Übersichtsarbeiten - OUP 05/2018

Osteochondrale Läsionen am Talus
Ätiologie, Diagnostik, OP-Technik und LiteraturübersichtEtiology, diagnostics, operative technique and literature overview

Die Bildgebung für eine OCL am Talus beginnt mit stehenden konventionellen Röntgenbildern im anteroposterioren (ap) und seitlichen Strahlengang (Abb. 2). Eine weitere Abklärung des Rückfuß-Alignments kann z.B. mit einem „Hindfoot alignment view“ nach Saltzman [25] erfolgen, ist aber u.E. nach guter klinischer Untersuchung und Interpretation des ap-Röntgenbilds des OSG überflüssig. Oftmals ist die OCL jedoch auf den konventionellen Bildern gerade in den ersten Monaten nach der Verletzung nicht zu erkennen, sodass eine weiterführende Bildgebung notwendig ist. Das MRT hat eine hohe Sensitivität für OCL am Talus, wobei das Ausmaß des perifokalen Bone bruise nicht immer mit den assoziierten Beschwerden korreliert, d.h. auch „ruhige“ (wenig aktive) OCL können relevante Beschwerden hervorrufen (Abb.3). Die CT und SPECT-CT sind weitere diagnostische Optionen. Zur präoperativen Planung kann im CT die tatsächliche Größe und Tiefe der OCL besser als im MRI beurteilt werden.

Sowohl für das konventionelle Röntgenbild als auch für die MRT und CT gibt es eine Stadieneinteilung, die für den klinischen Alltag, den Behandlungs-Algorithmus oder das -Ergebnis jedoch wenig relevant ist.

OP-Technik

Die konservative Therapie ist vornehmlich für akute, undislozierte OCL reserviert. Eine Einigkeit über die optimale konservative Therapie konnte bislang nicht erzielt werden, einige Autoren empfehlen eine Gipsruhigstellung und Entlastung, andere eine geschützte Belastung mit einer Orthese zwischen 3 und 6 Monaten. Gelegentliche MRT-Zufallsbefunde mit (meist „ruhigen“) asymptomatischen OCL am Talus zeigen, dass es offenbar einen Platz für die konservative Therapie gibt. In der eigenen Erfahrung heilen symptomatische OCL jedoch nur selten ohne eine Operation aus.

Für die Auswahl des optimalen Operationsverfahrens sind das Alter des Patienten, die Dauer des Bestehens der OCL, Größe und Lokalisation der OCL sowie der Zustand des Knorpels und des subchondralen Knochens von Bedeutung. Die Notwendigkeit operativer Zusatzschritte wie Bandrepair oder -rekonstruktion und Rückfuß-Realignment ist präoperativ zu evaluieren und mit dem Patienten zu besprechen.

Für eine endgültige Einschätzung der OCL, den Zustand des umgebenden Knorpels, etwaige Bandinstabilitäten und die damit verbundenen Therapieoptionen wird der Knorpel-Operation in der Regel eine OSG-Arthroskopie vorangestellt. Während früher große Inzisionen und Arthrotomien überwiegend mit Malleolar-Osteotomien zur Exposition der OCL erforderlich waren, wird mit der Entwicklung der OSG-Arthroskopie und besseren Expositionsmöglichkeiten ohne Osteotomien die Invasivität immer geringer. Viele Techniken sind heute je nach Lokalisation der OCL und dem Vorliegen von begleitenden Zysten rein arthroskopisch möglich.

Indikationskriterien zur Operation einer OCL am Talus:

Alter 16–60 Jahre

Knorpeldefekte Grad III–IV nach ICRS-Klassifikation mit subchondraler Ausdehnung

stabiler umgebender Knorpel und Knochen

intakte korrespondierende Gelenkfläche (keine Kissing lesion).

Primäre Fixation akuter OCL

Akute OCL mit noch anhaftenden Knochen können mit guten Ergebnissen v.a. im Kindes- und Jugendalter direkt fixiert werden (Abb. 4a–c). Bei rein chondralen Fragmenten ist die Versagerquote deutlich höher, sodass eine Resektion je nach Begleitumständen auch die bessere Option sein kann. Die frühzeitige Operation ist dabei offenbar entscheidend für den Operationserfolg. Die stabile Fixation der OCL kann sowohl arthroskopisch als auch via Mini-Arthrotomie mit bioabsorbierbaren Pins, Nägeln und Schrauben ausgeführt werden.

Eine Übersichtsarbeit weist eine durchschnittliche Erfolgsrate von 73 % (zwischen 40–100 %) nach primärer Fixation aus [30]. In einer Fallserie wurden 8 akute „upside-down“ OCL innerhalb von 2 Wochen erfolgreich refixiert, 2 weitere wegen zeitlicher Verzögerung exzidiert [6].

Gelenkspülung und Débridement

Arthroskopische Spülung und Débridement reduzieren inflammatorische Zytokine, entfernen freie Gelenkkörper und somit die mechanischen Ursachen der Beschwerden aus dem Gelenk. Die Technik ist für kleine (< 50 mm2 ), chronische und symptomatische OCL empfohlen. Eine ausschließliche Spülung hat einen nur vorübergehenden Effekt. Die bereits oben erwähnte Übersichtsarbeit [30] zeigt, dass die Exzision allein eine Erfolgsrate von durchschnittlich 38 % (30–100 %), aber in Kombination mit einer Kürettage von 76 % (53–100 %) erreicht.

Knochenmark-stimulierende Anbohrung und Microfracturing

Antegrade Anbohrung und Microfracturing waren traditionell bei chronischen (> 2 Monate) OCL mit instabiler Knorpeloberfläche und bis zu einer Größe von 1,5 cm2 bzw. Zysten bis zu einer Größe/Tiefe von 7 mm indiziert [9]. In einem kürzlich erschienenen Konsensus-Artikel der Gesellschaft für Knorpeltherapie des Talus wurde die Indikation der Anbohrung/Microfracturing für eine Größe der OCL vom 10 mm oder weniger festgelegt [33].

Der instabile Knorpel wird dabei entfernt, ein Wiedereinheilen – mit welcher Fixationstechnik auch immer – ist aussichtslos. Diese Techniken stimulieren Knorpel-Progenitorzellen im Knochenmark des Talus (Stammzellen). Diese Stammzellen füllen den OCL-Defekt mit einem Fibrin-clot, woraus sich später eine fibrocartilaginäre Matrix aus Chondroblasten, Chondrozyten, Fibrozyten und unorganisierter Matrix mit hauptsächlich Typ-II-Kollagen entwickelt. Der resultierende Faserknorpel schützt zwar die talare Oberfläche vor starker Belastung, ist aber bei Weitem nicht so widerstandfähig wie der ursprüngliche hyaline Knorpel.

In diversen Publikationen reichen die guten und exzellenten Ergebnisse nach reiner Anbohrung von 28–95 % [8, 20, 27]. Ferkel et al. [8] veröffentlichten 72 % gute und exzellente Ergebnisse im AOFAS-Score (84 von 136 Patienten) nach einem durchschnittlich postoperativen Beobachtungszeitraum von 6 Jahren.

Das Microfracturing zeigt der Anbohrung vergleichbare Ergebnisse [28]. Eine Vergleichsstudie von Chondroplastik, Microfracturing und OATS (autologous osteochondral transfer system) zur OCL-Therapie ergab keine relevanten Unterschiede im klinischen Ergebnis zwischen den Gruppen nach 2 Jahren [11].

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