Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017

MPFL-Plastik – Indikationen, Technik und Ergebnisse

Die Patellainstabilität ist häufig multifaktoriell bedingt. Häufig besteht eine Mischpathologie der statischen, passiven und aktiven Stabilisatoren in unterschiedlichen Ausprägungen.

Aufgrund der Inhomogenität der Patienten ist eine vergleichende Beurteilung der unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten (konservativ, operativ mit MPFL-Plastik, mittels MPFL-Naht, mittels knöcherner Korrekturen (Osteotomien, Trochleaplastik etc.) nur schwer möglich.

Allgemeines Outcome
nach MPFL-Rekonstruktion

Das Outcome nach MPFL-Rekonstruktion wird anhand der Patientenzufriedenheit, klinischer Scores sowie der Häufigkeit von Reluxationen und anderer Komplikationen gemessen.

In einem systematischen Review haben Tompkins et al. diese postoperativen Parameter anhand von 24 Studien mit 824 behandelten Patienten analysiert. Die ermittelte Reluxationsquote in den Studien nach isolierter MPFL-Rekonstruktion betrug in dem analysierten Kollektiv lediglich 1 % [41].

MPFL vs. Mediale Raffung

Eine in der Vergangenheit häufig durchgeführte operative Intervention ist die mediale Raffung des Retinakulums, welche in direkter Konkurrenz zu einer MPFL-Rekonstruktion steht. Song et al. haben hierzu ein systematisches Review durchgeführt, um die klinischen Ergebnisse dieser konkurrierenden Verfahren zu vergleichen [36]. Lediglich 13 Studien konnten für dieses Review verwendet werden. Sowohl die mediale Raffung als auch die MPFL-Rekonstruktion ohne weitere prädisponierende Faktoren zur Patellainstabilität resultierten in vergleichbar zufriedenstellende Ergebnisse mit Reluxationsquoten zwischen 0 und 9,7 % (Raffung) und 10,7 % (MPFL-Rekonstruktion). Jedoch wurden in diesen Studien unterschiedliche OP-Techniken verwand [36].

MPFL-Rekonstruktion nach
Patellaerstluxation

Erickson et al. sind mit einem systematischen Review der bestehenden Meta-Analysen der Fragen nachgegangen, ob eine operative Intervention nach Patella-Erstluxation zu besseren Ergebnissen führt. Nach Zusammenschluss und Auswertung von 4 Meta-Analysen kamen die Autoren zu dem Schluss, dass die operative Versorgung zu geringeren Reluxationsraten führt (24 % versus 34,6 %). Die Score-Ergebnisse konnten durch die operative Intervention jedoch nicht verbessert werden [9]. Eine große Schwäche der Studie sind jedoch die mannigfaltigen verschiedenen Operationsmethoden, welche die deutlich schlechteren Ergebnisse im Vergleich zur MPFL-Rekonstruktion erklären.

Mackay et al. kamen in ihrem systematischen Review zu dem Ergebnis, dass speziell die MPFL-Rekonstruktion eine erfolgreiche Operationsmethode zur Behandlung der Patellainstabilität darstellt [19]. Sie konnten eine sehr geringe Reluxationsrate von 2,44 % und eine signifikante Steigerung des Kujala-Scores von präoperativ 51,6 Punkten auf 87,77 Punkte ermitteln.

MPFL-Rekonstruktion bei
chronischer Patellainstabilität

Obwohl einige Studien sehr gute Score-Ergebnisse und geringe Luxationsraten zeigen, gibt es wiederum andere Studien mit deutlich schlechteren Ergebnissen. Grund dieser teilweise deutlich differenten Ergebnisse könnte die zusätzliche Begleitpathologie sein, welche sich durch Einschränkung der statischen und aktiven Stabilisatoren auszeichnen kann.

Eine Korrektur des Alignments durch eine MPFL-Rekonstruktion ist nämlich nicht möglich. Studien konnten hingegen zeigen, dass eine MPFL-Rekonstruktion lediglich Einfluss auf den patellaren Tilt, die patellofemorale Kongruenz und auf eine Stabilisation der Patella gegen eine laterale Translation hat [6]. Zur Korrektur des Alignments sind somit andere operative Eingriffe notwendig.

