Übersichtsarbeiten - OUP 05/2013

Periprothetische Femurfrakturen – Inzidenz, Risikofaktoren, Klassifikation und Therapiestrategien

Operationstechnik

Bei der Versorgung von periprothetischen Femurfrakturen können die konventionell offene, die mini-offene und die minimal-invasive Technik unterschieden werden. Die weniger invasiven Techniken haben den Vorteil gegenüber dem konventionellen Verfahren, eine Minimierung des Weichteilschadens ohne Kompromisse bei der Frakturreposition zu ermöglichen. Bei der mini-offenen Technik, die bei 2-fragmentären Spiralfrakturen angewendet werden kann, erfolgt zunächst ein kleiner Hautschnitt über der Frakturregion und eine direkte Frakturrepositionierung (Abb. 3). Diese wird mittels Cerclagen oder ggf. auch Zugschrauben gesichert [35]. Anschließend erfolgt die Plattenosteosynthese, wobei die diaphysären Schrauben perkutan eingebracht werden. Alle anderen Frakturen (z.B. kurze Querfrakturen oder Mehrfragmentfrakturen) können in der minimal-invasiven Technik operiert werden (Abb. 5). Hierbei erfolgt zunächst die Reposition indirekt bzw. geschlossen durch Ligamentotaxis, bevor die Platte eingeschoben wird. Gelingt die Reposition nicht, kann auch durch Heranziehen der Fragmente an die Platte mittels Zugschrauben reponiert werden.

Unabhängig von der Technik sollte versucht werden, ca. 4–5 Schrauben (8–10 Kortikalis) in die Diaphyse zu setzen. Auch im metaphysären (prothesesnnahen) Bereich sollten idealerweise möglichst 4–5 Schrauben platziert werden. Gelingt dies nicht (insbesondere bei monoaxial winkelstabilen Systemen) ist die zusätzliche Verwendung von Cerclagen oder „Locking-attachement“-Platten zu erwägen.

Typ-B2-Frakturen

Ist die Prothese trotz gutem Knochenstock gelockert (Typ B2), sollte die Prothese entfernt und eine modulare Langschaftprothese implantiert werden. Zu bedenken ist hierbei, dass der Eingriff gegenüber der Primärimplantation einen deutlich höheren Umfang aufweist. Häufig muss dabei auch der Zugangsweg deutlich erweitert werden. Bei aller Dringlichkeit des Eingriffes sind somit eine adäquate Vorbereitung der Patienten und eine gute perioperative Überwachung essenziell.

Der Prothesenstiel der modularen Prothese sollte distal der Fraktur über eine Strecke von ca. 4 cm im Isthmus des Femurs verankert werden (Abb. 4). Idealerweise besitzt der Prothesenstiel ein spezielles Oberflächendesign (z.B. scharfe Finnen) um eine Rotationsstabilität zu erreichen. Vor Implantation des Prothesenstiels sollte eine Cerclage unter der Fraktur/Perforation angebracht werden um einer Erweiterung der Fraktur entgegenzuwirken.

Die Implantation erfolgt prinzipiell zementfrei, da eine Zementierung zu schlechteren Ergebnissen führt [2, 39].

Typ-B3-Frakturen

Problematischer ist eine Situation mit gelockerter Prothese und gleichzeitig schlechter Knochenqualität im Prothesenbereich (Typ B3). Grundsätzlich unterscheidet sich die Technik zum Vorgehen bei Typ-B2-Frakturen nicht. In manchen Fällen können bei großem ossären Substanzverlust auch Revisions- oder Tumorprothesen verwendet werden. Unabhängig vom Prothesentyp bleibt jedoch das Problem in der Fixierung der Prothese bestehen. Gelegentlich ist aufgrund schlechter Verankerungsmöglichkeit in der Diaphyse eine zusätzliche Verriegelung oder gar distale Zementierung notwendig.

Bei großflächig erhaltener Kortikalis und gleichzeitigem Kniegelenksersatz kann in einigen Fällen auch ein intramedullärer Femurersatz (Durchsteckprothese) in Erwägung gezogen werden [45]. Bei großen Knochendefekten können zudem autologe Spongiosa, Wachstumsfaktoren und verschiedene Allografts verwendet werden [41].

