Übersichtsarbeiten - OUP 04/2018

Möglichkeiten und Herausforderungen des individualisierten Beckenteilersatzes bei ausgeprägten azetabulären Defekten

Christian Scheele1, Norbert Harrasser1, Christian Suren1, Florian Pohlig1, Rüdiger v. Eisenhart-Rothe1, Peter Michael Prodinger1

Zusammenfassung: Die von hervorragenden Überlebensraten und exzellenten funktionellen Ergebnissen getriebene Ausweitung der Indikation des primären Hüftgelenksersatzes führt zu einer steigenden Zahl an Revisionseingriffen, bei denen immer häufiger ausgedehnte azetabuläre Knochendefekte zu versorgen sein werden. Obwohl eine Vielzahl verschiedener Versorgungsoptionen zur Verfügung steht, gelangen Standardrevisionsimplantate immer häufiger an die Grenzen ihres Indikationsbereichs. Insbesondere bei AAOS-Typ-4/Paprovsky-3b-Defekten führt der ursprünglich aus der Tumororthopädie stammende individualisierte
Beckenteilersatz bei adäquater Patientenselektion zu vielversprechenden Ergebnissen und entwickelt sich damit
zu einer etablierten Behandlungsoption der modernen
Revisionsendoprothetik.

Schlüsselwörter: Hüft-Revisionen, Individualimplantate, Beckendiskontinuität, Knochendefekt, Megaprothesen

Zitierweise
Scheele C, Harrasser N, Suren C, Pohlig F, von Eisenhart-Rothe R, Prodinger PM: Möglichkeiten und Herausforderungen des individualisierten Beckenteilersatzes bei ausgeprägten azetabulären Defekten. OUP 2018; 7: 204–211 DOI 10.3238/oup.2018.0204–0211

Summary: The increasing number of primary hip arthroplasty procedures, driven by excellent survival rates and functional outcomes, will lead to an increase in revision surgery. Consequently, surgeons will be confronted more and more often with complex osseous defects that have to be reconstructed. Although many different treatment options are available for acetabular revision, the use of standard implants is limited to contained defects. Especially in AAOS-Typ-4/Paprovsky-3b-defects, patient-specific implants -first used in musculoskeletal oncology- can lead to promising results in selected cases. Thus, individualized implants have become an established treatment modality in revision arthroplasty of the pelvis.

Keywords: hip revision surgery, customized implants, pelvic discontinuity, bone loss, megaprosthesis

Citation
Scheele C, Harrasser N, Suren C, Pohlig F, von Eisenhart-Rothe R, Prodinger PM: Prospects and challenges of individualized implants in the treatment of large acetabular defects.
OUP 2018; 7: 204–211 DOI 10.3238/oup.2018.0204–0211

1 Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

Einleitung

Der primäre Hüftgelenkersatz gilt als eine der größten Errungenschaften der Medizin des 20. Jahrhunderts [17, 35, 50]. Überlebensraten von mehr als 95 % nach über 10 Jahren und hervorragende funktionelle Ergebnisse führten zu einer stetigen Ausweitung der Indikation auf immer jüngere und aktivere Patientengruppen [19, 37]. Mit dieser Steigerung der Primäreingriffe ging eine zunehmende Anspruchshaltung bzgl. Aktivitätsniveau und Lebensqualität einher [19, 37]. Die Kombination beider Entwicklungen bedingt einen deutlichen Anstieg der Revisionseingriffe. So stieg die Zahl der Hüftrevisionen in Deutschland seit 2006 um durchschnittlich 2,8 % pro Jahr und lag 2016 bei ca. 26.500 Eingriffen [27].

Die führenden Indikationen zur Revision stellen dabei Instabilität und Dislokationen (22,5 %), mechanische Lockerungen (19,7 %) und Infektionen (14,8 %) dar, wobei die azetabuläre Komponente in über der Hälfte der Revisionen beteiligt ist [7, 34]. Insbesondere nach multiplen Voroperationen oder langen Standzeiten kommt es hierbei oft zu erheblichen Knochendefekten im Bereich des Beckens [4, 31]. Diese resultieren aus einem Zusammenspiel von Osteolyse, Stress-Shielding und mediokranialer Migration der Pfanne. Das operative Management dieser Defekte zählt bereits heute zu den größten Herausforderungen der Revisionsendoprothetik. Ziel der Versorgung ist eine stabile Verankerung des Implantats mit anatomischer, biologienaher Rekonstruktion des Knochenlagers und des physiologischen Drehzentrums. Intraoperativ wird die Herstellung einer hohen Primärstabilität, möglichst im vitalen autochthonen Knochen, angestrebt. Diese gilt als Voraussetzung für eine subsequente knöcherne Integration und damit für eine ausreichende Sekundärstabilität [21, 28, 29].

