Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Revisionsendoprothetik der aseptisch gelockerten Hüftpfanne
Wie kommen wir zu guten Ergebnissen?

Obwohl es keine eindeutigen klinischen Zeichen für eine Prothesenlockerung gibt, kann eine sorgfältige körperliche Untersuchung wichtige Hinweise liefern: Rüttel- und Stauchungsschmerzen können auf eine Lockerung der Prothese hinweisen, Leistenschmerzen mehr auf eine Pfannenlockerung, proximale Oberschenkelbeschwerden oder Rotationsschmerzen eher auf eine Schaftlockerung. Schmerzen bei maximaler Beugung in der Hüfte und Innenrotation können auf ein schmerzhaftes Impingement mit Lockerung einer Prothesenkomponente hinweisen.

Differentialdiagnostisch sollten Rückenleiden (Facettensyndrom, ISG-Dysfunktion, Spinalkanalstenose, Bandscheibenvorfall usw. handelt), Veränderungen der Leistenregion (Hernie) oder andere seltene Erkrankungen (Gefäßverschlüsse, Neuropathien, Tumor) ausgeschlossen werden.

c) Labordiagnostik

Das kleine Blutbild, C-reaktive Protein und eine Gelenkpunktion stellen die wichtigsten Maßnahmen dar, um eine septische von einer aseptischen Prothesenlockerung zu unterscheiden. Liegt der begründete Verdacht einer septischen Prothesenlockerung vor und zeigt sich keine Fistel über dem Gelenk (Eine Fistel ist ein sicheres Zeichen für eine periprothetische Infektion!), sollte im Vorfeld eine Punktion mit synovialer Zellanalyse durchgeführt werden: Leukozytenzahlen über 2000/µl und ein Anteil von 70 % und mehr an neutrophilen Granulozyten sind für eine periprothetische Infektion wegweisend [23].

In unklaren Fällen können periprothetische Gewebeproben z.B. durch eine Gewebepunktion entnommen werden, um noch sicherer eine Keimgewinnung und eine histologische Einordnung der Befunde zu erreichen [15].

Weiterhin erlauben aus dem Gelenkpunktat gewonnene Biomarker eine Unterscheidung zwischen aseptischer und septischer Lockerung: Villa et al (2020) empfiehlt in einem Übersichtsartikel die Verwendung von Alpha-Defensin [24]; nach Gerke et al. 2018 ergibt sich eine Sensitivität von Alpha-Defensin von 92.1 %, bei einer Gesamtgenauigkeit von 96.9 % [9].

d) Bildgebende Diagnostik

Bei Verdacht auf Prothesenlockerung sollte in jedem Fall ein natives Röntgenbild des Gelenkes in 2 Ebenen, also eine Beckenübersichts- und Lauenstein-Aufnahme, angefertigt werden. Additiv können Ala- und Obturator-Aufnahmen angefertigt werden [12]. Hilfreich sind in jedem Fall Bilder im Verlauf. Falls vorhanden, können die Röntgenbilder unmittelbar nach Implantation des Gelenkes zum Vergleich herangezogen werden. So werden Veränderungen wie Verkippung, Wanderungen oder Lockerungen der Implantate gut erkennbar. Als Kriterien gelten die unten genannten direkten und indirekten Zeichen.

Folgende radiologische Kriterien sind zu beachten, die auf eine Lockerung hinweisen [22]. Am besten können diese Zeichen im normalen Röntgen, ggf. unterstützt durch die Vorbilder und/oder in der Computertomographie festgestellt werden. Der Einsatz einer 3D-CT-Rekonstruktion kann helfen, sich einen Überblick über die Defektklassifikation zu verschaffen.

