Arzt und Recht - OUP 05/2013

Neue arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung zu Abmahnung und Zeugnis

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht. Diesen Grundsatz haben auch Ärzte, die als Niedergelassene in der Rolle des Arbeitgebers, als Krankenhausärzte in der Rolle des Arbeitnehmers sind, der Entwicklung in Gesetzgebung und Rechtsprechung in den letzten Jahren entnehmen können/müssen. Bei der entsprechenden Abgrenzung der Schutzbereiche von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind die Arbeitsgerichte gleichwohl nicht gehindert, auch arbeitgeberfreundliche Entscheidungen zu treffen.

Häufig haben die Arbeitsgerichte sich insbesondere mit den 2 folgenden Problemkreisen zu befassen:

Verstößt das Verhalten eines Arbeitnehmers (vermeintlich) gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, kann eine Kündigung in der Regel erst nach erfolgter Abmahnung ausgesprochen werden (vgl. § 314 Abs. 2 BGB). Diese Abmahnung ist zur Personalakte des Arbeitnehmers zu nehmen. Häufig wird in der akuten Situation auf die Abmahnung sinnvollerweise „nur“ mit einer Gegendarstellung zu reagieren sein, die ebenfalls in die Personalakte aufgenommen wird. Arbeitsgerichtliche Maßnahmen gegen die Abmahnung haben nur dann Sinn, wenn die Abmahnung nachweisbar zu Unrecht erfolgte und dem weiteren beruflichen Fortkommen (Beförderung) entgegenstehen könnte. Oftmals stellt sich jedoch nach längerer Zeit des „Wohlverhaltens“ des Arbeitnehmers die Frage, ob die Abmahnung nicht allein aus diesem Grund aus der Personalakte zu entfernen ist.

Ein weiteres schwieriges Feld des Arbeitsrechts ist die Formulierung von Arbeitszeugnissen. Aus § 109 Gewerbeordnung ergibt sich, dass das Zeugnis zugleich „wahr“, aber auch „wohlwollend“ sein muss. Aus diesem Spannungsfeld hat sich in den letzten Jahren eine „Geheimsprache“ für Zeugnisse (teilweise durch die Rechtsprechung bestätigt) herausgebildet, die es einem juristischen Laien als Arbeitgeber schwer macht, für eine zutreffende Bewertung der Arbeitnehmerleistung im Zeugnis die richtigen Worte zu finden (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 = ArztR 2005, 18). Häufig findet man unter Arbeitszeugnissen über die konkrete Bewertung der Arbeitsleistung hinaus die Schlussformel, dass der Arbeitgeber für die Zusammenarbeit dankt und dem Arbeitnehmer für die Zukunft alles Gute wünscht. Wegen der vermeintlich negativen Wirkung des Fehlens dieser Klausel hat sich der Arbeitgeber in „Grenzfällen“ häufig die Frage zu stellen, ob er diese Schlussformel aufzunehmen hat.

Zu diesen beiden häufig diskutierten Problemkreisen hat das Bundesarbeitsgericht in aktuellen Entscheidungen die Grenze zwischen den Schutzbereichen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugunsten der Arbeitgeber konkretisiert. Diese Konkretisierung wird im Folgenden aufgezeigt:

Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte (BAG, 19.07.2012)

Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem Jahre 2000 beschäftigt. Ihr wurde mit Wirkung zum 1.12.2006 die Tätigkeit einer Haushaltssachbearbeiterin der Volkshochschule übertragen. Sie war verantwortlich für die Zahlstelle.

Die Einnahme- und Auszahlungsanordnungen wurden anlässlich einer Dienstberatung Anfang März 2007 zur Entlastung der Klägerin ihrer Vertreterin – Frau H – übertragen. Mit einem Schreiben an die Dezernentin vom 25.5.2007 beantragte der Leiter der Volkshochschule, die Verantwortlichkeit für die Zahlstellenverwaltung dahin zu ändern, dass Frau H als Hauptverantwortliche eingesetzt werde, die Klägerin nurmehr im Vertretungsfall.

