Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Minimal-invasive Endoprothetik der Hüfte
Wie kommen wir mit dem DAA Zugang zu guten Ergebnissen?

Andreas Hachenberg, Clayton N. Kraft

Zusammenfassung:
Der direkte vordere Zugang (direct anterior approach/DAA) zum Einbringen einer primären Hüftendoprothese erlaubt eine muskelschonende Darstellung des Hüftgelenkes mit geringem Blutverlust, präziser Implantatpositionierung, guter Verankerung und schneller postoperativer Mobilisation in Vollbelastung. Nachteile sind die aufwändige Lagerung, die Lernkurve bei der Präparation und Implantatpositionierung und auch, dass man bei nennenswerten Schaftkomplikationen eingeschränkt handlungsfähig sein kann und der Zugang ausgeweitet werden muss. Auch ist der DAA bei der Schaft-Revisionsendoprothetik sicher nicht der Zugang der Wahl.
Bei Beachtung einer standardisierten und sorgfältigen Präparation sind dem Zugang nachgesagte Komplikationen wie Muskel- und Nervenschäden, gut zu vermeiden. Postoperative Muskelinsuffizienzen treten kaum auf und Luxationen sind eine Rarität. Die kleine, kosmetisch gut gelegene Narbe, aber insbesondere die schnelle Mobilisation, führen zu einer hohen Zufriedenheit des Patienten.

Schlüsselwörter:
Chirurgie, DAA, Endoprothetik, Hüfte, minimal invasiv, Tipps, Ablauf

Zitierweise:
Hachenberg A, Kraft CN: Minimal-invasive Endoprothetik der Hüfte. Wie kommen wir mit dem DAA Zugang zu guten Ergebnissen?
OUP 2021; 10: 57–63
DOI 10.3238/oup.2021.0057–0063

Summary: The direct anterior appproach (DAA) is an excellent muscle sparing approach for hip joint replacement, associated with little blood loss, precise positioning and firm anchoring of implants, as well as swift recovery under full weight bearing. Disadvantages lie in the necessity for lengthy and precise patient positioning, a marked learning curve for the procedure itself and the fact that in some stem associated intraoperative complications solutions can be tedious. In our experience, the DAA is not the approach of choice for stem revision surgery.
By following a very standardized and meticulous preparation, reported complications associated with this approach, such as damage to muscle tissue, trochanteric fractures and nerve irritations can usually be avoided. Postoperative muscle paralysis as well as luxations are extremely rare. The small, cosmetically hardly disturbing scar but more importantly, the markedly expedited recovery after surgery, lead to a high level of satisfaction in patients.

Keywords: surgery, DAA, joint replacement, hip, less invasive, pitfalls, procedure

Citation: Hachenberg A, Kraft CN: Less invasive Hip Joint Replacement. Aspects to improve surgical outcome using the direct anterior approach (DAA)
OUP 2021; 10: 57–63. DOI 10.3238/oup.2021.0057–0063

Andreas Hachenberg, Clayton N. Kraft: Ortho-Campus Hüls - Helios Cäcilien Hospital, Krefeld

Einleitung

Der totalendoprothetische Ersatz der Hüfte gehört zu den erfolgreichsten Eingriffen in der Orthopädischen Chirurgie. Die Lebensqualität des Patienten wird durch die Reduktion des Schmerzes, Besserung der Gelenkfunktion und damit Steigerung der individuellen Mobilität ganz wesentlich gebessert. Die Implantationszahlen in industrialisierten Ländern mit +/- 250 pro 100.000 Einwohner [1] tragen Zeugnis für diese hocherfolgreiche Operation.

Dennoch, wie bei jedem operativen Eingriff gibt es intra- und postoperative Begebenheiten, die ein erfolgreiches Ergebnis kompromittieren können. Einer der modifizierbaren Faktoren zur Vermeidung mancher Komplikationen ist die Wahl des operativen Zuganges. Zwar haben sich die ganz „klassischen“ dorsalen und anterolateralen Zugänge über viele Jahre exzellent bewährt, dennoch sind auch sie mit Nachteilen behaftet. Hier zu nennen sind der Blutverlust, die Dissektion wichtiger Muskeln, Nervenschäden und Luxationsraten. Deshalb, aber auch mit zunehmender Implantate- und Instrumentenentwicklung im letzten Jahrzehnt, haben die minimalinvasiven Zugänge und hier insbesondere der DAA (direct anterior approach), an Popularität gewonnen [15]. Der DAA, der die natürlichen Muskel-und Nervenlücken zur Adressierung des Hüftgelenkes nutzt, hat theoretisch den Vorteil der rascheren Rekonvaleszenz und des geringeren postoperativen Schmerzes [8, 13]. Zudem spricht man dem Zugang, insbesondere im Vergleich zur dorsalen Versorgung, eine geringere Luxationsrate, geringere Revisionsrate für Instabilität und geringere Rate an periprothetischen Frakturen zu [4].

