Übersichtsarbeiten - OUP 05/2018

Osteochondrale Läsionen am Talus
Ätiologie, Diagnostik, OP-Technik und LiteraturübersichtEtiology, diagnostics, operative technique and literature overview

Die retrograde Anbohrung ist für OCL geeignet, bei denen der Knorpelüberzug noch intakt ist. Oftmals ist es jedoch schwierig, die OCL mit oder ohne darunter liegender Zyste intraoperativ mittels Durchleuchtung zu lokalisieren, zumindest ohne den Knorpel doch noch zu verletzen. Eine gute präoperative Bildgebung zur intraoperativen Lokalisation ist daher unerlässlich. Angebohrte Zysten werden mit autologer Spongiosa oder Knochenersatz aufgefüllt.

Die Nano-Frakturierung kann als Weiterentwicklung der Mikrofraktur betrachtet werden [3]. Die Stabilität der subchondralen Platte wird bei der Nano-Frakturierung durch den Einsatz von schmaleren und kontrollierten Perforationen erhalten. Gleichmäßig tiefe Perforationen sorgen dafür, dass die stammzellreicheren Schichten erreicht werden. Anstelle des Bohrers oder der Ahle wird eine flexible, im Durchmesser 1 mm messende Nadel über eine kanülierte Ahle zur Perforation der subchondralen Platte verwendet. Auch mit einem 1,5-mm-Bohrer können die ca. 9 mm tiefen und ähnlich schmalen Löcher angelegt werden. Wir sehen den Vorteil der Bohrungen darin, dass die spongiösen Ränder der Löcher nicht verdichtet werden, sondern das Bohrmehl zur Oberfläche abtransportiert wird.

In den letzten Jahren wird der Anbohrung bzw. dem Microfracturing unterschiedliche biologische Unterstützung zur Seite gestellt. Diese Unterstützung umfasst Hyaluronsäure, Ultraschall zur Knochenmarkstimulation, Platelet-rich-Plasma, autologe pluripotente Stammzellen, Zellträger (Matrix), Wachstumsfaktoren und Zytokin-Modulation. Die bisherigen Ergebnisse aus Tierversuchen sind vielversprechend, die klinische Evidenz jedoch noch nicht ausreichend, um relevante Unterschiede herauszuarbeiten.

Die autologe Matrix-induzierte Chondrozytogenese (AMIC) ist ein neuartiges Verfahren zur Behandlung chondraler sowie osteochondraler Defekte (Abb. 5a–c). Wie bei der Mikrofrakturierung ist ein Durchbrechen der Grenzlamelle und des sklerotischen subchondralen Knochens notwendig. Bei OCL erfolgt im Anschluss an das Débridement des Fragments ein Aufbau des subchondralen Knochens mittels autologer Spongiosa. Die Spongiosa kann aus der distalen Tibia, der proximalen Tibia oder aus dem Beckenkamm entnommen werden. Die Dichte pluripotenter mesenchymaler Stammzellen ist in der Beckenkammspongiosa höher, der Zugang aber aufwendiger. Der Defekt wird durch eine Matrix (Geistlich Pharma, Schweiz) verschlossen, welche ein Mikromilieu zur Bildung von Ersatzknorpel entstehen lässt. Die Methode erfreut sich gerade in Mitteleuropa immer größerer Beliebtheit, da sie einzeitig und vergleichsweise preiswert ist und immer mehr Evidenz für eine hohe Erfolgsrate inzwischen auch bei mittelfristigen 5-Jahres-Ergebnissen vorliegt [12, 19, 29, 31].

Die eigenen Erfahrungen aus 35 prospektiv verfolgten Fällen bestätigen eine signifikante klinische Verbesserung im AOFAS-, FFI- und VAS-Schmerz-Score in der 2– und 5-Jahres-Kontrolle (n = 35, resp. N = 5). Eine Malleolar-Osteotomie war dabei in 8 Fällen notwendig (23 %), eine Korrektur des Rückfuß-Alignment in 15 (42 %) und Bandrepair/-rekonstruktion in 10 Fällen (33 %).

Knorpel-Ersatzplastik

Wie die AMIC sind die Knorpel-Ersatzplastiken für große, chronische Defekte bestimmt. Der ideale Patient ist zwischen 15 und 55 Jahren alt und weist keine Arthrose, Bandinstabilität oder Rückfuß-Malalignement auf. Kissing lesions, also kombinierte tibiale und talare OCL, sind relative Kontraindikationen.

Mosaikplastik und OATS sind osteochondrale Autografts, die typischerweise vom Knie entnommen und via Arthrotomie in den Knorpeldefekt am Talus eingesetzt werden. Sie sind für große, chronische OCL am Talus vorgesehen, technisch relativ aufwendig und haben den Nachteil der Entnahme-Morbidität.

Mehrere Autoren berichten über vorwiegend gute und exzellente Ergebnisse. In der Studie von Hangody [15] wurden für die arthroskopische Mosaikplastiken für Defekte bis 10 mm diese Zufriedenheit in 94 % ohne relevante Entnahmemorbidität erreicht. Hingegen fanden Paul et al. [22] schwere Kniegelenk-Beschwerden bei 2 und leichte Beschwerden bei 11 von 112 Patienten 2 Jahre nach OATS. Die Kombination von OATS mit Knochenmark-Aspirat soll die Inkorporation des Knorpel-Knochen-Zylinders unterstützen [16].

Osteochondrale Allografts eignen sich für große, chronische OCL; sie müssen innerhalb von 24 Stunden vom verstorbenen Spender entnommen werden, um das Überleben möglichst vieler Chondrozyten zu sichern. Dann können sie bis 21 Tage bei 4 °C gelagert werden. Für diese Technik gibt es am Talus bislang wenig Evidenz, Gross et al. [13] berichteten über 6 von 9 Allografts, die auch nach durchschnittlich 11 Jahren noch nicht zur Arthrodese konvertiert werden mussten. Kim et al. [17] beobachteten gute und exzellente Resultate in 4 von 7 Allografts nach durchschnittlich 10 Jahren. Hingegen sahen Raikin et al. [24] radiologisch einen Kollaps oder eine Resorption des Allografts in 10 Fällen (67 %) und eine Gelenkspaltverminderung über dem Graft in neun Fällen (60 %). Nach 4 Jahren Nachbetreuung fanden Haene et al. [14] lediglich in 10 von 17 Fällen gute und exzellente Resultate.

Für die autologe Chondrozyten-Implantation (ACI) werden 200–300 mg autologe Chondrozyten ebenfalls vom Knie entnommen. Die Zellen werden dann in vitro 2–5 Wochen angezüchtet, bevor sie via Arthrotomie in den Talusdefekt implantiert werden. Zum Schutz wird die Zellsuspension mit Fibrinkleber und einem Periostlappen, der an den umgebenden Knorpel genäht wird, versiegelt. Große subchondrale Zysten werden zunächst mit Spongiosa aufgefüllt und die Zellsuspension anschließend zwischen 2 Periostlappen (Sandwich-Technik) deponiert. ACI produziert vorwiegend hyalinen Knorpel.

Die Indikation ist für große, chronische OCL gegeben. Nachteile der eher teuren ACI sind wiederum die Entnahmemorbidität und die notwendige 2. Operation.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5