Mitte Juli 2007 übergab die Klägerin die Zahlstelle anlässlich ihres bevorstehenden Urlaubs an den Leiter der Volkshochschule. Anstelle des Originalkassenbuchs händigte sie ihm eine von ihr gefertigte Zweitfassung mit nur ein oder 2 Eintragungen aus, in die Quittungen eingelegt waren. Der Leiter bemerkte das Fehlen des Originalbuchs, ohne Schritte zur Aufklärung seines Verbleibs zu unternehmen. Bei einer im August 2007 durchgeführten Kontrolle durch die Leiterin der Kreiskasse wurde es nicht mehr aufgefunden. Die Klägerin gab bei einer Anhörung an, sie habe das Kassenbuch am 26.4.2007 an Frau H übergeben. Sie sei nur noch deren Vertreterin gewesen. Sie habe das Kassenbuch im Vertretungsfall nicht zurückerhalten. Sie habe deshalb ein zweites angelegt.

Mit Schreiben vom 16.4.2008 mahnte der Beklagte die Klägerin ab. Er beanstandete, dass das Kassenbuch in der Zeit abhandengekommen sei, zu der sie für die Verwaltung der Zahlstelle verantwortlich gewesen sei. Sie habe dadurch gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen Führung der Zahlstelle verstoßen. Zudem habe sie durch ihre Erklärungen den Eindruck erweckt, die Verantwortung für die nicht ordnungsgemäße Führung der Zahlstelle und das Abhandenkommen des Kassenbuchs treffe die Vertreterin.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rücknahme der Abmahnung verlangt. Sie hat behauptet, Frau H sei am 5.3.2007 beauftragt worden.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen

Die Revision ist begründet.

Das Landesarbeitsgericht habe auf Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte hat:

Grundsatz: Entfernung auch der berechtigten Abmahnung

Arbeitnehmer könnten in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch bestehe, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Dies gelte selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 12.8.2010 – 2 AZR 593/09).

Grundsatz: Keine Differenzierung zwischen Entfernung und Rücknahme

Nicht zu beanstanden sei, dass das Landesarbeitsgericht nicht zwischen einem Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung und einem solchen auf ihre Entfernung aus der Personalakte differenziert hat. Das Begehren auf Rücknahme einer Abmahnung wird neben dem auf ihre Entfernung aus der Personalakte zumeist nicht eigenständig verfolgt. Eine (mit dem Klageantrag) verlangte „Rücknahme und Entfernung“ der Abmahnung ist dann als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zu verstehen (vgl. BAG 27.1.1988 – 5 AZR 604/86; Hessisches LAG 22.6.2010 – 12 Sa 829/09; LAG Köln 15.6. 2007 – 11 Sa 243/07).

Vorliegend: Keine Entfernung wegen Arbeitgeberinteresse

Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, dass die Abmahnung in deren Personalakte verbleibe, hielt im vorliegenden Fall der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand:

Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben (BAG 8.2.1989 – 5 AZR 40/88; 9.2.1977 – 5 AZR 2/76 = ArztR 1978, 34). Ein Arbeitnehmer kann deshalb nur in Ausnahmefällen die Entfernung auch solcher Aktenvorgänge verlangen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhen (BAG 8.2.1989 – 5 AZR 40/88; 7.9.1988 – 5 AZR 625/87; 13.4.1988 – 5 AZR 537/86). Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden ist (BAG 30.5.1996 – 6 AZR 537/95; 8.2.1989 – 5 AZR 40/88; 7.9.1988 – 5 AZR 625/87).

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine Abmahnung könne nach längerem einwandfreien Verhalten des Arbeitnehmers ihre Wirkung verlieren, wofür die Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien (vgl. BAG 18. November 1986 – 7 AZR 674/84 = ArztR 1987, 256). Dies treffe zwar zu. So könne es nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung einer erneuten Abmahnung bedürfen, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt wäre (vgl. BAG 18. November 1986 – 7 AZR 674/84 = ArztR 1987, 256).