Kontroversen existieren nach wie vor darüber, welcher Zugang das bessere kurz- und langfristige Ergebnis liefert. Hier kann man sich in der Literatur reichlichen - mal kleineren, mal größeren - Studien bedienen und wird für jeden Zugang den gewünschten Argumentationsfaden finden [3, 5, 7, 10, 11, 18]. Auch wird man sich zweifelsohne trefflich darüber streiten können, welcher Zugang aus Patientensicht (PROM`s) der Bessere ist [9, 12, 17]. Die Perzeption hängt, wie eine Umfrage der American Association of Hip and Knee Surgeons erst kürzlich zeigen konnte [14] auch maßgeblich damit zusammen, wie vertraut Chirurgen mit dem minimalinvasiven DAA Zugang sind. Mehr als 70 % der Chirurgen, die den DAA nutzten, beschrieben geringe Komplikationsraten, kurze Verweildauer im Krankenhaus und eine Reduktion des postoperativen Schmerzes. Über 75 % der Chirurgen, die diesen nicht nutzten, beschrieben schlechtere Ergebnisse mit DAA und keine Vorteile des minimal invasiven Zugangs. Diese wahrscheinlich zurzeit unlösbare Dichotomie soll auch hier nicht besprochen werden. Tatsache bleibt jedoch, dass allein die steigende Popularität des DAA in den letzten 10 Jahren, nicht nur in den USA [4], sondern auch bei uns die Schlussfolgerung rechtfertigt, dass es sich beim DAA um mehr als eine vorübergehende Modeerscheinung handelt.

Seit 2010 versorgen wir ausnahmslos jede primäre Hüft-Totalendoprothese über den DAA Zugang. Dieser Artikel soll einen Überblick darüber geben, wie man unserer Meinung nach mit der DAA Methode zu guten Ergebnissen kommen kann und welche Pitfalls, gerade in der Anfangsphase, zu vermeiden sind.

Patientenwahl und präklinisches Assessment

Hinsichtlich einer möglichen Auswahl der für die Anwendung des DAA in Frage kommenden Patienten sehen wir, jenseits der für alle Patienten geltenden Ausschlusskriterien, keine besonderen zugangsspezifischen Einschränkungen. Wie bei allen Zugängen zum Hüftgelenk gelten entzündliche Hauterkrankungen im Zugangsgebiet als Kontraindikation. Vigilanz ist bei der Leistenmykose, vor dem Hintergrund der Nähe zum Zugangsgebiet besonders zu betonen, etwas was einem schnell entgehen kann. Insbesondere ist der DAA auch für adipöse Patienten geeignet, wenn bei der Lagerung entsprechende Vorkehrungen, wie eine Zügelung der Bauchschürze nach kranial, beachtet werden.

Um das Risiko eines periprothetischen Infektes möglichst gering zu halten, führen wir präklinisch konsequent eine Screening-Untersuchung auf Serum CRP-Wert und HbA1c-Bestimmung durch und empfehlen eine präoperative Optimierung. Die Erfassung einer möglichen Kolonisation mit MRSA durch eine Abstrichuntersuchung aus Leiste, Nase und Rachen dürfte inzwischen landläufig als Standard gelten.

Bildgebung

Die vorbereitende Bildgebung sieht die klassische, tief eingestellte Beckenübersichtsaufnahme mit Planungskörper sowie die Lauensteinaufnahme vor. Außer bei Unklarheiten ist eine Schichtbilddiagnostik nicht erforderlich. Die präoperative Operationsplanung entweder mittels Schablonen, in den meisten Kliniken inzwischen mittels CAD System, ist unabdingbar.