Für die klinische Praxis ist ein standardisiertes Revisionskonzept erforderlich, um auch bei ausgedehnten, individuellen Defekten lange Standzeiten und gute funktionelle Ergebnisse zu ermöglichen. Die präoperative Planung mit Analyse und Klassifikation der knöchernen Defektsituation ist entscheidend für die Wahl der adäquaten Behandlungsstrategie aus einer Vielzahl verfügbarer Optionen.

Präoperative Planung

Der Erfolg der Revisionsendoprothetik basiert, insbesondere bei massiven Knochendefekten, auf einer sorgfältigen präoperativen Planung. Von zentraler Bedeutung ist die individuelle Patientengeschichte unter Beachtung patientenspezifischer Risiken und Begleiterkrankungen sowie die Kenntnis der einliegenden Implantate. Zudem muss stets der Ausschluss eines periprothetischen Infekts erfolgen [36]. Grundlage der radiologischen Analyse bildet die konventionelle Röntgendiagnostik, bestehend aus einer auf die Symphyse zentrierten Beckenübersichtsaufnahme und einer axialen Hüftgelenksaufnahme. Anhand verschiedener radiologischer Kriterien sowie dem Vergleich mit Voraufnahmen kann die Beurteilung der Pfannenzirkumferenz sowie der Ursachen des Implantatversagens erfolgen [21]. Ergänzend erleichtert die Computertomografie die Beurteilung der Komponentenausrichtung, der genauen Lokalisation ggf. vorhandener Schrauben und Platten und des tatsächlichen Knochendefekts. Dieser wird anhand der konventionellen Röntgendiagnostik häufig unterschätzt (vgl. Abb. 1) [16, 26]. Darüber hinaus sind spezielle CT-Protokolle für die Konstruktion eines individualisierten Beckenteilersatzes, der vor allem bei ausgedehnten Defekten oft die einzige Behandlungsalternative darstellt, erforderlich.

Bei ausgeprägter Pfannendislokation ins kleine Becken kann ergänzend eine Angiografie bzw. eine Darstellung der ableitenden Harnwege durchgeführt werden, wodurch mögliche Kompressionen oder Perforationen erkannt und intraoperative Komplikationen (z.B. durch eine Schienung des ipsilateralen Ureters) vermieden werden [21].

Analyse und Klassifikation des Knochendefekts

Die Analyse und Klassifikation der knöchernen Defektsituation ist entscheidend für die Rekonstruktionsstrategie. Zwei weit verbreitete Klassifikationssysteme sind das American-Academy-of-Orthopaedic-Surgeons(AAOS)-System, das von D’Antonio et al. beschrieben wurde sowie die Klassifikation nach Paprosky et al. (Abb. 2, 3) [5, 39].

Aus klinischer Sicht ist insbesondere die Klassifikation der AAOS gut umsetzbar [14]. Sie kategorisiert den azetabulären Knochendefekt nach Muster und Position von Typ 1 bis Typ 4, beinhaltet jedoch nicht das quantitative Ausmaß des ossären Substanzdefekts. Die Paprosky-Klassifikation umfasst sowohl die präoperative Bildgebung als auch intraoperative Befunde. Auf Grundlage von Ort und Ausmaß des Knochenverlusts werden die Defekte von Typ 1 bis Typ 3 klassifiziert (vgl. Abb. 3) [8, 40].

Während bei lokalisierten, geringergradigen Defekten häufig eine suffiziente Versorgung mit Standardimplantaten oder standardisierten Revisionsimplantaten gelingt, gelangen diese Systeme bei massiven Defekten oft an die Grenze ihres Indikationsbereichs. Genau in diesen Situationen beginnt dann das Indikationsspektrum der Individualimplantate, welches im Folgenden Gegenstand der Betrachtung sein soll.

