder erreicht wird, funktionieren die Kleinzehen weiter als taktiles Organ.
Therapie des
Morton-Neuroms
Als Morton-Neurom wird eine Verdickung des plantaren Nervens unter dem Ligamentum transversum profundum bezeichnet. Damit ist es plantar zwischen 2 benachbarten Mittelfußköpfchen lokalisiert. Die häufigsten Lokalisationen sind
- das distale Spatium interosseum tertium, gefolgt vom
- distalen Spatium interosseum secundum.
Das Morton-Neurom hat keine autonome Wachstumstendenz und unterscheidet sich diesbezüglich vom Neurinom. Mikroskopisch ist eine vermehrte Fibrose des Endoneurons erkennbar, die als Folge einer repetitiven Mikrotraumatisierung entsteht. Der Nerv wird von plantar gegen das kräftige Ligamentum transversum profundum gedrückt (Abb. 11) [1, 14]. Typische Symptome sind Schmerzen, häufig mit Ausstrahlung in die benachbarten Zehen. Sensibilitätsstörungen im Bereich der Kleinezehen können entstehen, sind jedoch eher selten.
Die Behandlung des Morton-Neuroms ist zunächst konservativ. Eine Entlastung des Nervens, kann durch eine Einlage erreicht werden. Zusätzlich kann eine perineurale Infiltration mit einem Depotkortikoid zur Abschwellung und damit ebenfalls zur Entlastung führen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist eine operative Behandlung erforderlich. Dabei stehen 3 verschiedene Behandlungsstrategien zur Wahl:
Eine offene Resektion des plantaren Nervens über einen streckseitigen oder plantaren Zugang
Eine Entlastung des Nervens durch eine Durchtrennung des Ligamentum transversum profundum
Eine perkutane Durchtrennung des Ligamentum transversum profundum mit ergänzender DMMO der benachbarten Metatarsalia (Abb.12)
Ob vor einer operativen Behandlung eine MRT-Untersuchung sinnvoll und erforderlich ist, wird kontrovers diskutiert. Die Sensitivität der MRT-Untersuchung liegt bei ca. 80–90 %, so dass ein unauffälliges MRT nicht mit Sicherheit gegen ein Morton-Neurom als Ursache der Beschwerden spricht [18].
Therapie der avaskulären Knorpel-Knochen-Nekrose (Morbus Freiberg-Köhler)
Die avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose des Metatarsalköpfchens wird auch als Morbus Freiberg-Köhler bezeichnet. Ein Staging der Erkrankung wurde 1957 von Smilie publiziert. [19]. Dabei wurden ein Prodromalstadium und 4 Ausprägungsgrade beschrieben (Abb. 13).
Die Nekrose entwickelt sich typischerweise im streckseitigen Abschnitt der distalen Metaphyse. Es handelt sich in den Frühphase um eine isolierte Erkrankung des Knochens. Der über der Nekrose lokalisierte Gelenkknorpel ist dann noch intakt. Kommt es aufgrund der Nekrose zu einem Kollaps des subchondralen Knochens, so dass der Knorpel sein stabiles Widerlager verliert und an den Rändern der Osteonekrose durch Scherkräfte zermürbt wird, führt das zur Entwicklung eines osteochondralen Fragments. Wie bei allen avaskulären Knorpel-Knochen-Nekrosen kann es sukzessive zu einer partiellen, später dann auch zur totalen Ablösung des osteochondralen Fragments kommen. Besteht der Gelenkschaden über viele Jahre, ist meist eine sekundäre Arthrose des Kleinzehengrundgelenks die Folge.
Nach Gauthier sind in ca. 2/3 der Fälle das 2. Mittelfußköpfchen in ca. 1/3 der Fälle das 3. Mittelfußköpfchen betroffen [9]. In Gauthiers 1978 veröffentlichter Fallserie von 88 Patientinnen und Patienten waren zu 92 % Frauen betroffen [9]. Gauthier gilt auch als Inaugurator der extendierenden subkapitalen Osteotomie des distalen Os metatarsale zur Behandlung größerer streckseitige Defekte als Spätfolge der Nekrose [9]. Durch die Resektion eines keilförmigen Knochenfragments mit Exzision des Defekts wird plantar noch intakter Knorpel nach apikal transponiert. Die plantar intakten Knorpelareale sind funktionell unbedeutend, da eine Plantarflektion der Zehe unter die Neutralstellung bei Benutzung des Fußes als Fortbewegungsorgan nicht erforderlich ist. Als Nebeneffekt kommt es bei der Keilosteotomie notwendigerweise zu einer moderaten Verkürzung des Os metatarsale. Die kann in Einzelfällen zu einer Transfermetatarsalgie mit übermäßiger Belastung der benachbarten Metatarsalia führen (Abb. 14).