Direkte Zeichen:

periprothetische Fraktur

Zementfraktur

Implantatbruch, ggf. Bruch von Schrauben

Implantatwanderung mehr als 0,5 cm axial und/oder deutliche valgische/varische Achsveränderungen

Indirekte Zeichen:

breite Lysesäume oder größere Osteolysen, um die Implantate oder im Interface Knochen/Zement

umlaufende Lysesäume mit sklerosierendem Halo, manchmal nur im CT zu erkennen

erheblicher Abrieb an den Gleitpartnern z.B. einseitiger, kranialer Abrieb des Inlays

Die Dreiphasenskelettszintigraphie kann zusätzlich Informationen hinsichtlich einer Lockerung liefern. Anreicherungen in der Frühphase weisen auf eine Infektion hin. Insbesondere bei zementfreier Verankerungstechnik können Anreicherungen in der Spätphase allerdings auch noch 1–2 Jahre nach der Primäroperation auftreten, ohne dass eine aseptische Lockerung vorliegt [6]. Auch Low grade Infekte können positive Befunde in der Szintigraphie hervorrufen. Spätphasenanreicherungen zeigten in einer Studie von Claasen et al. 2014 eine Sensitivität von 76 % und Spezifität von 83 % [5]. Umgekehrt ist im negativen Fall eine Lockerung sehr unwahrscheinlich. In der diagnostischen Wertigkeit sollte dieses unspezifische Verfahren nicht überschätzt werden.

Cave: Die Dreiphasenskelettszintigraphie ist hinsichtlich einer aseptischen Lockerung erst nach frühestens 1,5–2,5 Jahren postoperativ verwertbar! Innerhalb der ersten Jahre nach Endoprothesenimplantation ist mit falsch positiven Ergebnissen zu rechnen!

Eine MRT-Untersuchung der Hüftregion hat keine Bedeutung zur Sicherung einer Prothesenlockerung. Eine Untersuchung mit Artefaktunterdrückung kann jedoch sehr hilfreich sein, um im Vorfeld die Intaktheit der Abspreizmuskulatur und das Ausmaß der fettigen Muskelatrophie zu beurteilen [13, 20]. So kann dem Patienten realistisch aufgezeigt werden, ob eine Verbesserung der Muskelkraft zu erwarten ist oder ob evtl. irreversible Schädigungen vorliegen. Dementsprechend sollte eine realistische Erwartungshaltung hinsichtlich eines postoperativen Hinkens vermittelt werden.

Nur wenige der oben genannten Methoden können einzeln eine Lockerung eindeutig beweisen. Deshalb kann es im klinischen Alltag bzw. intraoperativ vorkommen, dass eine vermeintlich feste Prothese gelockert ist oder umgekehrt.

Nach sorgfältiger Analyse der „Schadenssituation“ und der Ursache der Pfannenlockerung ist eine strukturierte Planung des Pfannenwechsels zu empfehlen. Um das Ergebnis zu optimieren, sollten folgende Punkte bedacht werden:

  • e) Zugangsweg: Welcher Zugang wurde gewählt, wie ist der Status der Weichteile?
  • f) Materialcheckliste: Welche Implantate sind derzeit verbaut, welche Instrumente und Implantate sind für den Pfannenwechsel notwendig?
  • g) Knochendefektanalyse, welches Implantat kann noch verankert werden?

e) Zugang bei der Revisionschirurgie der Hüftpfanne

Um Weichteile und Muskel-/ Sehnenansätze möglichst zu schonen, sollte bei der Revisionschirurgie nach Möglichkeit der primäre Zugang erneut verwendet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Chirurg mit dem Zugang vertraut ist und sämtliche Erweiterungsmöglichkeiten beherrscht. Sollte dies nicht der Fall sein und wird ein weiterer Zugang gewählt, sollten die Weichteile und insbesondere der M. gluteus medius möglichst geschont werden.

Prinzipiell bieten anterolaterale und dorsolaterale Zugänge die besten Optionen zur Pfannen- und Schaftrevision. Bei alleinigen Pfannenrevisionen sind auch ventrale Zugänge problemlos möglich.

Wird z.B. anstelle eines primär dorsolateralem Zugangs bei der Revision ein streng lateraler Zugang gewählt, sollte die Hautbrücke mindestens 5 cm betragen, um keine Hautnekrose hervorzurufen. Ein Watson-Jones-Zugang ist zur Pfannenrevision deutlich besser geeignet als ein streng lateraler Bauer-Zugang, da der Glutaeus medius weitgehend geschont und nicht gespalten wird [1]. Beide Zugänge ermöglichen zudem eine leichte Erweiterung zum Schaft.

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