Implantatewahl

Der DAA schränkt die Wahl der Verankerungstechnik nicht ein. Sowohl vollzementierte und Hybridversorgungen, als auch die verschiedenen komplett zementfreien Philosophien können hierüber problemlos verfolgt werden. Die Wahl der Implantate sollte die speziellen anatomischen Gegebenheiten beim direkten vorderen Zugang berücksichtigen. Während das Pfannenimplantat keinen wesentlichen Einschränkungen unterliegt (bis hin zu der Möglichkeit Pfannendachabstützschalen oder Trabecular metal-Pfannen), vereinfacht ein Schaft der den Trochanter schont und „anatomisch“ vorgeformt ist, die Implantation oftmals erheblich. Beispielhaft können hier der Polarschaft (Fa. Smith&Nephew), Corail-Schaft (Fa. De Puy), Accolade-Schaft (Fa. Stryker) genannt werden, wenngleich inzwischen alle großen Anbieter entsprechende Implantate im Portfolio haben. Gerade auch die sog. Kurzschaftprothesen eignen sich aufgrund ihrer abgerundeten Form sehr gut. Weniger geeignet für den DAA sind dagegen Schäfte vom Zweymüller-Typ, lange Geradschäfte oder modulare Revisionsschäfte. Sollte aufgrund der knöchernen Situation des Femurs ein solcher Schaft bereits primär geplant sein, wählen wir den lateralen Zugang, da dies dann eine bessere Positionierung des Femurs ermöglicht. Eine intraoperative Erweiterung des DAA, um aufgrund unerwarteter Komplikationen einen Modularschaft einbringen zu können, ist dennoch möglich, aber gelegentlich mit einem größeren Muskeltrauma verbunden und daher, bei absehbarer Notwendigkeit gerader Schäfte, nicht erste Wahl.

OP-Vorbereitung

Die OP-Vorbereitung ist nicht wesentlich anders als bei konventionellen Zugängen. Da sich der DAA inzwischen weit verbreitet hat, klären wir wie für jede Hüft-TEP und nicht im Sinne eines „Neulandverfahrens“ auf. Als „besondere“ Eigenheiten des Zugangs ist der Patient auf die gelegentlich auftretende und fast immer rückgängige Parästhesie im Versorgungsgebiet des N. cutaneus femoris lateralis aufzuklären. Beim Einsatz eines Spezialtisches bei dem der Unterschenkel/Fuß in einen Stiefel eingespannt wird, ist man gut beraten, den Patienten über OSG-Frakturen, die zwar (sehr) selten vorkommen, aber doch beschrieben werden, aufzuklären. Nur empfehlen kann man präoperative Waschungen mit antiseptischer Seife. Der Patient erhält dazu eine antiseptische Seife und Nasensalbe zur unmittelbaren präoperativen Verwendung.

Anästhesie

Die Operation kann in Allgemeinanästhesie wie auch in Spinalanästhesie durchgeführt werden. Bei beiden ist die muskelschonende Präparation möglich. Mit der Anwendung regionaler Verfahren haben wir keine Erfahrung. Um das Muskeltrauma zu vermeiden, ist eine exzellente Muskelrelaxation unabdingbar. Insbesondere der Musculus tensor fasziae latae ist durch Hakendruck andernfalls gefährdet. Dies ist über die Spinalanästhesie besonders gut gewährleistet und bedarf im Falle der weit verbreiteten Allgemeinanästhesie einer sehr aufmerksamen Narkoseführung und regelhafter intraoperativer Nachrelaxierung zu relativ festen Zeitpunkten. Eine präoperative interdisziplinäre Absprache diesbezüglich ist dringend zu empfehlen (z.B. im Rahmen des time-out).

Präoperativ verabreichen wir zudem regelhaft, unter Berücksichtigung von Kontraindikationen während der Narkoseeinleitung: Tranexamsäure 1 g i.v. zur Blutungsprophylaxe, Cefazolin 2 g i.v. zur Infektionsprophylaxe sowie Dexamethason 8 mg i.v..

Operatives Vorgehen

Die Lagerung und Operation erfolgt in Rückenlage auf einem Tisch mit absenkbaren Beinteilen. Um den Femurstumpf im Verlauf gut darstellen zu können, ist bereits bei der Lagerung darauf zu achten, dass das Becken des Patienten über der Drehachse der Beinteile gelagert wird unter Berücksichtigung, dass der etwaige einzusetzende Bildwandler nicht behindert wird. Wegen der Nähe des Hautschnittes zur Schamregion decken wir aus hygienischen Gründen diese bereits bei der Lagerung, vor dem sterilen Abwaschen, mittels eines Folienpflasters ab.

