Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Operative Eingriffe im Bereich der Hand und des Handgelenks bei rheumatischen Affektionen

Martin Arbogast

Zusammenfassung:
Hit hard and early lautet heute das wesentliche Charakteristikum für die medikamentöse
Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen [7, 9, 11, 12]. Im Zeitalter von Biologika lässt die medikamentöse Vielfalt multiple Variationen zu, um den Erkrankungsprozess zu
verlangsamen oder gar zu stoppen [19]. Deshalb ist es wichtig geworden, bei fehlender
Rückbildung der Prozessaktivität im Sinne einer synovialen Schwellung an Sehnen oder Gelenken frühzeitig die Frage einer operativen Therapie zum Sehnen- oder Gelenkerhalt beantwortet zu
wissen [25]. Durch ein frühzeitiges Interagieren von medikamentöser und operativer Therapie kann für betroffene Rheumatiker langfristig eine schmerzarme und nur wenig funktionsgeminderte Alltagstauglichkeit geschaffen werden – nicht nur bei der Hand. Dabei hat der Sehnen- und Gelenkerhalt nicht nur an der Hand höchste Priorität vor rekonstruktiven operativen Möglichkeiten.

Schlüsselwörter:
Rheumahand, operative Therapie bei Rheuma an der Hand

Zitierweise
Arbogast M: Operative Eingriffe im Bereich der Hand und des Handgelenks bei rheumatischen
Affektionen OUP 2019; 8: 274–283
DOI 10.3238/oup.2019.0274–0283

Summary: Hit hard and early is today the essential characteristic for the medicinal treatment of inflammatory rheumatic diseases [7, 9, 11, 12]. In the age of biologics, drug diversity allows multiple variations in order to slow down or even stop the disease process [19]. Therefore, it has become important to know at an early stage the answer to the question of surgical therapy for tendon or joint preservation in the absence of regression of process activity in the sense of synovial swelling of tendons or joints [25]. Through early interaction of drug and surgical therapy, a low pain and only slightly diminished function everyday suitability can be created for affected rheumatics in the long run – not only for the hand. The maintenance of tendons and joints has the highest priority over reconstructive surgery not only on the hand.

Keywords: rheumatic hand, surgery in rheumatic handdiseases

Citation: Arbogast M: Surgery of the hand and wrist in rheumatic diseases OUP 2019; 8: 274–283
DOI 10.3238/oup.2019.0274–0283

Abteilung für Rheumaorthopädie und Handchirurgie, Zentrum für Rheumatologie, Orthopädie und Schmerztherapie, Klinik Oberammergau

Einleitung

Unter einer „rheumatischen Hand“ versteht man im Hinblick auf operative Behandlungen in erster Linie die Hand eines Patienten mit Rheumatoider Arthritis oder die erkrankte Hand eines Patienten mit einer anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankung (Psoriasisarthritis, Spndylitis ankylopoetica). Der entzündlich-rheumatische Prozess ruft bei diesen Grunderkrankungen an den Händen sehr ähnliche Erscheinungen und Veränderungen hervor, zu deren operativer Behandlung ähnliche oder gleichartige Verfahren eingesetzt werden. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die operative Behandlung der rheumatischen Hand zwar ein wesentlicher, aber nicht der alleinige Bestandteil des antirheumatischen Gesamtkonzeptes ist [9,14,24]. Die operative Behandlung kann nur erfolgreich sein, wenn sie mit den konservativen, physikalischen und medikamentösen Behandlungsmaßnahmen sowie mit den übrigen Eingriffen aus der operativen Rheumatologie abgestimmt ist [15]. Da die operative Behandlung der rheumatischen Hand technisch oft sehr aufwendig und anspruchsvoll ist, die Nachbehandlung häufig langwierig und schwierig und sowohl vom Patienten als auch vom Therapeuten viel Energie, Ausdauer und Geduld verlangt und schließlich das Operationsrisiko nicht unerheblich ist, sollten operative Maßnahmen nie der erste Behandlungsschritt sein, sondern erst dann eingesetzt werden, wenn andere, einfachere, risikoärmere und weniger anspruchsvolle Behandlungsmaßnahmen nicht zum Ziel führen.

Ziele der operativen Behandlung sind

Schmerzlinderung oder -beseitigung,

Verhindern oder Aufhalten der fortschreitenden Zerstörung von Gelenken und Sehnen mit nachfolgender Fehlstellung und Funktionseinschränkung,

Erhalt, Wiederherstellung oder Verbesserung von Form und Funktion.

Art der Operationen

Die Verfahren haben präventiven, kurativen und rekonstruktiven Charakter oder sie weisen gleichzeitig mehrere dieser Merkmale auf.

Der präventiv-kurative Charakter kommt besonders bei der Synovialektomie zum Ausdruck. Durch die frühzeitige und möglichst vollständige Entfernung der krankhaft gewucherten Synovialmembran der Gelenke (Artikulosynovialektomie) oder der Sehenenscheide (Tenosynovialektomie) wird einer Schädigung des Gelenkknorpels und des angrenzenden Knochens und/oder des Band- und Sehnenapparats vorgebeugt [2, 4, 13]. Gleichzeitig werden die Schmerzen gelindert und in vielen Fällen wird die Funktion verbessert.

Je nach angestrebter Funktionsverbesserung können mobilisierende und stabilisierende Eingriffe unterschieden werden. Mobilisierende Eingriffe werden vorwiegend an den Sehnen angewendet. Stabilisierende Maßnahmen werden häufig an den Gelenken (z.B. Arthrodese) durchgeführt. Seltener ist die Kombination von mobilisierender und stabilisierender Funktionsverbesserung (z.B. Arthroplastik).

Die operativen Eingriffe an der rheumatischen Hand betreffen verschiedene Gewebe entweder isoliert oder kombiniert. Dies sind:

Sehnen (Synovialitis, Insuffizienz, Ruptur),

Gelenke (Synovialis, Deformität, Destruktion),

Muskeln (Kontraktur),

Nerven (Kompression),

Haut (Rheumaknoten, Kontrakturen).

Indikationen

Ein handchirurgischer Eingriff ist im allgemeinen indiziert, wenn sich bei frischer Erkrankung nach mehr als halbjähriger konsequenter, konservativer, medikamentöser und physikalischer antirheumatischer Therapie die Entzündungszeichen nicht zurückbilden (Non-Responder, Teil-Responder) oder wenigstens bessern, oder wenn die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten wegen ernster Nebenwirkung eingeschränkt oder erschöpft sind [25].

Eine dringliche Operationsindikation besteht bei akuter Nervenkompression oder drohender Sehnenruptur. Weniger dringlich, aber nicht weniger wichtig ist die Operationsindikation bei chronischer Nervenkompression, älterer Sehnenruptur, therapieresistenter Synovialitis, Dauerschmerzen, Fehlstellung und Instabilität sowie störenden, schmerzhaften oder exulzerierenden Rheumaknoten.

Kontraindikationen

Ein handchirurgischer Eingriff ist nicht indiziert bei schweren kardiopulmonalen Begleiterkrankungen, fehlender Kooperation, guter Adaptation und ruhender Krankheitsaktivität.

Eingriffe an den Sehnen

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