Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017

MPFL-Plastik – Indikationen, Technik und Ergebnisse

Mehrere biomechanische Studien konnten negative Einflüsse auf die patellofermoralen Gelenkdrücke durch eine extraanatomische Platzierung des femoralen Fixationspunkts und eine übermäßige Spannung des Transplantats über 2 N feststellen [38, 39]. Deshalb sollte eine Vorspannung des Transplantats über 2 N unbedingt vermieden werden.

MPFL-Plastik mittels
Quadriceps-Sehnenstreifen

Eine weitere Rekonstruktionstechnik des MPFL bedient sich eines gestielten Quadrizeps-Sehnenstreifens. Die Vorteile dieser Technik im Vergleich zu der Doppelbündel-Hamstring-Technik sind der Verzicht auf eine Fixation des Transplantats an der Patella mittels Bohrungen und Fixationsmaterialen (Schrauben, Anker, Fadenmaterial) und die physiologischeren Transplantateigenschaften. Herbort et al. konnten in einer biomechanischen Kadaverstudie identische Struktureigenschaften der Quadrizep-Sehnenrekonstruktionstechnik im Vergleich zum intakten MPFL zum Zeitpunkt der Rekonstruktion ermitteln. Im Gegensatz dazu zeigten andere Untersuchungen eine 3-fach erhöhte Steifigkeit bei Verwendung der Gracilis-Sehnen-Techniken [13, 18].

Die Entnahme der Quadrizeps-Sehne wurde lange Zeit aufgrund entstellender, longitudinaler Hautnarben vermieden. Mit einem minimalinvasiven Entnahmeinstrumentarium (Fa. Karl Storz) kann die Quadrizeps-Sehne über einen transversalen Zugang auf Höhe des proximalen Rands geborgen werden (Abb. 4a). Ausgehend vom medialen patellaren Ansatz wird ein etwa 11 cm langer Sehnenstreifen mit 10 mm Breite und 3 mm Tiefe ausgeschnitten. Damit wird lediglich ein oberflächliches Blatt der Quadrizepssehne ohne Eröffnung des oberen Rezessus entnommen (Abb. 4b–f). Die patellare Insertion wird erhalten und das Transplantat periostal nach distal bis zur anatomischen Insertionshöhe vom Knochen abpräpariert, nach medial umgeschlagen und im Bereich der patellaren MPFL-Insertion mit Nähten fixiert [11, 17] (Abb. 4f, 5).

Nachbehandlung nach statischer MPFL-Rekonstruktion

Unter 2-wöchiger Teilbelastung (20 kg) an Unterarmgehstützen wird der passive Bewegungsumfang des Kniegelenks schmerzadaptiert vom Patienten gesteigert. Nach 2 Wochen kann mit einem Belastungsaufbau begonnen werden. Zur Unterstützung des patellaren Alignments während der ersten 6 Wochen wird von den Autoren eine Patella Pro Orthese (Fa. Otto Bock) verwendet. Andere Operateure empfehlen eine längerfristige Teilbelastung und eine stufenweise Steigerung der aktiven Flexion von 30°/60°/90°. Aufgrund der vermehrten Führung der Patella in der Trochlea bei erhöhter Flexion gibt es jedoch nach Meinung der Autoren keinen Grund zur Einschränkung der aktiven Flexion nach der zweiten postoperativen Woche. Anschließend wird die muskuläre Rehabilitation intensiviert, sodass bei Beschwerdefreiheit nach frühestens 4 Monaten wieder volle Aktivität zugelassen werden kann.

Dynamische MPFL-Rekonstruktion mit getunnelter
Semitendinosus-Sehne

Bei der dynamischen MPFL-Rekonstruktion wird eine getunnelte Semitendinosus-Sehne mit ihrem distalen Ansatz an der medialen Patellafacette fixiert, während die muskuläre Funktion des M. Semitendinosus erhalten bleibt und mit diesem Muskeltonus die Patella stabilisiert werden soll [24].