Wir verwenden zur sterilen Abdeckung ein speziell entwickeltes seitendifferentes Abdecktuch, welches inzwischen von verschiedenen Firmen, mit kleineren Modifikationen, kommerziell angeboten wird. Gemeinsam ist, dass das kontralaterale Bein in einen dem Tuch fest angefügten Beinsack gelagert wird, um im Verlauf ein Unterführen des zu operierenden Beines unter das kontralaterale Bein zu ermöglichen. (z.B. Fa. Medline, DAA-Tuch) Sollte dies nicht vorhanden sein, wird das gegenseitige Bein ebenfalls steril abgewaschen, in einer Stockinette gelagert und ein bilaterales Tuch verwendet (Abb. 1).

Der Hautschnitt orientiert sich an der Spina iliaca anterior superior und dem Trochantermassiv. Der Mittelpunkt der Verbindungslinie kann als Startpunkt der Inzision mit Zielrichtung Traktus iliotibialis über ca. 6 cm Länge angesehen werden. Besser kann man grob orientierend den Startpunkt auch 2 Querfinger von der Spina nach lateral und kaudal ermitteln. Wichtig ist, dass die Inzision nicht zu weit medial verläuft, um bei der nachfolgenden Präparation in die Tiefe eine Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis zu vermeiden. Nach Auftreffen auf die Faszia lata wird diese in Verlaufsrichtung des Hautschnittes eröffnet, wobei man sich hier lateral des gut sichtbaren Übergangs zum dichteren, weißlicher erscheinenden Faszienanteils orientieren muss, um den Nervus cutaneus femoris lateralis zu schonen. Durch direkte Schädigung bei der Präparation oder auch Druckschäden durch Hakenzug kann es zu einer vorübergehenden oder auch selten bleibenden An- bis Parästhesie im Versorgungsbereich, typischerweise am ventro-lateralen Oberschenkel, kommen. Auch eine Meralgia parästhetica wurde postoperativ beobachtet. Eine sorgsame Präparation hilft dieses zu vermeiden (Abb. 2).

Mit dem Finger wird die Muskellücke zwischen Musculus tensor fasciae latae und Sartorius identifiziert, wobei eine Fettlamelle zwischen den Muskeln als Orientierung dient. In der Tiefe ist zwingend das Gefäßbündel der Arterie und Venae circumflexae darzustellen und vor der Durchtrennung zu elektrokauterisieren oder zu ligieren. Nach Entfernung des präkapsulären Fettkörpers wird die vordere Hüftgelenkkapsel sichtbar. Nach Einsetzen von extrakapsulären Hohmann-Hebeln kann die Kapsel mitsamt dem Ligamentum iliofemorale abgetragen und die Haken intrakapsulär umgesetzt werden. Der Schenkelhals kommt optisch sehr gut zur Darstellung und kann problemlos anhand der präoperativen Planung osteotomiert werden (Abb. 3).

Wir führen eine Doppelosteotomie durch, um nach Entfernen des entstehenden Knochenmedaillons mehr Raum zur Mobilisation des Hüftkopfes zu bekommen, welcher wie üblich mit dem Korkenzieher-Instrument entfernt wird. Die Sicht ins Acetabulum wird durch Verwendung der angewinkelten Hohmannhaken optimiert (Abb. 4).

Wert sollte auf die Verfügbarkeit von entsprechenden Instrumentarien wie z.B. offset-Handgriffe, gewinkelte Fräsen und speziell gewinkelte Hohmänner gelegt werden. Die Pfannenpräparation gelingt besonders gut mit Verwendung von offset-Fräshandgriffen, die eine gute Rekonstruktion des Rotationszentrums gewährleisten. Dennoch ist zur Vermeidung einer zu lateralen Pfannenposition auf einen Ausgleich des nach lateral gerichteten Weichteildrucks mittels Gegendruck am Fräshandgriff zu achten (Abb. 5).

