Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Revisionsendoprothetik der aseptisch gelockerten Hüftpfanne
Wie kommen wir zu guten Ergebnissen?

Olaf Rolf, Christof Paul Rader

Zusammenfassung:
Die Standzeiten von Hüftendoprothesen sind nicht unwesentlich durch aseptische Lockerungen der Pfannenkomponente limitiert. Revisionsoperationen am Hüftgelenk müssen sorgfältig geplant werden. Um das postoperative Ergebnis zu optimieren, sollten sowohl Patient als auch Operateur optimal vorbereitet sein. Unter Berücksichtigung der Versagensursachen werden die präoperative Diagnostik (Klinik und Bildgebung) und die Planung der Operation umfassend und checklistenartig dargestellt. Entsprechend der Knochendefektsituation werden Versorgungsmöglichkeiten aufgezeigt und Tipps und Tricks für die praktische Durchführung und Vermeidung von Komplikationen gegeben.

Schlüsselwörter:
Revisionsendoprothetik, aseptische Pfannenlockerung, Knochenverlust Hüftpfanne, Rekonstruktion

Zitierweise:
Rolf O, Rader CP: Revisionsendoprothetik der aseptisch gelockerten Hüftpfanne. Wie kommen wir zu guten Ergebnissen?
OUP 2021; 10: 64–69
DOI 10.3238/oup.2021.0064–0069

Summary: The survival rate of hip arthroplasties is substantially limited by aseptic loosening of acetabular components. Revision total hip arthroplasty has to be planned carefully. To optimize the surgical outcome, patient and orthopaedic surgeon have to be prepared in the best way. In consideration of reasons for failure, the pre-operative patient evaluation (clinical and radiographic) and pre-operative planning are presented. Corresponding to acetabular bone loss methods of acetabular reconstruction are demonstrated. Tips and tricks will be given to improve performance and avoid complications.

Keywords: Revision hip arthroplasty, Aseptic loosening acetabular component, Acetabular bone loss, Reconstruction

Citation: Rolf O, Rader CP: Acetabular reconstruction in revision total hip arthroplasty. How to achieve good results?
OUP 2021; 10: 64–69. DOI 10.3238/oup.2021.0064–0069

Olaf Rolf: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Niels-Stensen-Kliniken, Franziskus-Hospital Harderberg, Georgsmarienhütte

Christof P. Rader: Sektion Gelenkchirurgie, UKA Aachen, Standort Franziskushospital Aachen

Einleitung

Mittlerweile betragen die 10-Jahres-Überlebensraten nach primärer Hüftendoprothese mehr als 96 % [14]. Die Standzeiten scheinen dabei laut Registerdaten doppelt so häufig durch das Versagen der Pfannen- als der Schaftkomponente limitiert zu sein.

Versagensursache

Lange Zeit waren Abriebpartikel der Grund für periprothetische Entzündungsreaktionen mit nachfolgenden Osteolysen, Lysesäumen und Lockerungen der Prothesenkomponenten. Mittlerweile sind die Gleitpaarungen durch hochvernetzte „cross-linked“-Polyethylene und moderne Sterilisationsmethoden (Sterilisation mit Radikalfänger, z.B. Vitamin E, Vakuumsterilisation) optimiert und die „über 50-jährige Suche nach einem geeigneten Material für Implantat und Gelenkartikulationen in der Hüftendoprothetik scheint beendet“ [11, 16].

Gründe für die Revision von Hüftpfannen sind Instabilitäten (33,0 %), mechanische Lockerungen (24,2 %), ein Implantversagen, auch durch fehlplatzierte Komponenten (10,8 %), periprothetische Osteolysen (8,1 %), ein Abrieb der Gleitpaarung (8,0 %), Infektionen (4,7 %) und periprothetische Frakturen (1,8 %) [4, 8]. Durch Hart-Hart-Gleitpaarungen (Metall/Metall, Keramik/Keramik) können z.B. „Quietschgeräusche“, Pseudotumoren, Frakturen oder andere toxische Wirkungen verursacht werden.