Es wird bei dieser Technik somit zuerst die Semitendinosus-Sehne am Pes anserinus aufgesucht und in diesem Bereich abgelöst und mobilisiert, sodass sie bis zur medialen Patellafacette hochgezogen werden kann. Hierzu müssen vor allem die Abgänge zum M. Gastrocnemius sorgfältig reseziert werden. Das Ende der Semitendinosus-Sehne wird mit einem nicht resorbierbarem No2 Ethibondfaden armiert.

Ein ca. 4–6 cm langer mediopatellarer Haut-Längsschnitt zwischen dem medialen Patellarand und dem Epikondylus medialis wird für die weitere Präparation mit Zugang zur medialen Patella als auch zum medialen Kollateralband durchgeführt.

Das mediale Kollateralband wird frei präpariert und anschließend am proximalen Ende über etwa einen Zentimeter in Längsrichtung inzidiert. Das freie Ende der Semitendinosus-Sehne wird unter dem MCL hindurch durch die 1 cm Inzision ausgeleitet. Nach Präparation des anatomischen Ansatzes des MPFLs im oberen Drittel des medialen Patellarands wird dort eine 3,2 mm Bohrung in transversaler Richtung bis zum lateralen Patellarand durchgeführt. Mit dem nicht resorbierbaren Armierungsfaden wird die Semitendinosus-Sehne in die 3,2 mm Bohrung eingeführt und das Transplantat in 30°-Flexionsstellung angespannt, sodass die Patella sich im Gleitlager zentriert. Die Fixation der Sehne erfolgt durch subperiostales Vernähen des Armierungsfadens am lateralen Patellarand und zusätzliche resorbierbare Einzelknopfnähte am medialen Patellarand.

Nachbehandlung nach
dynamischer
MPFL-Rekonstruktion

Die Autoren empfehlen für die Nachbehandlung eine 6-wöchige Teilbelastung mit 10 kg durchzuführen. Eine aktive Flexion sollte für 6 Wochen zum Schutz der transponierten Sehne unterlassen werden. Eine passive Bewegung ohne Einschränkung sollte direkt durchgeführt werden [24].

Die unterschiedlichen Techniken zur Rekonstruktion des MPFL zeichnen sich durch individuelle Vor- und Nachteile aus (Tab. 1). Nach Abschätzung dieser Vor- und Nachteile und in Abstimmung mit der besonderen Situation (Patientenalter, Revisionssituation etc.) sollte die Entscheidung zur Durchführung einer Technik getroffen werden. Vergleichende Studien, welche einen signifikanten Unterschied festgestellt und somit einen evidenzbasierten Vorteil einer Technik beschrieben hätten, gibt es derzeit nicht (Tab. 1).

MPFL-Rekonstruktion
bei Kindern mit offenen Wachstumsfugen

Patellare Instabilitäten werden des Öfteren bereits bei Kindern diagnostiziert. Aufgrund der noch offenen Wachstumsfugen und der Nähe der femoralen Insertion zur femoralen Wachstumsfuge stellt die MPFL-Rekonstruktion bei diesem Patientengut eine besondere Herausforderung dar. Mit Hilfe der dynamischen MPFL-Plastik kann die Wachstumsfuge vollständig geschont werden, da eine Fixation im femoralen Insertionsbereich des MPFL nicht notwendig ist [4, 24].

Eine statische MPFL-Plastik ist jedoch auch unter Schonung der femoralen Wachstumsfuge möglich. Die femorale MPFL-Insertion liegt distal der Wachstumsfuge, somit sollte bei einem fugenschonenden Vorgehen eine Tunnelanlage in aufsteigender Richtung vermieden werden [21]. Nguyen et al. haben in einer Kadaverstudie den optimalen Bohrwinkel mit der geringsten Beeinflussung der Wachstumsfuge und des femoralen Knorpels bestimmt. Dabei konnten die Autoren eine um 15–20° nach distal als auch nach ventral geneigte Bohrrichtung als optimale Richtung ermitteln [22]. Alternativ zu einer Interferenzschrauben-Fixation kann zur Schonung der Wachstumsfugen auch eine Ankerfixation durchgeführt werden, wobei der Anker distal der Wachstumsfuge platziert wird.

Ergebnisse, Komplikationen, Revisionen

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