Übersichtsarbeiten - OUP 05/2015

Nicht-pharmakologisches und pharmakologisches Arthrose-Management unter Berücksichtigung der Versorgungsrealität in Deutschland

Randomisierte Studien zeigen, dass es prinzipiell keinen Unterschied zwischen der topischen Anwendung und der oralen Anwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika kommt. Hierbei zeichnen sich die topischen Anwendungen durch eine höhere gastrointestinale Sicherheit aus, sie gehen jedoch gleichzeitig mit einer höheren Rate an Hautreaktionen einher [47, 48, 49]. Die meisten Studien hatten eine Dauer von weniger als 12 Wochen, was die Anwendung von topischen nichtsteroidalen Antirheumatika somit lediglich als Bedarfs-, jedoch nicht als Dauermedikation klassifiziert. Nur in einer Studie fand sich
eine Anwendung von über einem Jahr. Diese Studie war jedoch nicht randomisiert kontrolliert und auch nicht verblindet [50]. Topische hyperämisierende Präparate mit Salicylatanteil zeigten keinen Effekt im Vergleich zum Pacebo, jedoch eine erhöhte lokale adverse Hautreaktion [51]. Es gibt auch keinen spezifischen Grund, topisches Capsaicin an Stelle von topischen NSAR zu empfehlen [49].

Stufe 2 Fortgeschrittenes medikamentöses Management bei persistierend symtomatischen Patienten

Primär sollten Patienten mit leichtem bis moderatem Schmerz mit der Basistherapie und den Stufe-1-Behandlungsstrategien therapiert werden. Wenn dieses nicht ausreicht oder Patienten mit moderaten und starken Schmerzen vorhanden sind, sollte pharmakologisch zu oralen nichtsteroidalen Antirheumtika gegriffen werden. Wichtig ist hierbei zu bedenken, dass es sich immer nur um kurzfristige Behandlungszyklen handeln soll. Orale, nicht selektive COX-2-Hemmer führen zu einer besseren Schmerzreduktion als Paracetamol [52]. Mit einer Effektgröße für den Schmerz von 0,29 (0,22–0,35) findet sich der doppelte Effekt wie beim Paracetamol [52]. Die Patienten zeigen auch selbst eine höhere Präferenz für NSAIDs im Vergleich zu Paracetamol [53]. Systematische Reviews zeigen keinen klaren Unterschied zwischen Glucosamisulfaten und oralen nichtsteroidalen Antirheumatika für Schmerz und Funktion [49] mit einer höheren Sicherheit für die SYSADOAs [29]. Der eindeutige Vorteil der NSAIDs ist jedoch der raschere Wirkungseintritt. Dennoch sollte man im Gesamtkonzept bedenken, dass die Verwendung von SYSADOAs wahrscheinlich die Notwendigkeit der NSAID-Einnahme reduziert [54]. Systematische
Reviews zeigen keinen deutlichen Unterschied in der Effektivität von selektiven COX-2-Hemmern, teilselektiven oder nichtselektiven nichtsteroidalen Antirheumatika [49]. Die Auswahl des Präparats sollte dementsprechend auf das patientenspezifische Sicherheitsprofil ausgerichtet sein, insbesondere auf die Komorbiditäten, die Komedikation und die allgemeine medizinischen Situation des Patienten.

Bei klinisch relevanten Kontraindikationen für NSAIDs gehört die intraartikuläre Therapie zum Therapie-Management. Die Rolle von intraartikulärer Hyaluronsäureinjektion ist nach wie vor kontrovers, jedoch zeigen die meisten Meta-Analysen einen signifikanten Vorteil [4]. Meta-Analysen zeigen eine Effektgröße von 0,34 (0,22–0,46), was teilweise schwierig zu interpretieren ist, aufgrund der hohen Heterogenität der Studien und insbesondere der verwendeten Präparate. Die intraartikuläre Anwendung von Hyaluronsäure ist relativ sicher, auch wenn es immer wieder Einzelberichte über pseudoseptische Reaktionen gibt. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass die intraartikuläre Hyaluronsäureinjektion eine deutlich länger anhaltende Schmerzkontrolle erlaubt, als die intraartikuläre Glucokortikoidinjektion [55] und sie so durchaus in der Lage ist, einen Gelenkersatz hinauszuzögern [56]. Hinsichtlich der Schmerzreduktion finden sich vergleichbare Effekte wie bei der oralen NSAIDs Anwendung [57]. Die intraartikuläre Hyaluronsäureapplikation stellt durchaus eine gute Alternative zur nicht steroidalen Anwendung dar, insbesondere bei älteren Patienten und bei entsprechenden Risikopatienten. Die intraartikuläre Injektion von Corticosteroiden hat einen raschen Wirkeintritt und eine Wirkdauer von etwa 1–3 Monaten [55, 58]. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die intraartikuläre Corticoidinjektion die Rate von periprothetischen Infektionen erhöht, wenn sie innerhalb weniger Monate vor der Prothesenimplantation erfolgte.

Stufe 3 Letzte pharmakologische Versuche vor der Operation

Falls es gilt, nicht operable Patienten zu behandeln oder Patienten für eine kurze Zeit bis zur Operation zu begleiten, kann die kurzzeitige Anwendung von schwachen Opioiden sinnvoll sein. Der Effekt von Tramadol in der Schmerzreduktion und der Verbesserung der Gelenkfunktion bei der Knie-Arthrose ist gering, aber signifikant [59]. Hierbei gilt jedoch zu bedenken, dass die unerwünschten Wirkungen deutlich höher sind als bei einem Placebo, und somit bei vielen Patienten diese Therapie nicht fortgeführt werden kann [59]. Opioide bei der Behandlung von Arthrosepatienten haben eine signifikante Co-Morbidität und sollten nur in Extremsituationen Anwendungen finden [60]. Die Kombination von Tramadol und Paracetamol scheint effektiv zu sein, wenn dieses mit einem NSAID kombiniert wird, soweit das NSAID alleine keine ausreichende Schmerzreduktion erlaubt [61]. Hierbei gilt es jedoch, wieder an die Nebenwirkungen der Co-Medikation zu denken [62]. Antidepressiva können bei chronischen Schmerzsyndromen die Schmerzneurotransmitter (z.B. Serotonin und Neuroepinephrin) zentral beeinflussen. Hierbei gilt zu bedenken, dass auch eine zentrale Sensibilisierung bei dem chronischen Arthroseschmerzpatienten eine Rolle spielt [63].

Stufe 4 End-Stage: ErkrankungsManagement und Operation

Arthroskopische Verfahren sind ein Bestandteil der arthroskopischen Knorpeltherapie [64]. Im Jahre 2002 wurde die Effektivität der Arthrose im Rahmen der sog. Moseley-Studie sehr in Frage gestellt [65]. In dieser Untersuchung zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Patienten mit einer arthroskopischen Gelenklavage und arthroskopischen Débridement sowie einer sog. Sham-Operation. Es lag eine prospektiv randomisierte Studie vor und die Behandlungsgruppen waren durchaus vergleichbar. Der Nachuntersuchungszeitraum betrug 2 Jahre.

Andere Autoren konnten jedoch durchaus eine schmerzreduzierende Wirkung der Gelenklavage bei Arthrose in einem vergleichbaren prospektiven randomisierten Studiendesign nachweisen. In der Literatur wurde hinsichtlich der Moseley-Studie auch auf gravierende Mängel hingewiesen, was die Validität der Aussagen der Autoren in Frage stellt. Die Arbeit von Ravaud et al. [66] zeigte hier eine deutlich bessere Standardisierung von Patienten und therapeutischem Management auf.

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