Übersichtsarbeiten - OUP 02/2021

Revisionsendoprothetik der aseptisch gelockerten Hüftpfanne
Wie kommen wir zu guten Ergebnissen?

Olaf Rolf, Christof Paul Rader

Zusammenfassung:
Die Standzeiten von Hüftendoprothesen sind nicht unwesentlich durch aseptische Lockerungen der Pfannenkomponente limitiert. Revisionsoperationen am Hüftgelenk müssen sorgfältig geplant werden. Um das postoperative Ergebnis zu optimieren, sollten sowohl Patient als auch Operateur optimal vorbereitet sein. Unter Berücksichtigung der Versagensursachen werden die präoperative Diagnostik (Klinik und Bildgebung) und die Planung der Operation umfassend und checklistenartig dargestellt. Entsprechend der Knochendefektsituation werden Versorgungsmöglichkeiten aufgezeigt und Tipps und Tricks für die praktische Durchführung und Vermeidung von Komplikationen gegeben.

Schlüsselwörter:
Revisionsendoprothetik, aseptische Pfannenlockerung, Knochenverlust Hüftpfanne, Rekonstruktion

Zitierweise:
Rolf O, Rader CP: Revisionsendoprothetik der aseptisch gelockerten Hüftpfanne. Wie kommen wir zu guten Ergebnissen?
OUP 2021; 10: 64–69
DOI 10.3238/oup.2021.0064–0069

Summary: The survival rate of hip arthroplasties is substantially limited by aseptic loosening of acetabular components. Revision total hip arthroplasty has to be planned carefully. To optimize the surgical outcome, patient and orthopaedic surgeon have to be prepared in the best way. In consideration of reasons for failure, the pre-operative patient evaluation (clinical and radiographic) and pre-operative planning are presented. Corresponding to acetabular bone loss methods of acetabular reconstruction are demonstrated. Tips and tricks will be given to improve performance and avoid complications.

Keywords: Revision hip arthroplasty, Aseptic loosening acetabular component, Acetabular bone loss, Reconstruction

Citation: Rolf O, Rader CP: Acetabular reconstruction in revision total hip arthroplasty. How to achieve good results?
OUP 2021; 10: 64–69. DOI 10.3238/oup.2021.0064–0069

Olaf Rolf: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Niels-Stensen-Kliniken, Franziskus-Hospital Harderberg, Georgsmarienhütte

Christof P. Rader: Sektion Gelenkchirurgie, UKA Aachen, Standort Franziskushospital Aachen

Einleitung

Mittlerweile betragen die 10-Jahres-Überlebensraten nach primärer Hüftendoprothese mehr als 96 % [14]. Die Standzeiten scheinen dabei laut Registerdaten doppelt so häufig durch das Versagen der Pfannen- als der Schaftkomponente limitiert zu sein.

Versagensursache

Lange Zeit waren Abriebpartikel der Grund für periprothetische Entzündungsreaktionen mit nachfolgenden Osteolysen, Lysesäumen und Lockerungen der Prothesenkomponenten. Mittlerweile sind die Gleitpaarungen durch hochvernetzte „cross-linked“-Polyethylene und moderne Sterilisationsmethoden (Sterilisation mit Radikalfänger, z.B. Vitamin E, Vakuumsterilisation) optimiert und die „über 50-jährige Suche nach einem geeigneten Material für Implantat und Gelenkartikulationen in der Hüftendoprothetik scheint beendet“ [11, 16].

Gründe für die Revision von Hüftpfannen sind Instabilitäten (33,0 %), mechanische Lockerungen (24,2 %), ein Implantversagen, auch durch fehlplatzierte Komponenten (10,8 %), periprothetische Osteolysen (8,1 %), ein Abrieb der Gleitpaarung (8,0 %), Infektionen (4,7 %) und periprothetische Frakturen (1,8 %) [4, 8]. Durch Hart-Hart-Gleitpaarungen (Metall/Metall, Keramik/Keramik) können z.B. „Quietschgeräusche“, Pseudotumoren, Frakturen oder andere toxische Wirkungen verursacht werden.

Um das Ergebnis einer Hüftrevision zu optimieren, ist es erforderlich, sowohl den Allgemeinzustand des Patienten mit all seinen Vorerkrankungen (z.B. Osteoporose, Muskelkraft, geistige und muskuläre Koordination) als auch rein lokale Faktoren der Hüftregion und des Hüftimplantates im Blick zu haben. Daher ist eine sorgfältige präoperative Analyse der „Schadenssituation“ unumgänglich.

Dazu sollten zunächst folgende Punkte betrachtet und analysiert werden:

  • a) Anamnese und klinisches Erscheinungsbild
  • b) Klinische Untersuchung
  • c) Labordiagnostik
  • d) Bildgebende Diagnostik

a) Anamnese und klinisches
Erscheinungsbild

Wann und aus welchen Gründen wurde die Primär-Implantation bzw. die letzte Wechseloperation durchgeführt? Falls bereits mehrfache Voroperationen durchgeführt worden sind, sollten nach Möglichkeit alle Vorberichte angefordert und nach Besonderheiten geforscht werden. Liegen mechanische Versagensmechanismen vor oder ist evtl. ein Low-grade-Infekt Ursache für multiple Wechseloperationen?