Behandlungsoptionen ausgeprägter Knochendefekte

Im Rahmen der Versorgung stehen folgende 3 Aspekte im Vordergrund [21, 28, 29]:

  • 1. Rekonstruktion des physiologischen Drehzentrums
  • 2. Primärstabilität, möglichst im vitalen autochthonen Knochen
  • 3. Sekundärstabilität durch knöchernes Einwachsen

Als Grundprinzip gilt, dass eine sekundäre knöcherne Integration der Implantate eine hohe Primärstabilität mit Mikrobewegungen von unter 50 µm voraussetzt [9, 41]. Vor diesem Hintergrund stehen für die Revision großer azetabulärer Defekte vom Typ III und Typ IV nach dem AAOS-System (bzw. Typ 3A bzw. Typ 3B nach Paprosky) eine Vielzahl verschiedener Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Exemplarisch seien unzementierte hemisphärische Jumbo Cups [30], längsovale Revisionspfannen [30, 32], Impaction-Bone-Grafting [33], strukturierte Allografts [43], Antiprotrusionsringe [43], Cup-and-Cage-Konstruktionen [43], Trabecular-Metal-Augmente und -Pfannen sowie der individuelle Beckenteileratz erwähnt [2, 14].

Biologische Therapieoptionen

Prinzipiell gibt es die theoretische Möglichkeit, mittels biologischer Rekonstruktion des azetabularen Knochenlagers ein „down-grading“ des Defekts zu realisieren [21, 33, 43]. Insbesondere bei jungen, aktiven Patienten kann dies einen evtl. später notwendig werdenden Revisionseingriff deutlich vereinfachen. Bezüglich der Grafts ist zwischen Autografts (z.B. Raspeldebris oder Beckenkammspongiosa) und Allografts (z.B. humane spongiöse bzw. kortikospongiöse Knochenchips) zu unterscheiden [21]. Regelmäßigen Einsatz findet das sogenannte Impaction-Bone-Grafting. Dieses stellt ein Verbundsystem aus impaktierter Spongiosa, Knochenzement und zementierter PE-Pfanne dar und bietet unter der Voraussetzung eines erhaltenen Containments der Knochendefekte eine Alternative zur metallischen Rekonstruktion azetabulärer Knochendefekte. Eine Rekonstruktion bei nicht erhaltenem Containment ist mit zusätzlichen Metallnetzen und Abstützschalen grundsätzlich zwar ebenfalls möglich, zeigt bei Typ-III und -IV-Defekten jedoch deutlich schlechtere Ergebnisse [48]. Dass auch die Möglichkeiten von strukturellen Allografts begrenzt sind, zeigen Lockerungsraten von 45–70 % nach 2 bis 21 Jahren bei Typ-III- und Typ-IV-Defekten [20, 39, 44]. Als Ursache wird bei ausgeprägten ossären Defekten die ausbleibende Integration des Transplantats angeführt. Dies führt durch zentrale Nekrosen der Transplantate zu Ermüdungsbrüchen, die typischerweise 5–7 Jahre postoperativ auftreten und zur Instabilität des Implantats beitragen [44].

Daher favorisieren wir in der klinischen Praxis bei ausgeprägten Defekten, vor allem beim alten Patienten, eine metallische Defektausfüllung im kranialen, lasttragenden Bereich, ggf. in Kombination mit einer biologischen Rekonstruktion des zentralen und peripheren Knochenlagers. Hierbei dient die Füllung kavitärer oder zystischer Defekte mit Spongiosachips der Verbesserung der sekundären knöchernen Integration.

Metallische Defektausfüllung des Knochenlagers

Die defektangepasste Kombination der verfügbaren Verankerungsprinzipien und Implantate ist entscheidend für die Primär- und Sekundärstabilität der Versorgung. Während kleinere Defekte regelmäßig mit Standardimplantaten und Press-fit-Verankerung versorgt werden können, kommen bei größeren Defekten u.a. längsovale Revisionspfannen zur Wiederherstellung des anatomischen Drehzentrums und stabilen knöchernen Abstützung zum Einsatz. Durch zusätzlichen Einsatz von Laschen kann die Kipp- und Torsionsstabilität erhöht werden. Ein zentraler Zapfen ergänzt ggf. die Stabilisierung im Os ilium gegen multidirektionale Kippmomente. Das Einbringen transfixierender Schrauben kann die Primärstabilität zusätzlich erhöhen [21]. Abschließend trägt die Verwendung strukturierter Oberflächen zur Steigerung der Primär- und Sekundärstabilität bei.