Um das Ergebnis einer Hüftrevision zu optimieren, ist es erforderlich, sowohl den Allgemeinzustand des Patienten mit all seinen Vorerkrankungen (z.B. Osteoporose, Muskelkraft, geistige und muskuläre Koordination) als auch rein lokale Faktoren der Hüftregion und des Hüftimplantates im Blick zu haben. Daher ist eine sorgfältige präoperative Analyse der „Schadenssituation“ unumgänglich.

Dazu sollten zunächst folgende Punkte betrachtet und analysiert werden:

  • a) Anamnese und klinisches Erscheinungsbild
  • b) Klinische Untersuchung
  • c) Labordiagnostik
  • d) Bildgebende Diagnostik

a) Anamnese und klinisches
Erscheinungsbild

Wann und aus welchen Gründen wurde die Primär-Implantation bzw. die letzte Wechseloperation durchgeführt? Falls bereits mehrfache Voroperationen durchgeführt worden sind, sollten nach Möglichkeit alle Vorberichte angefordert und nach Besonderheiten geforscht werden. Liegen mechanische Versagensmechanismen vor oder ist evtl. ein Low-grade-Infekt Ursache für multiple Wechseloperationen?

Gab es in der Vorgeschichte einen Unfall oder Sturz? Welche Begleiterkrankungen liegen vor, welche (Dauer-)Medikation wird eingenommen? Wie ist der Allgemeinzustand des Patienten?

Ein Frühversagen innerhalb von 2 Jahren nach Primärimplantation einer Hüftpfanne lässt sich häufig auf eine unzureichende Verankerung zurückführen, z.B. durch eine unterdimensionierte Press-Fit-Pfanne, die sich im Acetabulum verdreht.

Aseptische Lockerungen treten in der Regel erst nach einer Standzeit von mehr als 2 Jahren auf. Nach einem beschwerdefreien oder -armen Intervall sind nicht selten zunehmende Leistenschmerzen, begleitend von einem hinkenden Gangbild oder einer reduzierten Gehstrecke, zu beobachten. Lokalisierte Schmerzen bei Pfannenlockerung finden sich in der Leiste, aber auch seitlich oder dorsal am Gesäß. Gelegentlich wird auch ein Trauma oder eine Distorsion als beschwerdeauslösendes Moment genannt. Im Verlauf kann es zu einer Einschränkung der Beweglichkeit kommen, so dass Alltagsaktivitäten wie z.B. Treppe steigen deutlich erschwert sind. In späteren Stadien können auch Nacht- und Ruheschmerzen auftreten. Stark gelockerte Prothesen bergen Gefahr von periprothetischen Frakturen, besonders wenn sich der Knochen durch periprothetische Osteolysen zurückgezogen hat.

b) Klinische Untersuchung

Zur präoperativen Untersuchung gehört eine Analyse des Gangbildes. Zeigt sich ein Trendelenburgsches-Hinken bei Glutealinsuffizienz und lässt sich dieses nicht auf die Schmerzsituation oder eine muskuläre Kontraktur zurückführen, sollte eine weitere neurologische Untersuchung veranlasst werden. Hier sollten differentialdiagnostisch Läsionen des N. glutaeus superior, des Plexus oder Bandscheibenvorfälle betrachtet werden.

Zur klinischen Untersuchung der Hüftregion gehören Inspektion und Palpation: Welcher Zugang wurde primär gewählt: dorsal, lateral, ventrolateral? Wie sieht die Narbe aus? Gibt es eine Fistel? Sind Einziehungen vorhanden, die auf Muskelinsuffizienzen oder -atrophien hindeuten? Gibt es Faszienlücken der Fascia lata, zeigt sich eine schnappende Hüfte? Liegt eine Serombildung vor (Ultraschalluntersuchung)? Lokalisiert sich der Schmerz auf die Hüfte oder die Trochanterregion (DD: Bursitis trochanterica, vergrößertes Offset der Prothese, Ossifikationen)?

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