Kita et al. haben im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie von 42 Patienten einen relevanten Einfluss der hochgradigen Trochleadysplasie auf Reluxationsraten nach MPFL-Plastik festgestellt [14]. Auch ein erhöhter TTTG-Abstand bei bestehender Trochleadysplasie vom Typ D nach Dejour konnte als Risikofaktor für eine Reluxation nach isolierter MPFL-Plastik erkannt werden. Somit scheint eine genaue Analyse der Instabilität und eine differenzierte Indikationsstellung für eine isolierte MPFL-Plastik oder eine Kombinationsbehandlung mit zusätzlichem Tuberositas-Versatz oder Trochleaplastik für den Erfolg der Therapie entscheidend zu sein [14].

Damasena et al. untersuchten in ihrer Studie den synergistischen Einfluss der MPFL-Plastik als Kombinationstherapie mit einer Alignmentkorrektur. Die Durchführung von distalen Alignmentkorrekturen mittels einer Osteotomie der Tuberositas tibiae oder Trochleaplastik führten ohne gleichzeitige MPFL-Plastik zu schlechteren Ergebnissen als mit zusätzlicher MPFL-Plastik [6].

Somit wird die MPFL-Plastik mittlerweile als Kombinationstherapie von Osteotomien oder Trochleaplastiken empfohlen. Im Falle einer chronischen Patellainstabilität mit mehrfachen Luxationsereignissen muss schließlich von einer relevanten Schwächung oder Elongation des medialen Retinakulums bzw. des MPFL ausgegangen werden.

Statische versus dynamische MPFL-Rekonstruktion

Becher et al. [4] führten eine retrospektive Kohorten-Studie anhand von 30 Patienten durch, von denen 15 Patienten mittels einer statischen Doppelbündeltechnik versorgt worden sind und 15 Patienten mittels der dynamischen MPFL-Rekonstruktion mit getunnelter Semitendinosus-Sehne. Die Autoren konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen in Bezug auf Score-Ergebnisse und radiologischen Befund feststellen. In der dynamischen Rekonstruktionsgruppe zeigte sich im Verlauf ein Rezidiv-Luxationsereignis, während sich in der statischen Gruppe keine Reluxationen ereigneten.

MPFL bei Sportlern –
Back to Sport

Die Anwendung der MPFL-Rekonstruktion bei Leistungssportlern und deren Erfolgsaussichten wurden ebenfalls analysiert.

Krych et al. untersuchten in ihrer Verlaufsstudie 39 Leistungssportler über einen Zeitraum von 4 Jahren, welche mit einer MPFL-Rekonstruktion versorgt worden sind [15]. 16 Patienten wurden neben der MPFL-Plastik zusätzlich mit einer Osteotomie der Tuberositas tibiae behandelt. Die Autoren konnten zeigen, dass eine MPFL-Plastik auch für Leistungssportler eine effektive Behandlungsmethode mit guten klinischen Score-Ergebnissen und einer geringen Reluxationsrate von 3 % darstellt. Eine zusätzliche Osteotomie der Tuberositas Tibiae führte zu einer späteren Rückkehr zum Sport während ein Großteil der Sportler nach isolierter MPFL-Rekonstruktion bereits nach etwa 8 Monaten in den Wettkampfsport zurückkehren konnte [15].

Komplikationen, Revisionen

Gemäß aktueller Studien treten in bis zu 26 % der MPFL-Plastiken intra- oder postoperative Komplikationen auf, was die Komplexität einer MPFL-Plastik wiederspiegelt [21]. Am häufigsten werden anhaltende Instabilität, Beugedefizit oder Schmerzen und Arthroseentwicklung durch Overconstrainment sowie lokale Infekte berichtet. Sehr schwer wiegt das Auftreten einer Patellafraktur bei Anlage der patellaren Bohrkanäle (Abb. 6).

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