Im Ergebnis zeigen Kranialpfannensysteme und modulare Systeme mit Zapfen und Lasche auch bei ausgedehnten Knochendefekten und Beckendiskontinuität (Typ III und Typ IV) gute Ergebnisse [42]. Zudem können verbliebene Defekte mit Trabecular-Metal-Komponenten rekonstruiert werden. Diese kombinieren dank modularer Technik eine hohe Flexibilität mit guter Biokompatibilität der Materialen [31].

Trotz der dargestellten Vielzahl an Verankerungstechniken gilt im Einzelfall der Grundsatz, dass ein zementlos eingebrachtes Implantat zu mindestens 50 % seiner Oberfläche mit autochtonen Knochen bedeckt sein sollte, um eine hinreichende Sekundärstabilität zu erreichen. Wenngleich die erforderliche Fläche auch von der Komponentengröße, der Knochenqualität und -lokalisation und der Implantatoberfläche abhängt, ist eine ausreichende Rekonstruktion mit Standard-Revisionsimplantaten nicht immer zu erreichen. In diesen Fällen drohen mittelfristig die Überlastung der punktuellen Abstützung und damit die Lockerung des Implantats.

Die Indikation individueller Implantate und Beckenteilersätze in Abgrenzung zu Standardrevisionsimplantaten ist in der Literatur bislang uneinheitlich bzw. noch unzureichend definiert. Nach unserer klinischen Erfahrung stellen ausgeprägte Knochendefekte, die über die Incisura ischiadica major hinausgehen, sowie ein nicht rekonstruierbarer dorsaler Pfeiler regelmäßig Indikationen zur individuellen Implantatversorgung dar.

Erscheint das Knochenlager im Os ilium selbst für diese Behandlungsstrategie unzureichend oder widerspricht der Allgemeinzustand des Patienten der Versorgung mittels individuell angefertigtem Implantat verbleibt in seltenen Fällen die Implantation sogenannter Megaköpfe im Sinne einer „salvage procedure“.

Der individuelle
Beckenteilersatz

Im klinischen Alltag ist ein deutlicher Anstieg sogenannten Mega-Defekte zu beobachten. In schätzungsweise 1–5 % der azetabulären Revisionsfälle liegt eine sogenannte Beckendiskontinuität vor, wobei eine weiter steigende Inzidenz erwartet wird [4, 31]. Aufgrund der häufig unzureichenden Kontaktfläche zwischen Standard-Revisionsimplantaten und autochthonem Knochenlager ist in diesen Fällen regelmäßig der Rückzug auf individuell angefertigte Implantate, die ursprünglich aus der Tumororthopädie stammen, notwendig [11, 14, 25]. Diese patientenindividuelle Konstruktion der Komponenten erlaubt eine detaillierte Orientierung an der vorliegenden, patientenspezifischen Defektsituation und damit die Behebung komplexer biomechanischer Fehlstellungen.

Hierfür werden zu Beginn der Behandlung anhand spezieller Protokolle CT-Daten des Beckens, der Knie- und oberen Sprunggelenke erhoben. Anschließend erfolgt die virtuelle Rekonstruktion der anatomisch-biomechanischen Verhältnisse mit dem Ziel der Optimierung des postoperativen Bewegungsumfangs. Darauf aufbauend werden die individuellen Revisionskomponenten am 3D-Modell konstruiert. Azetabulär bestehen diese aus Pfannengrundkörper, Knochenverankerung mittels Zapfen und Laschen sowie Makrostrukturierung der Knochenanlageflächen (Abb. 4). Anschließend erfolgen die Abstimmung der individuellen Planung mit dem behandelnden Arzt sowie die Fertigung der Implantate im schichtweisen Schmelzverfahren aus Metallpulver (3D-Printing). Nach entsprechender Aufklärung und Vorbereitung des Patienten wird die Implantation des individuellen Beckenteilersatzes durchgeführt (Abb. 5, 6). Dabei kann die Operation selbst über einen anterolateralen Standardzugang erfolgen, während bei individualisierten Triflanges der posteriore Zugang in Seitenlagerung herangezogen wird. Zudem kann postoperativ ein sogenannte Post-OP-Matching zur Beurteilung des Konstruktions- und Operationserfolges durchgeführt werden (vgl. Abb. 7).

Die klinischen Ergebnisse von individuellen Beckenteilersätzen sind aufgrund der unterschiedlichen Implantatkonstruktionen sowie der uneinheitlichen Erfassung und Klassifikation der Defekte nur eingeschränkt vergleichbar, insgesamt sehr heterogen und für eine Vielzahl angewendeter Implantate nicht vorhanden.

