Arzt und Recht - OUP 05/2013

Neue arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung zu Abmahnung und Zeugnis

Für die Beantwortung der Frage, ob die Abmahnung für die bei einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses ihre Bedeutung behielte, seien die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.

Zutreffend sei, dass eine Abmahnung für eine spätere Interessenabwägung auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn sie ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion verloren hat. So könne in die Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung ein zuvor störungsfreier Verlauf des Arbeitsverhältnisses einzubeziehen sein (vgl. BAG 7.7.2011 – 2 AZR 355/10; 10.6.2010 – 2 AZR 541/09). An einem solchen könne es fehlen, wenn der Arbeitnehmer schon einmal abgemahnt wurde. Gleichwohl bestehe ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Dokumentation einer Pflichtverletzung nicht zwangsläufig für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses. So könne ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich werde demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.

Kein Anspruch auf Dankesformel (BAG, 11.12.2012)

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses. Der Kläger war bei der Beklagten vom 1.7.1998 bis zum 28.2.2009 beschäftigt. Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem Datum des 28.2.2009 ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Beurteilung. Dieses endet mit den Sätzen:

„Herr J scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus.

Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“

Der Kläger ist der Auffassung, der verwendete Schlusssatz sei unzureichend. Er entwerte sein gutes Zeugnis. Dies geschehe jedenfalls dadurch, dass der Schlusssatz keinen Dank für die bisherige Zusammenarbeit beinhalte. Bei einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung entspreche es der Üblichkeit und auch der Erwartung eines potenziellen neuen Arbeitgebers, dass dem Arbeitnehmer am Ende des Zeugnistextes für die Zusammenarbeit gedankt und ihm für die Zukunft – und zwar sowohl privat als auch beruflich – alles Gute gewünscht werde. Der Kläger beantragte, dass der letzte Satz des Zeugnistextes wie folgt umformuliert wird:

„Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.“

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Aus den Gründen

Das Bundesarbeitsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem begehrten Schlusssatz.

Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit in das Zeugnis aufzunehmen und diese auf Wunsch des Arbeitnehmers um Angaben zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis zu ergänzen (qualifiziertes Zeugnis).

Der Kläger macht geltend, dass Zeugnisse in der Praxis darüber hinaus neben guten Wünschen für die Zukunft auch Dankesformeln aufweisen, wobei die guten Wünsche ausdrücklich auf die private und berufliche Zukunft bezogen würden. Der Senat verkennt nicht, dass positive Schlusssätze geeignet sein können, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen (vgl. bereits BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). Ein Zeugnis, in dem der Arbeitgeber seinen Dank für die guten Leistungen zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute wünscht, werde aufgewertet. Freilich bestehe die Bedeutung von Schlusssätzen gerade darin, dass der Arbeitgeber Erklärungen abgibt, die über den von ihm geschuldeten Zeugnisinhalt hinausgehen.

Aus § 109 Abs. 1 GewO lasse sich jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, auf die Gesamtnote abgestimmte Schlusssätze zu formulieren. Eine solche Verpflichtung würde im Ergebnis auch nur bedeuten, dass der Arbeitgeber die bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit anderen Worten nochmals formelhaft wiederholt (BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). § 109 Abs. 1 GewO verlangt eine solche Verpflichtung zur „doppelten“ Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nicht. Dies bestätigt die Gesetzesgeschichte. Dem Gesetzgeber war die Rechtsprechung des Senats bekannt, derzufolge ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Dank und gute Wünsche ausdrückenden Schlusssatz nicht besteht. Dennoch wurde in das Gesetz keine Verpflichtung des Arbeitgebers aufgenommen, im Arbeitszeugnis persönliche Empfindungen, wie Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers, Dank für die geleistete Arbeit oder gute Wünsche für die Zukunft, zum Ausdruck zu bringen.

Auch aus dem in § 109 Abs. 2 GewO normierten Grundsatz der Zeugnisklarheit folge kein Anspruch des Klägers auf den verlangten Schlusssatz.

Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Diese Voraussetzungen erfülle die Formulierung im Zeugnis: „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“

Es könne offenbleiben, ob der von der Beklagten verwendete Schlusssatz entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers aufgrund der überdurchschnittliche Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Zeugnis ein Geheimzeichen iSd. § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO enthält. Nach dieser Vorschrift darf ein Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Selbst wenn in der Formulierung „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“ aufgrund des fehlenden Dankes für die langjährige Zusammenarbeit ein Geheimzeichen in diesem Sinne zu sehen wäre, führte dies nicht zu einem Ergänzungsanspruch. Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, kann er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen. Ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem vom Arbeitnehmer formulierten Schlusssatz besteht nicht.

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