Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Nicht-pharmakologisches und pharmakologisches Arthrose-Management unter Berücksichtigung der Versorgungsrealität in Deutschland

Stufe 1b: Pharmakologische

Hintergrundbehandlung

Paracetamol in einer Tagesdosis von nicht mehr als 3 gr/d ist generell empfohlen als initiale, pharmakologische Behandlung in den meisten Guidelines. Die Ursache liegt nicht so sehr in der Effektivität der Schmerztherapie, sondern eher in der relativen Sicherheit der Medikation und der Preissituation. Im Rahmen einer Meta-Analyse [27] wurde dargestellt, dass die allermeisten klinischen Studien hinsichtlich dieser Frage keine längere Studiendauer hatten als 6 Monate. In einer placebokontrollierten Studie fand sich eine Effektivität für Paracetamol bei einem Verlauf von mehr als 6 Monaten hinsichtlich der Funktion, aber nicht hinsichtlich des Schmerzes [28]. So zeigen Meta-Analysen eine Effektgröße von weniger als 0,20, wie in den OARSI-Guidelines dargestellt. Gleichzeitig zeigen sich zunehmend auch negative Effekte von Paracetamol, insbesondere Leberenzymerhöhungen [5]. Ein sicherer und sinnvollerer Weg wäre die Verwendung von SYSADOAs (Symptomatic Slow-Acting Drugs for Osteoarthritis) in Kombination mit Paracetamol als kurzzeitiges Analgetikum. Im Bereich der SYSADOAs findet sich unter anderem Glucosaminsulfat, welches sich deutlich von anderen Präparationen differenziert, wie beispielsweise Glucosaminchlorid. In einem Literatur-Review [29] zeigte sich, dass der generelle Vorteil von Glucosamin-Zubereitungen durch die große Heterogenität der verschiedenen Firmenzubereitungen negativ beeinflusst wird. In hochrangigen kontrollierten Studien von patentierten Cristalin-Glucosaminsulfat-Präparaten zeigte sich eine Überlegenheit gegenüber Placebo bei der Behandlung der Schmerz- und Funktionseinschränkungen [29]. Diese Studien [28, 30, 31] sind durchweg Langzeitstudien zwischen 6 Monaten und 3 Jahren über die Behandlung von Patienten mit mildem bis moderatem Schmerz. Die kalkulierte Effektgröße beträgt 0,27 (95 % Konfidenzintervall: 0,12–0,43) für den Schmerz und 0,33 (95 % Konfidenzintervall: 0,17–0,48) für die Funktion [32]. Hierbei handelt es sich in etwa um dieselbe Effektgröße wie sie mit NSAIDs erreicht werden kann [33]. In den ACR-Leitlinien finden sich keine Empfehlungen für Glucosamine, da Glucosamine nicht als verschreibungspflichtige Medikamente in den USA zur erhalten sind, sondern nur unter Nahrungsmittelergänzungspräparaten gelistet sind, welche im Rahmen der FDA nicht getestet werden [2]. Im Rahmen einer vom NIH (National Institute of Health) gesponserten Studie zeigten sich keine positiven Effekte von Glucosaminhydrochlorid [34]. Vergleichbare Ergebnisse
fanden auch andere Studien, die Glucosaminhydrochlorid untersuchten [5, 7]. Dieses Glucosaminhydrochlorid hat offensichtlich eine andere Pharmakokinetik als die in Europa verwendeten Glucosaminsulfat-Präparate, die in einer
Dosierung von 1500 mg/d in Europa empfohlen werden [35]. Die lange Anwendung von Glucosaminsulfat hat eventuell auch einen günstigen Einfluss auf die Knorpelstrukturen [30, 31]. Chondroitinsulfat scheint vergleichbare Effekte hinsichtlich der Gelenkstruktur bei milder bis moderater Arthrose zu haben [36, 37, 38], soweit ein Chondroitin 4&6 Sulfat verwendet wird. Für Chondroitinsulfat ist die Literatur durchaus etwas widersprüchlich [39]. Es gibt hier Effektgrößen hinsichtlich Schmerz in Meta-Analysen, die von 0,3 (0,00–0,27) bis 0,75 (0,50–0,99) reichen [6].