Lediglich zu individualisierten Triflange-Implantaten, bei denen die azetabuläre Komponente in ihrer anatomischen Position über 3 Laschen am Os ilium, Os ischium und Os pubis abgestützt und mittels Schrauben verankert wird, sind bis heute mehrere Studien publiziert, die eine annähernd evidenzbasierte Beurteilung dieser Implantate zulassen [18, 46].

DeBoer et al. (2007) berichteten anhand von 20 Patienten und einem durchschnittlichen Follow-up von 10 Jahren über keine Revisionsnotwendigkeit, einen Anstieg des Harris-Hip-Score (HHS) von 41 auf 80 und sichtbare Kallusbildung in 18 Patienten [15].

Colen et al. (2013) zeigten anhand von 6 Patienten und einem Follow-up von 10–58 Monaten insgesamt ebenfalls gute radiologische und zufriedenstellende klinische Ergebnisse, ohne Notwendigkeit eines Revisionseingriffs [13].

Taunton et al. (2012) berichteten hingegen von einer Revisionsrate von insgesamt 30,3 % (20/57) und einer Dislokationsrate von 21,1 % (12/57) bei einem Follow-up von 65 Monaten (24–215 Monate) sowie einem vergleichbaren postoperativen HHS von 74,8 Punkten. 81 % der Patienten zeigten bei der letzten Kontrolle eine stabile Komponente mit ausgeheilter Beckendiskontinuität [46].

Berasi et al. (2015) stellten bei 24 Eingriffen und einem Follow-up von 57 Monaten (28–108 Monate) eine Revisionsrate von 16,7 % (4/24) fest. 2 der 4 Revisionen wurden hierbei aufgrund von Infekten, die anderen beiden aufgrund von periprothetischen Frakturen notwendig [3].

Wind et al. (2013) zeigten an 19 Hüftrevision mit periazetabulären Defekten vom Typ III und IV nach AAOS und einem durchschnittlichen Follow-up von 31 Monaten (16–59 Monate) eine Verbesserung des Harris-Hip-Scores von 38 auf 63 und einer Erfolgsrate von 65 %. Beim letzten Follow-up berichteten allerdings nur 43 % der Patienten von einer Verbesserung gegenüber der präoperativen Situation [49].

Citak et al. (2017) zeigten bei 9 Patienten, die bei ausgeprägtem azetabulären Defekt mit individuellen Implantaten versorgt wurden, eine Implantat-bezogene Überlebensrate von 89 %. Allerdings war die Gesamt-Komplikationsrate mit 56 % vergleichsweise hoch [12].

Mit Blick auf die Implantationsgenauigkeit der individuellen Implantate bei Typ-3-Defekten nach Paprosky konnten Baauw et al. (2015) anhand von 16 Patienten mit Blick auf Inklination, Anteversion und Rotation in 43,8 % suboptimale Positionen feststellen [1]. Vor diesem Hintergrund kann eine Kombination mit Impaction-bone-Grafting die Implantation in der klinischen Praxis erleichtern.

Zusammenfassend kann man sicherlich festhalten, dass die bisher publizierten Ergebnisse individualisierter Beckenteilersätze (Triflanges) in Anbetracht der limitierten Ausgangssituation durchaus zufriedenstellend sind und berechtigt Anlass zur Hoffnung geben, dass diese Lösungsstrategien bei hochgradigen Beckendefekten eine Verbesserung für den Patienten bedeuten werden.

Alternativen zum
Beckenteilersatz

Generell kommen für die schwer versorgbaren Paprosky-3B-Defekte mit chronischer Diskontinuität mehrere Strategien zum Einsatz. Neben den bisher beschriebenen Beckenteilersätzen, deren Stabilität über einen craniale Fixation am Os ilium gewährleistet wird, findet vielfach auch das Distraktionsprinzip des Defekts mit Augmenten, Cup/Cage-Konstrukten oder BS-Ringen Anwendung [45]. Bei differenzierter Betrachtung untersuchter Kollektive konnte jedoch gezeigt werden, dass bei 3B-Defekten mit Diskontinuität die 5-Jahres-Überlebensraten von BS-Ringen lediglich 57,7 % betrug [24], was vielfach als Kritikpunkt für diese Versorgung gesehen wird [6, 22].