Frühstadien eines Morbus Freiberg-Köhler können heutzutage per MRT diagnostiziert werden. In diesen Fällen ist eine Anbohrung im Sinne einer „Core-Decompression“ ein mögliche Behandlungsoption [21].
Therapie der
Ermüdungsfraktur
Ermüdungsfrakturen der zentralen Metatarsalia entwickeln sich meist im distalen metaphysären Bereich. Mit einiger Übung kann die Diagnose schon bei der klinischen Untersuchung gestellt werden, da sich das Punktum maximum des Druckschmerzes im streckseitigen metaphysären Bereich als etwas proximal des Mittelfußköpfchens, befindet. Röntgenaufnahmen sind initial in der Regel unauffällig. Erst nach einigen Wochen kann im Kontrollröntgenbild eine Kallusbildung gesehen werden. Prinzipiell könnte die Ermüdungsfraktur in der Frühphase per MRT verifiziert werden. Aus sozioökonomischen Gründen wird in der Regel auf eine MRT-Untersuchung verzichtet, wenn sich aus klinischer Symptomatik und typischem Untersuchungsbefund mit hinreichender Sicherheit auf eine Ermüdungsfraktur schließen lässt.
Die Behandlung der Ermüdungsfraktur ist in aller Regel konservativ mit insgesamt guter Prognose. Eine Entlastung des Vorfußes, insbesondere des schmerzhaften Strahls durch eine Einlage und eine Schuhzurichtung ist empfehlenswert. Der Patientin/dem Patienten kann eine schmerzadaptierte Belastung des Fußes erlaubt werden. Die Diagnose wird anhand des Kontrollröntgenbilds 4–6 Wochen nach Beginn der Symptome verifiziert.
Während distal metaphysäre Ermüdungsfrakturen generell eine gute Prognose unter konservativer Behandlung haben, besteht bei proximalen Ermüdungsfrakturen des Os metatarsale ein erhöhtes Pseudarthroserisiko. Die Behandlung besteht dann aus einer konsequenten Entlastung in einer Orthese unter Einsatz von Gehstützen (Abb. 15) [7, 10].
Erstmanifestation einer rheumatischen
Grunderkrankung
Eine umfassende Beschreibung der Behandlungsstrategien bei Vorliegen einer rheumatischen Grunderkrankung, kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass eine Erstmanifestation einer rheumatischen Grunderkrankung am Fuß nicht selten ist. Berücksichtigt man nun die verschiedenen Verlaufsformen, kann sich z.B. eine monozyklische Polyarthritis in Form einer Synovitis eines Kleinzehengrundgelenks zeigen. Oft kann erst retrospektiv aus dem Verlauf die Synovitis als Erstmanifestation einer Systemerkrankung eingeordnet werden [12].
Liegt eine Synovitis vor, ist ein einmaliger Versuch einer intraartikulären Kortikoidinjektion gerechtfertigt. Dies gilt allerdings nicht für Reizzustände des Kleinzehengrundgelenks als Folge einer Instabilität oder mechanischen Überlastung. Die Differenzierung ist im Einzelfall schwierig und nicht immer mit Sicherheit möglich. Zur Orientierung hilft die Analyse von Risikofaktoren für eine Überlastung des Gelenks und die Lokalisation des betroffenen Gelenks. Tendenziell ist bei Befall des MTP-2-Gelenks eine mechanische Ursache eher wahrscheinlich, während dies bei den lateralen Kleinzehengrundgelenken nicht der Fall ist. Aus diesem Grunde sollte von wiederholten intraartikulären Injektionen Abstand genommen werden.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. Jörn Dohle
OGAM Orthopädie
Alter Markt 9–13
42275 Wuppertal
joern.dohle@ogam.de