Hochberg et al. [40] verglichen die Effektivität und die Sicherheit einer Therapie von Chondroitinsulfat 400 mg 3x täglich und Glucosaminhydrochlorid 500 mg 3x täglich im Vergleich zu 200 mg Celecoxib täglich für einen Zeitraum von 6 Wochen. Die Studie wurde in Frankreich, Deutschland, Polen und Spanien durchgeführt. Insgesamt wurden 606 Patienten mit einer Kellgren/Lawrence Knie-Arthrose Grad II–III mit moderatem bis starkem Schmerz (WOMAC-Score ? 301) behandelt. Die Patienten wurden randomisiert in die Studie eingeschlossen. Die primäre Zielgröße war der im WOMAC-Score dokumentierte Schmerz im Vergleich zur Baseline nach 6 Monaten. Sekundäre Outcome- Parameter waren WOMAC-Funktion und Steifheit, die VAS für Schmerz, das Vorhandensein von Schwellung oder Gelenkerguss, die Rescue-Medikation sowie die Outcome-Measures in Rheumatology Clinical Trials and Osteoarthritis Research Society International (OMERACT-OARSI)-Kriterien und EuroQuol-5D. Die Ergebnisse zeigten eine Änderung im WOMAC-Schmerzpara-meter von –185 (50,1 %) bei der Chondroitin-Glucosamin-Gruppe und –186,8 (50,2 %) bei der Celecoxib-Gruppe. Die Ergebnisse waren vergleichbar in beiden Gruppen. Die Autoren schlussfolgerten, dass Glucosamin und Chondroitin-Sulfat vergleichbare Effekte zu Celecoxib im Langzeitverlauf von 6 Monaten haben bezüglich Schmerzreduktion, Steifheit, der funktionellen Einschränkung, der Gelenkschwellung und des -ergusses bei Patienten mit Knie-Arthrose.

Die Evidenz von anderen SYSADOAs, wie beispielsweise Avocado Soybean Unsaponifiables (ASU) und Diacerein ist kaum gegeben [41, 42]. Hinsichtlich des Produkts Diacerein hat die EMA (European Medicines Agency) ein Re-Assessment zum Risk-Benefit-Effekt empfohlen [43].

Strontium Ranelate (SR), welches üblicherweise bei der Behandlung von postmenopausaler Osteoporose sowie bei der Osteoporose von Männern eine Anwendung findet, scheint ebenfalls einen Effekt auf den subchondralen Knochen und auf den Gelenkknorpel zu
haben und könnte somit positiv hinsichtlich der Arthroseprogression sein im Sinne eines Disease-Modifying Agents in Osteoarthritis (DIMOAD). Eine placebokontrollierte 3-Jahres-Studie zeigte, dass es eher zu einem Rückgang der radiologischen Progression bei KnieArthrose führt und es gleichzeitig zu einer Verbesserung der Symptome kommt [44]. Das Medikament wurde im Rahmen der Studie gut vertragen. Die EMA hat auf Grund des zutage tretenden vaskulären Risikos im Rahmen der Osteoporose-Behandlung das Medikament jedoch zurückgezogen [45].

Wenn trotz SYSADOAs und Paracetamol klinische Symptome bestehen, können auch topische, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) eine Anwendung haben. Der Effekt der topischen nichtsteroidalen Antirheumatika wurde im Rahmen einer randomisierten Untersuchung im Jahr 2004 evaluiert [46]. Es zeigt sich eine moderate Effektgröße bei der Verbesserung des Schmerzes [7]. Leider ist die Heterogenizität – eventuell auf Grund der unterschiedlichen topischen Produkte – jedoch groß.

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