Arzt und Recht - OUP 05/2013

Neue arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung zu Abmahnung und Zeugnis

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht. Diesen Grundsatz haben auch Ärzte, die als Niedergelassene in der Rolle des Arbeitgebers, als Krankenhausärzte in der Rolle des Arbeitnehmers sind, der Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung in den letzten Jahren entnehmen können/müssen. Bei der entsprechenden Abgrenzung der Schutzbereiche von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind die Arbeitsgerichte gleichwohl nicht gehindert, auch arbeitgeberfreundliche Entscheidungen zu treffen.

Häufig haben die Arbeitsgerichte sich insbesondere mit den 2 folgenden Problemkreisen zu befassen:

Verstößt das Verhalten eines Arbeitnehmers (vermeintlich) gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, kann eine Kündigung in der Regel erst nach erfolgter Abmahnung ausgesprochen werden (vgl. § 314 Abs. 2 BGB). Diese Abmahnung ist zur Personalakte des Arbeitnehmers zu nehmen. Häufig wird in der akuten Situation auf die Abmahnung sinnvollerweise „nur“ mit einer Gegendarstellung zu reagieren sein, die ebenfalls in die Personalakte aufgenommen wird. Arbeitsgerichtliche Maßnahmen gegen die Abmahnung haben nur dann Sinn, wenn die Abmahnung nachweisbar zu Unrecht erfolgte und dem weiteren beruflichen Fortkommen (Beförderung) entgegenstehen könnte. Oftmals stellt sich jedoch nach längerer Zeit des „Wohlverhaltens“ des Arbeitnehmers die Frage, ob die Abmahnung nicht allein aus diesem Grund aus der Personalakte zu entfernen ist.

Ein weiteres schwieriges Feld des Arbeitsrechts ist die Formulierung von Arbeitszeugnissen. Aus § 109 Gewerbeordnung ergibt sich, dass das Zeugnis zugleich „wahr“, aber auch „wohlwollend“ sein muss. Aus diesem Spannungsfeld hat sich in den letzten Jahren eine „Geheimsprache“ für Zeugnisse (teilweise durch die Rechtsprechung bestätigt) herausgebildet, die es einem juristischen Laien als Arbeitgeber schwer macht, für eine zutreffende Bewertung der Arbeitnehmerleistung im Zeugnis die richtigen Worte zu finden (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 = ArztR 2005, 18). Häufig findet man unter Arbeitszeugnissen über die konkrete Bewertung der Arbeitsleistung hinaus die Schlussformel, dass der Arbeitgeber für die Zusammenarbeit dankt und dem Arbeitnehmer für die Zukunft alles Gute wünscht. Wegen der vermeintlich negativen Wirkung des Fehlens dieser Klausel hat sich der Arbeitgeber in „Grenzfällen“ häufig die Frage zu stellen, ob er diese Schlussformel aufzunehmen hat.

Zu diesen beiden häufig diskutierten Problemkreisen hat das Bundesarbeitsgericht in aktuellen Entscheidungen die Grenze zwischen den Schutzbereichen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugunsten der Arbeitgeber konkretisiert. Diese Konkretisierung wird im Folgenden aufgezeigt:

Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte (BAG, 19.07.2012)

Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem Jahre 2000 beschäftigt. Ihr wurde mit Wirkung zum 1.12.2006 die Tätigkeit einer Haushaltssachbearbeiterin der Volkshochschule übertragen. Sie war verantwortlich für die Zahlstelle.

Die Einnahme- und Auszahlungsanordnungen wurden anlässlich einer Dienstberatung Anfang März 2007 zur Entlastung der Klägerin ihrer Vertreterin – Frau H – übertragen. Mit einem Schreiben an die Dezernentin vom 25.5.2007 beantragte der Leiter der Volkshochschule, die Verantwortlichkeit für die Zahlstellenverwaltung dahin zu ändern, dass Frau H als Hauptverantwortliche eingesetzt werde, die Klägerin nurmehr im Vertretungsfall.

Mitte Juli 2007 übergab die Klägerin die Zahlstelle anlässlich ihres bevorstehenden Urlaubs an den Leiter der Volkshochschule. Anstelle des Originalkassenbuchs händigte sie ihm eine von ihr gefertigte Zweitfassung mit nur ein oder 2 Eintragungen aus, in die Quittungen eingelegt waren. Der Leiter bemerkte das Fehlen des Originalbuchs, ohne Schritte zur Aufklärung seines Verbleibs zu unternehmen. Bei einer im August 2007 durchgeführten Kontrolle durch die Leiterin der Kreiskasse wurde es nicht mehr aufgefunden. Die Klägerin gab bei einer Anhörung an, sie habe das Kassenbuch am 26.4.2007 an Frau H übergeben. Sie sei nur noch deren Vertreterin gewesen. Sie habe das Kassenbuch im Vertretungsfall nicht zurückerhalten. Sie habe deshalb ein zweites angelegt.

Mit Schreiben vom 16.4.2008 mahnte der Beklagte die Klägerin ab. Er beanstandete, dass das Kassenbuch in der Zeit abhandengekommen sei, zu der sie für die Verwaltung der Zahlstelle verantwortlich gewesen sei. Sie habe dadurch gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen Führung der Zahlstelle verstoßen. Zudem habe sie durch ihre Erklärungen den Eindruck erweckt, die Verantwortung für die nicht ordnungsgemäße Führung der Zahlstelle und das Abhandenkommen des Kassenbuchs treffe die Vertreterin.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rücknahme der Abmahnung verlangt. Sie hat behauptet, Frau H sei am 5.3.2007 beauftragt worden.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen

Die Revision ist begründet.

Das Landesarbeitsgericht habe auf Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte hat:

Grundsatz: Entfernung auch der berechtigten Abmahnung

Arbeitnehmer könnten in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch bestehe, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

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