Übersichtsarbeiten - OUP 11/2019

Neuromodulation des Spinalganglions bei chronischen post-chirurgischen Knieschmerzen
Dorsal-Root-Ganglion-Stimulation: Eine Therapieoption bei chronischen Schmerzen nach Knieoperationen

Eingriffserweiterung mit Implantation zusätzlicher Sonden

Aktuell eingeschränkte MRT-Tauglichkeit des Systems für Kopf und Extremitäten bei 1,5 TESLA

Durchführung der Intervention

Im Unterschied zu bisherigen Neuromodulationsverfahren gibt es 2 Möglichkeiten, die DRG-Intervention durchzuführen:

  • 1. Nach dezidierter Diagnostik,
    vollständiger Austestung durch
    diagnostische PRTs und PRF lässt sich die Wirksamkeit der Methode relativ gut vorhersagen. Dies
    erlaubt es, die Prozedur in Vollnarkose durchzuführen.
  • 2. In Lokalanästhesie und tiefer Analgosedierung mit Propofol und Remifentanil, während der Anlage des DRG-Systems, was die intraoperative sensorische Austestung der Sondenlage intraoperativ
    ermöglicht.

Trialphase

Die vorgeschriebene Positiv-Trialphase sollte 3–12 Tage betragen. Währenddessen muss der Patient ein Schmerztagebuch führen, um den Therapieeffekt zu dokumentieren. In bestimmten Fällen kann aber auch ein anschließender Auslassversuch oder eine Negativ-Trialphase sinnvoll sein: Der therapeutische Effekt lässt sich damit untermauern und eine Explantation des Systems bei Therapieversagern verringern.

Mögliche Komplikationen

Neben den typischen Komplikationen rückenmarknaher Therapieverfahren sind insbesondere die Sondendisklokation und das Liquorverlustsyndrom zu erwähnen. Nach der Verabreichung eines Bloodpatches zur Behandlung eines Liquorverlustsyndroms kann es nach dem Übertritt von Blut in den Liquor zu einer Arachnoiditis kommen, die sehr schmerzhaft sein kann. Die Wahrscheinlichkeit einer direkten Myelonschädigung ist bei Anwendung der richtigen Implantationstechnik als gering einzustufen.

Fallbeispiele

Patientin 1

43-jährige Patientin, die zuvor 3-mal am rechten Knie operiert wurde 11/2015, 01/2016 und 08/2016. Hierbei handelte es sich um arthroskopische Eingriffe, u.a. mit autologen Chondrozytentransplantation und partieller Synovektomie. Anschließend zeigte sich ein deutlicher Schmerzanstieg, insbesondere bei Extension und unter Belastung. Der einschießende Schmerz wurde mit einem vorwiegend neuropathischen Schmerzbild beschrieben. Die Mobilität der Patientin war nur an Unterarmgehstützen gegeben , der mittlere NRS lag bei 7/10 und der maximale bei 10/10. Ambulante Therapieverfahren, eine Pharmakotherapie mit Opioiden und Co-Analgetika führten zu keiner adäquaten Schmerzreduktion.

Somit entschieden wir uns zunächst zur vollstationären multimodalen Schmerztherapie. Bei Aufnahme wurde ein MRT des Knies durchgeführt, welches bei Z.n. autologer Knorpeltransplantation eine inhomogene Auftreibung des Knorpelüberzugs am medialen Femurkondylus, angrenzend an die Fossa intercondylaris im vorderen Anteil der Hauptbelastungszone aufzeigen konnte. Umschriebene Knorpeldefekte zeigten sich ebenso wenig wie Verletzungen der Bänder oder Menisken. Es waren keine ossärne Entzündungszeichen nachweisbar und kein Gelenkerguss.

