Arzt und Recht - OUP 05/2013

Neue arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung zu Abmahnung und Zeugnis

Gegen einen Anspruch auf Aufnahme einer zusätzlichen Dankesformel spricht schon der Wortlaut des § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO, der lediglich einen Unterlassungsanspruch enthalte. Diesem werde genüge getan, wenn der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers ein Zeugnis ohne jede Schlussformel zu erteilen hat.

Wünscht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – wie die Beklagte dem Kläger – im Zeugnis „für die Zukunft alles Gute“, ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung kein Anspruch auf die vom Kläger begehrte Formulierung. Der Arbeitgeber sei zwar an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses grundsätzlich gebunden (vgl. hierzu BAG 21.6.2005 – 9 AZR 352/04). Die Bindung an den Ausdruck persönlicher Empfindungen, wie Dank, Bedauern oder gute Wünsche für die Zukunft, sei jedoch auf den Ausdruck der jeweiligen Empfindung beschränkt und führe deshalb nicht zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers, andere Empfindungen im Zeugnis zu formulieren, von denen der Arbeitnehmer meine, dass sie sein Arbeitgeber haben müsse. Ohne gesetzliche Grundlage könne der Arbeitgeber jedoch nicht verurteilt werden, das Bestehen von persönlichen Empfindungen, wie z.B. Dankbarkeit, dem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich zu bescheinigen (vgl. BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich ein Zeugnis nicht in erster Linie an den Arbeitnehmer persönlich richtet. Das Zeugnis diene dem Arbeitnehmer vor allem als Bewerbungsunterlage und sei insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl (BAG 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 = ArztR 2005,18; vgl. auch bereits BAG 8.2.1972 – 1 AZR 189/71). Ob der Arbeitgeber seine Empfindungen in einem primär an einen ihm unbekannten Dritten gerichteten Zeugnis zum Ausdruck bringt, sei zuvorderst eine Frage des persönlichen Stils. Insofern lasse das Fehlen des Dankes eher Rückschlüsse auf den Zeugnisverfasser als auf den Beurteilten zu.

Ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem vom Kläger begehrten Schlusssatz folge auch nicht aus der von ihm behaupteten Üblichkeit einer solchen Schlussformel. Unabhängig von dem tatsächlichen Gebrauch von Schlussformeln in der Praxis lasse sich die Rechtsprechung zum beredten Schweigen in Zeugnissen nicht auf das Fehlen von Schlusssätzen übertragen (vgl. BAG 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00). Diese Rechtsprechung zur unzulässigen Auslassung betreffe nur den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt (BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). Hierzu gehört die Schlussformel nicht. Der kundige Zeugnisleser weiß, dass sich aus dem Gesetz kein Anspruch auf den Ausdruck persönlicher Empfindungen in einer Schlussformel ergibt und deshalb die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen solchen Anspruch verneint hat. Dementsprechend lässt sich aus einem Arbeitszeugnis ohne Schlussformel nicht der Schluss ziehen, der Verfasser habe hiermit eine besondere Aussage treffen und seine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung relativieren wollen.

Auch aus dem „Wohlwollensgrundsatz“ ergebe sich kein Anspruch auf Ergänzung des Zeugnisses um die vom Kläger begehrte Formulierung. Ein Zeugnis solle zwar von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren (vgl. BAG 8.2.1972 – 1 AZR 189/71). Dieser Grundsatz sei jedoch nicht geeignet, über die in § 109 GewO vom Gesetzgeber festgelegten Ansprüche bezüglich des Inhalts von Zeugnissen hinaus weitere Ansprüche von Arbeitnehmern zu begründen. Der „Wohlwollensgrundsatz“ verpflichte den Arbeitgeber nur, bei der Erfüllung der durch § 109 GewO begründeten Pflichten Wohlwollen walten zu lassen.

Da eine Schlussformel nach dem Gesetz nicht zum erforderlichen Zeugnisinhalt gehört, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Entfernung einer vom Arbeitgeber verwandten Schlussformel unabhängig davon, ob in dieser tatsächlich ein Geheimzeichen im Sinne des § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO zu sehen ist.

Fazit

Mit den beiden Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht zum einen seine bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen bestätigt, zum anderen jedoch Konkretisierungen vorgenommen. Klargestellt wurde (einmal mehr), dass der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis „keinen Dank schuldet“; nach der nun erfolgten Konkretisierung muss er jedoch dementsprechend auf Verlangen des Arbeitnehmers die (ggf. misslungene) Schlussformel entfernen. Bestätigt wurde des Weiteren, dass eine Abmahnung grundsätzlich nicht auf unbeschränkte Zeit in der Personalakte verbleiben kann; nach der nun erfolgten Konkretisierung muss selbst bei einer ungerechtfertigten Abmahnung das Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte jedoch gänzlich entfallen sein. Diese neue Rechtsprechung sollte auch von Ärzten beachtet werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Hat jedoch die Auseinandersetzung (ggf. unvermeidbar) ihren Lauf genommen, kann insbesondere wegen des maßgeblichen Einzelfallbezuges bei der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte die Rechtsprechung in der Regel nur mit fachmännischer Beratung angewendet/durchgesetzt werden.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

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