Sockelpfannen werden über einen konischen Stem im Os ilium verankert und sind daher auch, was die Versorgungsstrategie betrifft, als Alternative zu individualisierten Beckenteilersätzen zu nennen. Ob diese Verankerung aber für eine langfristige Stabilität des Implantats ausreicht, ist anhand der bisher vorliegenden Daten zumindest fraglich. Selbst bei guter Knochensituation im Bereich der Beckenschaufel nach Tumorresektionen bei relativ jungen Patienten wurden lediglich Standzeiten von um die 80 % nach 3 Jahren [47] bzw. 60 % über 5 Jahre berichtet [10]. Im Revisionsfall bei entsprechend schlechterer Knochensituation sollten auch diese Ergebnisse schwer zu erreichen sein.

Wie bereits angesprochen, haben Großköpfe ihren Stellenwert als Salvage-Verfahren bei fehlender Rekonstruktionsmöglichkeit, sind jedoch aufgrund ihres Funktionsverlustes dem Ausnahmefall vorbehalten [21].

Zusammenfassung

Hochgradige Knochendefekte und Beckendiskontinuitäten sind herausfordernde Situationen, mit der orthopädische Chirurgen im Rahmen der Hüftrevisionsendoprothetik immer häufiger konfrontiert werden [4, 11, 14, 15, 25, 38]. Die Vielzahl der Behandlungsmethoden unterstreicht die hohe Komplexität in Diagnostik und Therapie sowie die Tatsache, dass bisher kein System allen Anforderungen gerecht wird. Die mit zunehmendem Defekt ansteigenden Versagensraten der Standard-Revisionssysteme und die Entwicklung neuer Lösungen in den Bereichen Software und Fertigungstechnik führten zur Entwicklung individuell angepasster Komponenten bis hin zum individuellen Beckenteilersatz [4, 11, 14, 15, 25, 38]. Letzterer ist nach unserer klinischen Erfahrung in Situationen mit über die Incisura ischiadica major hinausgehendem Knochendefekt oder bei nicht rekonstruierbarem dorsalem Pfeiler regelmäßig indiziert. Die Vorteile des Verfahrens liegen in der präoperativen Planbarkeit, der Wiederherstellung des physiologischen Offsets und des Drehzentrums, dem optimierten Bewegungsumfang und einer, insbesondere in Verbindung mit einer bipolaren Pfanne, relativ hohen Luxationssicherheit. Die Planung am virtuellen 3D-Modell erlaubt eine hohe Kongruenz zwischen Implantat und Knochenlager sowie eine Positionierung der Schrauben und Zapfen in stabilen Knochenbereichen. An klinisch evidenten Nachteilen ist sicherlich der hohe Schwierigkeitsgrad der Operation, die schwierige Positionierung des Implantats [1] und die fehlende Flexibilität bei veränderten anatomischen Verhältnissen zu diskutieren. Luxationen, wenngleich sie nicht immer eine operative Revision nach sich ziehen, stellen mit Raten von 4–30 % bei individuellen Triflange-Implantaten die häufigste Komplikation dar [11, 15, 25, 46, 49]. Außerdem kommt es in 11–14 % zur Migration der Komponenten [25, 46, 49] und durch die notwendige intraoperative Exposition in 4–8 % der Fälle zu Nervenverletzungen [11, 25, 46, 49]. Insgesamt lässt sich in Fällen, in denen die Anwendung von Standard-Revisionsimplantaten nicht erfolgversprechend erscheint, nach Implantation von Individualprothesen jedoch eine deutliche Verbesserung der klinischen Funktion festhalten [3, 11, 15, 25, 49].

Hohe Bedeutung in der klinischen Anwendung ist der Patientenselektion, der präoperativen Planung und der chirurgischen Präparation beizumessen. Aufgrund der hohen Komplexität der intra- und perioperativen Prozesse, der insgesamt erhöhten Komplikationsrate und des multimorbiden Patientenguts sollte die Versorgung aus unserer Sicht in spezialisierten und erfahrenen Zentren erfolgen. Unter diesen Voraussetzungen stellt der individuelle Beckenteilersatz bei ausgeprägten ossären Defektsituationen eine zunehmend etablierte Behandlungsoption in der Revisionsendoprothetik der Hüfte dar.

Interessenkonflikt: keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Dr. med. univ.
Peter M. Prodinger

Klinik für Orthopädie
und Sportorthopädie

Klinikum rechts der Isar

Technische Universität München

peter.prodinger@tum.de

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