Die Pfannenimplantation erfolgt bei uns unter Verwendung gerader Einschläger, da durch Offset-Einschläger unserer Erfahrung nach der Einschlagimpuls zu sehr abgeschwächt wird, was die pressfit-Verankerung erschwert. Eine gute Muskelrelaxation ist für diesen und die nachfolgenden Präparationsschritte unabdingbar, weshalb spätestens zu diesem Zeitpunkt nochmal eine Vollrelaxierung erfolgt (Abb. 6).

Eine gute Darstellung des Femurstumpfes zur Schaftpräparation gelingt unter Absenken des unteren Tischteils um ca. 30–40°, mit Lagerung des zu operierenden Beines in Adduktion mit 90° Außenrotation und unter das kontralaterale Bein. Wir verwenden dazu keine speziellen Lagerungshilfen, wie z.B. den AMIS-Tisch der Fa. Medacta, sondern alleine die sorgfältige Einstellung mittels eines Assistenten, der das Bein von der Gegenseite führt (Abb. 7).

Die Ablösung von Kapselresten am Femurstumpf und zur Pfanne hin ist obligat. Der Trochanter wird durch einen speziellen geraden Müller-Retraktor angehoben. Dabei ist zur Vermeidung eines Trochanterabrisses auf sorgfältiges Unterführen des Hakens unter das gesamte Trochantermassiv zu achten. Mehrfaches Nachpositionieren unter schrittweisem release, bei bestmöglicher Relaxierung ist unserer Erfahrung nach am besten geeignet, um Trochanterverletzungen und Verletzungen des Muskelbauches des Tensor zu vermeiden. Die Schaftpräparation selber erfolgt mit offset-Handgriffen in üblicher Technik. Auch hier ist der nach lateral führende Druck des Weichteilgewebes durch entsprechenden Gegendruck am Handgriff zu beachten und auszugleichen (Abb. 8).

Nach Schaftimplantation und Reposition erfolgt die Stabilitätsprüfung hinsichtlich Luxationssicherheit, vor allem in Überstreckung und Außenrotation, da dies die am ehesten gefährdete Bewegungsrichtung des DAA darstellt. Aufgrund der weitgehend unverletzten dorsalen Kapsel und Glutealmuskulatur ist eine dorsale Luxation nicht zu befürchten und in unserem Patientengut seit 10 Jahren nicht aufgetreten. Eine ventrale Luxation bei Überstreckung und Außenrotation trat in unserem Patientengut in unter 0,1 % der beobachteten Fälle auf.

Vor Wundverschluss empfiehlt sich eine lokale Infiltrationsanästhesie der Kapsel (LIA) mit Ropivacain 2 mg/ml. In der Regel legen wir in den letzten Jahren keine Wunddrainage mehr ein. Der Wundverschluss erfolgt, nach nochmaliger Kontrolle der Circumflexa-Gefäßstümpfe auf Bluttrockenheit, mittels fortlaufender Fasziennaht. Diese Naht sollte absolut dicht verschließen und wird von uns nochmals in einer zweiten Schicht übernäht, womit subcutane Schwellungen und Hämatome gut verhindert werden können. Sollten sich im Bereich der Quadrizepsmuskulatur Hämatome ausbreiten, wird gelegentlich eine passagere Schwächung der Hüftbeugekraft beobachtet. Bei sorgfältigem Wundverschluss tritt dies zum einen sehr selten auf, zum anderen bildet es sich meist zuverlässig zurück. Eine Adressierung der Muskulatur selbst beim Wundverschluss ist nicht notwendig, da sich die Muskeln nach Entfernung der Haken selber reponieren und in ihrer Kontinuität intakt sind (Abb. 9).

Üblicherweise erfolgen dann die Subcutannnaht und eine intracutane Hautnaht mit versenkten Fädenenden (Abb. 10), so dass auf eine Fädenentfernung komplett verzichtet werden kann. Wir legen regelhaft einen Folienverband an, der für 10–14 Tage verbleibt (Abb. 11–12).

Nachbehandlung

Aufgrund der geringen Schädigung relevanter Muskelgruppen (M. gluteus medius) sollte der Patient noch am OP Tag mobilisiert werden und innerhalb weniger Tage ohne Gehstützen im Zimmer und auf Stationsebene laufen. Die Erstmobilisation ist daher bereits im Aufwachraum mit einem Physiotherapeuten regelhaft eingeplant und gelingt, wenn die Narkoseführung gut war, eigentlich immer. Eine sofortige Vollbelastung ist gestattet, wenngleich die Erfahrung zeigt, dass je nach individueller Ausprägung manche Patienten zur eigenen Sicherheit trotzdem Unterarmgehstützen die ersten Tage und wenigen Wochen nach der OP nutzen wollen. Eine low-dose Thromboseprophylaxe wird auch bei Vollbelastung die ersten 4 Wochen nach der Operation empfohlen (Tab. 1).