Typ-C-Frakturen

Diese Frakturen werden unabhängig von der Prothese wie Typ-B1-Frakturen behandelt. Bei der Fixierung ist darauf zu achten, dass die Platte die Prothese nach proximal überlappt, um einen “stress raiser“ in der Region zwischen Prothesen- und proximalem Plattenende zu vermeiden (Abb. 5).

Retrograde Nägel sollten nicht zur Versorgung dieser Frakturen verwendet werden, da zwischen Prothesenspitze und dem proximalen Ende des Marknagels eine Sollbruchstelle entsteht [15].

Femurfrakturen
bei Knieprothesen

Für die Therapieentscheidung bei der Versorgung periprothetischer Frakturen bei einliegender Knieprothese kann die Roraback-Klassifikation zugrunde gelegt werden (Abb. 2).

Rorabeck-I- und -II-Frakturen

Diese Frakturen sollten osteosynthetisch versorgt werden. In Frage kommen retrograde Marknagel- oder Plattenosteosynthesen. Nur in Ausnahmefällen bei sehr distal gelegenen Frakturen und Trümmerfrakturen sollte ein Wechsel der Prothese erwogen werden [27]. Während Marknägel nicht-winkelstabilen Platten überlegen waren [14], scheinen winkelstabile Platten den Marknägeln gleichwertig zu sein [17]. Bei Marknagelosteosynthesen ist es jedoch notwendig, dass die eingebaute Prothese einen Eintritt des Nagels zwischen den Femurkondylen zulässt. Bei Prothesen mit einer geschlossenen femoralen Box oder einem femoralen Stiel ist eine Nagelosteosynthese daher nicht möglich.

Plattenosteosynthese

Die Implantationstechniken der Platten entsprechen denen bei periprothetischer Fraktur mit einliegender Hüft-TEP. Bei 2-fragmentären Spiralfrakturen kann eine direkte Frakturreposition in der mini-offenen Technik mit primärer Fixation durch Drahtcerclagen und anschließender Plattenosteosynthese erfolgen. Alle übrigen Frakturen werden vorzugsweise in der minimal-invasiven Technik mit indirekter Frakturreposition und anschließender Plattenosteosynthese versorgt (Abb. 6).

Marknagelosteosynthese

Falls die oben genannten Voraussetzungen für die Implantation eines retrograden Marknagels erfüllt sind, kann dieser minimal-invasiv oder mini-offen eingebracht werden. Um eine ausreichende proximale Verankerung zu erreichen, ist es wichtig, dass der Nagel proximal über den Isthmus des Femurs reicht. Distal kann eine winkelstabile Verriegelung (z.B. mit twisted plate eines DFN ((=Distal Femoral Nail)), Synthes, Umkirch, Deutschland) die Stabilität erhöhen.

Rorabeck-III-Frakturen

Bei diesen Frakturen wird ein Wechsel der Prothese empfohlen. Zumeist ist die Implantation einer geführten und langstieligen Prothese notwendig, um eine ausreichende Stabilität zu erreichen [22]. Bei größeren Defekten kommen Spongiosaplastiken und/oder Wachstumsfaktoren zum Einsatz. Manchmal ist auch ein distaler Femurersatz notwendig.

Interprothetische Frakturen

Frakturen zwischen 2 festen Prothesen können mittels Plattenosteosynthese behandelt werden. Diese sollte sich bis über die Stiele der Prothesen erstrecken, falls solche vorhanden sind [26]. Ist eine Komponente gelockert, sollte diese analog zur Behandlung bei alleiniger Knie- oder Hüftprothese ersetzt werden. Dabei können allerdings Schwierigkeiten auftreten. So können bei einliegender Knie-TEP mit femoralen Stiel nicht beliebig lange Hüftprothesen implantiert werden, sodass zusätzlich eine Plattenosteosynthese notwendig sein kann [31]. In besonderen Fällen, z.B. wenn beide Prothesen gelockert sind, kann auch ein totaler Femurersatz notwendig sein.

Periosteosynthetische
Frakturen

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