Berücksichtigt worden sei damit aber nur die Warnfunktion einer Abmahnung. Mit einer Abmahnung übe ein Arbeitgeber dagegen seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weise er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und mache ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordere er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündige, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG 11.12.2001 – 9 AZR 464/00; 30.5.1996 – 6 AZR 537/95; 26.1.1995 – 2 AZR 649/94).

Ein Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setze demnach nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Der Arbeitgeber dürfe auch kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Der Arbeitnehmer könne die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen kann. Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten müsse für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sein. Das sei nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus könne es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen, die Erteilung einer Rüge im Sinne einer Klarstellung der arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin dokumentieren zu können. Demgegenüber verlangten die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers nicht, einen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung schon dann zu bejahen, wenn diese zwar ihre Warnfunktion verloren hat, ein Dokumentationsinteresse des Arbeitgebers aber fortbesteht. Auch wenn sich eine Abmahnung noch in der Personalakte befinde, sei im Rahmen eines möglichen Kündigungsrechtsstreits stets zu prüfen, ob ihr noch eine hinreichende Warnfunktion zukam (vgl. etwa BAG 18.11.1986 – 7 AZR 674/84).

Diese Voraussetzungen eines Entfernungsanspruchs habe das Landesarbeitsgericht nicht sämtlich geprüft:

Das Landesarbeitsgericht habe angenommen, die Abmahnung sei wegen Zeitablaufs nicht mehr wirksam und deshalb aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Ihr seit der Abmahnung beanstandungsfreies Verhalten lasse den Schluss zu, sie werde künftig ihre Arbeitspflichten ordnungsgemäß erfüllen.

Es sei jedoch nicht ersichtlich, ob die Abmahnung für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden ist. Das Landesarbeitsgericht habe insbesondere nicht gewürdigt, ob das gerügte Fehlverhalten der Klägerin weiterhin von Bedeutung für eine Beurteilung ihrer Fähigkeiten und Leistungen als Haushaltssachbearbeiterin sein konnte. Dagegen spreche nicht schon der Umstand, dass nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Gefahr einer erneuten Pflichtverletzung nicht mehr bestand.

Für die Beantwortung der Frage, ob die Abmahnung für die bei einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses ihre Bedeutung behielte, seien die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.

Zutreffend sei, dass eine Abmahnung für eine spätere Interessenabwägung auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn sie ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion verloren hat. So könne in die Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung ein zuvor störungsfreier Verlauf des Arbeitsverhältnisses einzubeziehen sein (vgl. BAG 7.7.2011 – 2 AZR 355/10; 10.6.2010 – 2 AZR 541/09). An einem solchen könne es fehlen, wenn der Arbeitnehmer schon einmal abgemahnt wurde. Gleichwohl bestehe ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Dokumentation einer Pflichtverletzung nicht zwangsläufig für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses. So könne ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich werde demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.

Kein Anspruch auf Dankesformel (BAG, 11.12.2012)

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses. Der Kläger war bei der Beklagten vom 1.7.1998 bis zum 28.2.2009 beschäftigt. Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem Datum des 28.2.2009 ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Beurteilung. Dieses endet mit den Sätzen:

„Herr J scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus.

Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“

Der Kläger ist der Auffassung, der verwendete Schlusssatz sei unzureichend. Er entwerte sein gutes Zeugnis. Dies geschehe jedenfalls dadurch, dass der Schlusssatz keinen Dank für die bisherige Zusammenarbeit beinhalte. Bei einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung entspreche es der Üblichkeit und auch der Erwartung eines potenziellen neuen Arbeitgebers, dass dem Arbeitnehmer am Ende des Zeugnistextes für die Zusammenarbeit gedankt und ihm für die Zukunft – und zwar sowohl privat als auch beruflich – alles Gute gewünscht werde. Der Kläger beantragte, dass der letzte Satz des Zeugnistextes wie folgt umformuliert wird:

„Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.“

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Aus den Gründen

Das Bundesarbeitsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem begehrten Schlusssatz.

Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit in das Zeugnis aufzunehmen und diese auf Wunsch des Arbeitnehmers um Angaben zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis zu ergänzen (qualifiziertes Zeugnis).

Der Kläger macht geltend, dass Zeugnisse in der Praxis darüber hinaus neben guten Wünschen für die Zukunft auch Dankesformeln aufweisen, wobei die guten Wünsche ausdrücklich auf die private und berufliche Zukunft bezogen würden. Der Senat verkennt nicht, dass positive Schlusssätze geeignet sein können, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen (vgl. bereits BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). Ein Zeugnis, in dem der Arbeitgeber seinen Dank für die guten Leistungen zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute wünscht, werde aufgewertet. Freilich bestehe die Bedeutung von Schlusssätzen gerade darin, dass der Arbeitgeber Erklärungen abgibt, die über den von ihm geschuldeten Zeugnisinhalt hinausgehen.

Aus § 109 Abs. 1 GewO lasse sich jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, auf die Gesamtnote abgestimmte Schlusssätze zu formulieren. Eine solche Verpflichtung würde im Ergebnis auch nur bedeuten, dass der Arbeitgeber die bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit anderen Worten nochmals formelhaft wiederholt (BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). § 109 Abs. 1 GewO verlangt eine solche Verpflichtung zur „doppelten“ Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nicht. Dies bestätigt die Gesetzesgeschichte. Dem Gesetzgeber war die Rechtsprechung des Senats bekannt, derzufolge ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Dank und gute Wünsche ausdrückenden Schlusssatz nicht besteht. Dennoch wurde in das Gesetz keine Verpflichtung des Arbeitgebers aufgenommen, im Arbeitszeugnis persönliche Empfindungen, wie Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers, Dank für die geleistete Arbeit oder gute Wünsche für die Zukunft, zum Ausdruck zu bringen.

Auch aus dem in § 109 Abs. 2 GewO normierten Grundsatz der Zeugnisklarheit folge kein Anspruch des Klägers auf den verlangten Schlusssatz.

Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Diese Voraussetzungen erfülle die Formulierung im Zeugnis: „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“

Es könne offenbleiben, ob der von der Beklagten verwendete Schlusssatz entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers aufgrund der überdurchschnittliche Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Zeugnis ein Geheimzeichen iSd. § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO enthält. Nach dieser Vorschrift darf ein Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Selbst wenn in der Formulierung „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“ aufgrund des fehlenden Dankes für die langjährige Zusammenarbeit ein Geheimzeichen in diesem Sinne zu sehen wäre, führte dies nicht zu einem Ergänzungsanspruch. Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, kann er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen. Ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem vom Arbeitnehmer formulierten Schlusssatz besteht nicht.

Gegen einen Anspruch auf Aufnahme einer zusätzlichen Dankesformel spricht schon der Wortlaut des § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO, der lediglich einen Unterlassungsanspruch enthalte. Diesem werde genüge getan, wenn der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers ein Zeugnis ohne jede Schlussformel zu erteilen hat.

Wünscht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – wie die Beklagte dem Kläger – im Zeugnis „für die Zukunft alles Gute“, ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung kein Anspruch auf die vom Kläger begehrte Formulierung. Der Arbeitgeber sei zwar an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses grundsätzlich gebunden (vgl. hierzu BAG 21.6.2005 – 9 AZR 352/04). Die Bindung an den Ausdruck persönlicher Empfindungen, wie Dank, Bedauern oder gute Wünsche für die Zukunft, sei jedoch auf den Ausdruck der jeweiligen Empfindung beschränkt und führe deshalb nicht zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers, andere Empfindungen im Zeugnis zu formulieren, von denen der Arbeitnehmer meine, dass sie sein Arbeitgeber haben müsse. Ohne gesetzliche Grundlage könne der Arbeitgeber jedoch nicht verurteilt werden, das Bestehen von persönlichen Empfindungen, wie z.B. Dankbarkeit, dem Arbeitnehmer gegenüber schriftlich zu bescheinigen (vgl. BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich ein Zeugnis nicht in erster Linie an den Arbeitnehmer persönlich richtet. Das Zeugnis diene dem Arbeitnehmer vor allem als Bewerbungsunterlage und sei insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl (BAG 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 = ArztR 2005,18; vgl. auch bereits BAG 8.2.1972 – 1 AZR 189/71). Ob der Arbeitgeber seine Empfindungen in einem primär an einen ihm unbekannten Dritten gerichteten Zeugnis zum Ausdruck bringt, sei zuvorderst eine Frage des persönlichen Stils. Insofern lasse das Fehlen des Dankes eher Rückschlüsse auf den Zeugnisverfasser als auf den Beurteilten zu.

Ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem vom Kläger begehrten Schlusssatz folge auch nicht aus der von ihm behaupteten Üblichkeit einer solchen Schlussformel. Unabhängig von dem tatsächlichen Gebrauch von Schlussformeln in der Praxis lasse sich die Rechtsprechung zum beredten Schweigen in Zeugnissen nicht auf das Fehlen von Schlusssätzen übertragen (vgl. BAG 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00). Diese Rechtsprechung zur unzulässigen Auslassung betreffe nur den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt (BAG 20.2.2001 – 9 AZR 44/00). Hierzu gehört die Schlussformel nicht. Der kundige Zeugnisleser weiß, dass sich aus dem Gesetz kein Anspruch auf den Ausdruck persönlicher Empfindungen in einer Schlussformel ergibt und deshalb die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen solchen Anspruch verneint hat. Dementsprechend lässt sich aus einem Arbeitszeugnis ohne Schlussformel nicht der Schluss ziehen, der Verfasser habe hiermit eine besondere Aussage treffen und seine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung relativieren wollen.

Auch aus dem „Wohlwollensgrundsatz“ ergebe sich kein Anspruch auf Ergänzung des Zeugnisses um die vom Kläger begehrte Formulierung. Ein Zeugnis solle zwar von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren (vgl. BAG 8.2.1972 – 1 AZR 189/71). Dieser Grundsatz sei jedoch nicht geeignet, über die in § 109 GewO vom Gesetzgeber festgelegten Ansprüche bezüglich des Inhalts von Zeugnissen hinaus weitere Ansprüche von Arbeitnehmern zu begründen. Der „Wohlwollensgrundsatz“ verpflichte den Arbeitgeber nur, bei der Erfüllung der durch § 109 GewO begründeten Pflichten Wohlwollen walten zu lassen.

Da eine Schlussformel nach dem Gesetz nicht zum erforderlichen Zeugnisinhalt gehört, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Entfernung einer vom Arbeitgeber verwandten Schlussformel unabhängig davon, ob in dieser tatsächlich ein Geheimzeichen im Sinne des § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO zu sehen ist.

Fazit

Mit den beiden Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht zum einen seine bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen bestätigt, zum anderen jedoch Konkretisierungen vorgenommen. Klargestellt wurde (einmal mehr), dass der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis „keinen Dank schuldet“; nach der nun erfolgten Konkretisierung muss er jedoch dementsprechend auf Verlangen des Arbeitnehmers die (ggf. misslungene) Schlussformel entfernen. Bestätigt wurde des Weiteren, dass eine Abmahnung grundsätzlich nicht auf unbeschränkte Zeit in der Personalakte verbleiben kann; nach der nun erfolgten Konkretisierung muss selbst bei einer ungerechtfertigten Abmahnung das Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte jedoch gänzlich entfallen sein. Diese neue Rechtsprechung sollte auch von Ärzten beachtet werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Hat jedoch die Auseinandersetzung (ggf. unvermeidbar) ihren Lauf genommen, kann insbesondere wegen des maßgeblichen Einzelfallbezuges bei der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte die Rechtsprechung in der Regel nur mit fachmännischer Beratung angewendet/durchgesetzt werden.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

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