Komplikationen und Komplikationsmanagement

Pfannenfehllage

Durch die exzellente Sicht in die Pfanne während der Fräsung ist eine sehr genaue Rekonstruktion des korrekten Pfannensitzes und Rotationszentrums möglich. Eine Pfannenbodenplastik bei erwarteten oder unerwarteten Defekten des Pfannenbodens kann gut unter Sicht platziert und anmodelliert werden. Ebenso können Zysten problemlos adressiert werden. Auch bei Dysplasiesituationen kann, zum einen durch die gute Einsicht in die Pfanne sehr feinfühlig präpariert werden, zum anderen aber auch eine Erweiterung des Schnittes nach kranial angefügt werden, um eine Pfannendachplastik oder Harris-Plastik zu platzieren. Auch die Implantation einer zementierten Pfanne, eine Verschraubung oder der Einsatz einer Pfannendachschale (z.B. Burch-Schneider-Ring, Fa. Zimmer) ist über diesen Zugang recht unproblematisch durchführbar. Bei wenigen Zugängen hat man eine solch gute Sicht auf die Pfanne wie beim DAA.

Schaftfraktur

Beispielhafte Komplikationen der Hüftendoprothetik bei der Schaftbearbeitung stellen die Schaftsprengung oder der Trochanterabriss dar. Der vordere Zugang limitiert zunächst die Sicht und Darstellung des Femurs in einem solchen komplikativen Fall. Es besteht aber dann die Möglichkeit einer Erweiterung des Schnittes nach kaudal, was jedoch dann eine muskuläre Ablösung am Trochanter erfordert. Damit können Drahtcerclagen bis zur Höhe des Trochanter minor gut gesetzt werden. Eine Anlage von Drahtcerclagen kann bei weit kaudal reichender Fissur aber auch einen zweiten Schnitt lateral erfordern, der dann kaudal und dorsaler angelegt würde. Ein Belassen einer Hautbrücke von mindestens 10 cm wird empfohlen. Ein Trochanterabriss würde von uns mit der Anlage einer Krallenplattenosteosynthese adressiert, die über den oben beschriebenen erweiterten DAA eingebracht wird.

Luxationen

Luxationen stellen beim DAA durch die erhaltene dorsale Kapsel eine absolute Seltenheit dar. Sollte intraoperativ der Eindruck einer instabilen Situation entstehen, ist eine Prüfung der Pfannen- und Schaftpositionierung sowie eines etwaigen Hypomochlions obligat. Lösungsmöglichkeiten bestehen in der Beseitigung eines Impingements/Hypomochlions, Optimierung der Implantatposition und Wahl verlängerter Aufsteckköpfe und überhöhter Inlays, wie allgemein üblich (Tab. 2).

Fazit für die Praxis

Der direkte vordere Zugang zum Hüftgelenk (direct anterior approach/DAA) erlaubt eine sehr übersichtliche Darstellung des Hüftgelenkes bei gleichzeitiger Schonung der Hüftgelenk umgebenden Muskulatur.

Als Folge der geringen muskulären Beeinflussung kann postoperativ unmittelbar mit der Mobilisation begonnen werden.

Die schonende Darstellung des Hüftgelenkes geht einher mit geringem Blutverlust und ermöglicht eine präzise Implantatpositionierung.

Postoperative Luxationen treten aufgrund der erhaltenen dorsalen Kapsel äußerst selten auf.

Eine sorgfältige Lagerung und Präparation entlang der Landmarken hilft Komplikationen zu vermeiden.

Die kleine, kosmetisch gut gelegene Narbe, aber insbesondere die schnelle Mobilisation bei gleichzeitig raschem Verzicht auf Gehstützen führt zu einer hohen Zufriedenheit der Patienten.

Interessenkonflikte:

keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadressen

Dr. med. Andreas Hachenberg

Ortho-Campus Hüls –
Helios Cäcilien Hospital

Fette Henn 50

40839 Krefeld

andreas.hachenberg@
helios-gesundheit.de

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