Ein neurologisches Konsil bestätigte unsere Arbeitshypothese einer Mononeuropathie. Wir bestimmten die Verschaltung der Schmerzafferenzen durch diagnstische PRTs von L3 und L4 rechts. Hierbei kam es bereits nach dem ersten diagnostischen Block zu einer Schmerzreduktion von 100 %, und die Patientin konnte ohne Unterarmgehstützen schmerzfrei gehen. Wir wiederholten den Block ein zweites Mal mit dem selben Ergebnis und führten einen weiteren Test mittels gepulster Radiofrequenz durch. Unter elektrischer Stimulation der Spinalganglien L3 und L4 konnte eine vollständige Parästhesieabdeckung erreicht werden. Nach Anwendung der gepulsten Radiofrequenz konnten wir den Therapieeffekt auf 2 Tage verlängern. Somit entschieden wir uns zur Implantation der DRG-Sonden auf die ausgetesteten Spinalganglien mit einer positiven und negativen Testphase. Nach problemloser Implantation (Abb. 3 a–b) kam es innerhalb der ersten Tage bereits zu einer Abnahme der Schmerzen um 80 %, und die Patientin konnte ohne Unterarmgehstützen mit einem NRS 1–2/10 gehen. Nach 10 Tagen beendeten wir die Testphase und schritten mit dem Auslassversuch fort. Nach der Kürzung der perkutan ausgeleiteten Sondenverlängerungen kam es innerhalb eines Tages zu einem Anstieg der Schmerzen auf die präoperativen Werte. Nach weiteren 10 Tagen entschieden wir uns zur Implantation des IPGs. Bis heute besteht der erzielte Therapieeffekt weiter, und die Patientin ist ohne Unterarmgehstützen mobil.

Patientin 2

In 2014 unterzog sich die 73-jährige Patientin einer Knie-TEP-Implantation rechts bei Gonarthrose. Bereits nach der Operation klagte sie über persistierende Schmerzen, die über die Jahre hinweg einen NRS im Mittel von 6/10 aufwiesen und unter Belastung auf 10/10 anstiegen. Der Schmerz wurde als stechend einschießend beschrieben, und der Nachtschlaf war schmerzbedingt unterbrochen. Konservative Therapieversuche mit Opioiden und Koanalgetika, Physiotherapie und Rehasport blieben leider ohne Erfolg. Im Rahmen einer vollstationären multimodalen Schmerztherapie konnte eine Prothesenlockerung ausgeschlossen werden. Eine sterile Kniepunktion ergab keinen Anhalt für einen Low-grade-Infekt, und die Sklettszintigrafie ergab keinen Hinweis auf eine Prothesenlockerung oder Infekt. Die neurologische Vorstellung zeigte eine Mononeuropathie.

Eine diagnostische PRT auf den Höhen L2, L3 und L4 führten zu einer Schmerzreduktion von 80 %. Eine psychiatrische Evaluation zeigte eine reaktive Depression.

Somit entschieden wir uns zur Implantation der DRG-Sonden auf die ausgetesteten Spinalganglien mit einer positiven und negativen Testphase. Nach problemloser Implantation der DRG-Sonden auf den Höhen L2, L3 und L4 rechts, (Abb. 4 a–b) kam es innerhalb der ersten Tage bereits zu einer Abnahme der Schmerzen um 80 %, und die Patientin konnte ohne Unterarmgehstützen mit einem NRS 1–2/10 gehen. Nach 10 Tagen beendeten wir die Testphase und schritten mit dem Auslassversuch fort. Nach der Kürzung der perkutan ausgeleiteten Sondenverlängerungen kam es innerhalb eines Tages zu einem Anstieg der Schmerzen auf die alten Werte. Nach weiteren 10 Tagen entschieden wir uns zur Implantation des IPGs. Die Patientin weist nun nach über einem Jahr stabile Stimulationsverhältnisse und eine anhaltende Schmerzreduktion auf.

Patientin 3

Eine 70-jährige Patientin unterzog sich bei massiver Gonarthrose einer Knie-TEP-Implantation links in 03/2016. Bereits nach der Operation klagte sie über persistierende Schmerzen im linken Knie. Die Schmerzen wurden mit 9/10 angegeben. 04/2017 wurde im Rahmen einer Sklettszintigrafie eine Lockerung der Prothese ausgeschlossen. Auch ein Infekt der Prothese wurde nach Punktion mikrobiologisch ausgeschlossen. Die Infektwerte waren negativ. Sie war nur an Unterarmgehstützen mobil und eine konservative Therapie mit Opioiden, NSARs und Koanalgetika war nicht zielführend. Im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie wurde sie u.a. psychologisch vorgestellt. Es lag keine Somatisierungsstörung vor.

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