Gab es in der Vorgeschichte einen Unfall oder Sturz? Welche Begleiterkrankungen liegen vor, welche (Dauer-)Medikation wird eingenommen? Wie ist der Allgemeinzustand des Patienten?

Ein Frühversagen innerhalb von 2 Jahren nach Primärimplantation einer Hüftpfanne lässt sich häufig auf eine unzureichende Verankerung zurückführen, z.B. durch eine unterdimensionierte Press-Fit-Pfanne, die sich im Acetabulum verdreht.

Aseptische Lockerungen treten in der Regel erst nach einer Standzeit von mehr als 2 Jahren auf. Nach einem beschwerdefreien oder -armen Intervall sind nicht selten zunehmende Leistenschmerzen, begleitend von einem hinkenden Gangbild oder einer reduzierten Gehstrecke, zu beobachten. Lokalisierte Schmerzen bei Pfannenlockerung finden sich in der Leiste, aber auch seitlich oder dorsal am Gesäß. Gelegentlich wird auch ein Trauma oder eine Distorsion als beschwerdeauslösendes Moment genannt. Im Verlauf kann es zu einer Einschränkung der Beweglichkeit kommen, so dass Alltagsaktivitäten wie z.B. Treppe steigen deutlich erschwert sind. In späteren Stadien können auch Nacht- und Ruheschmerzen auftreten. Stark gelockerte Prothesen bergen Gefahr von periprothetischen Frakturen, besonders wenn sich der Knochen durch periprothetische Osteolysen zurückgezogen hat.

b) Klinische Untersuchung

Zur präoperativen Untersuchung gehört eine Analyse des Gangbildes. Zeigt sich ein Trendelenburgsches-Hinken bei Glutealinsuffizienz und lässt sich dieses nicht auf die Schmerzsituation oder eine muskuläre Kontraktur zurückführen, sollte eine weitere neurologische Untersuchung veranlasst werden. Hier sollten differentialdiagnostisch Läsionen des N. glutaeus superior, des Plexus oder Bandscheibenvorfälle betrachtet werden.

Zur klinischen Untersuchung der Hüftregion gehören Inspektion und Palpation: Welcher Zugang wurde primär gewählt: dorsal, lateral, ventrolateral? Wie sieht die Narbe aus? Gibt es eine Fistel? Sind Einziehungen vorhanden, die auf Muskelinsuffizienzen oder -atrophien hindeuten? Gibt es Faszienlücken der Fascia lata, zeigt sich eine schnappende Hüfte? Liegt eine Serombildung vor (Ultraschalluntersuchung)? Lokalisiert sich der Schmerz auf die Hüfte oder die Trochanterregion (DD: Bursitis trochanterica, vergrößertes Offset der Prothese, Ossifikationen)?

Obwohl es keine eindeutigen klinischen Zeichen für eine Prothesenlockerung gibt, kann eine sorgfältige körperliche Untersuchung wichtige Hinweise liefern: Rüttel- und Stauchungsschmerzen können auf eine Lockerung der Prothese hinweisen, Leistenschmerzen mehr auf eine Pfannenlockerung, proximale Oberschenkelbeschwerden oder Rotationsschmerzen eher auf eine Schaftlockerung. Schmerzen bei maximaler Beugung in der Hüfte und Innenrotation können auf ein schmerzhaftes Impingement mit Lockerung einer Prothesenkomponente hinweisen.

Differentialdiagnostisch sollten Rückenleiden (Facettensyndrom, ISG-Dysfunktion, Spinalkanalstenose, Bandscheibenvorfall usw. handelt), Veränderungen der Leistenregion (Hernie) oder andere seltene Erkrankungen (Gefäßverschlüsse, Neuropathien, Tumor) ausgeschlossen werden.

c) Labordiagnostik

Das kleine Blutbild, C-reaktive Protein und eine Gelenkpunktion stellen die wichtigsten Maßnahmen dar, um eine septische von einer aseptischen Prothesenlockerung zu unterscheiden. Liegt der begründete Verdacht einer septischen Prothesenlockerung vor und zeigt sich keine Fistel über dem Gelenk (Eine Fistel ist ein sicheres Zeichen für eine periprothetische Infektion!), sollte im Vorfeld eine Punktion mit synovialer Zellanalyse durchgeführt werden: Leukozytenzahlen über 2000/µl und ein Anteil von 70 % und mehr an neutrophilen Granulozyten sind für eine periprothetische Infektion wegweisend [23].

In unklaren Fällen können periprothetische Gewebeproben z.B. durch eine Gewebepunktion entnommen werden, um noch sicherer eine Keimgewinnung und eine histologische Einordnung der Befunde zu erreichen [15].

Weiterhin erlauben aus dem Gelenkpunktat gewonnene Biomarker eine Unterscheidung zwischen aseptischer und septischer Lockerung: Villa et al (2020) empfiehlt in einem Übersichtsartikel die Verwendung von Alpha-Defensin [24]; nach Gerke et al. 2018 ergibt sich eine Sensitivität von Alpha-Defensin von 92.1 %, bei einer Gesamtgenauigkeit von 96.9 % [9].

d) Bildgebende Diagnostik

Bei Verdacht auf Prothesenlockerung sollte in jedem Fall ein natives Röntgenbild des Gelenkes in 2 Ebenen, also eine Beckenübersichts- und Lauenstein-Aufnahme, angefertigt werden. Additiv können Ala- und Obturator-Aufnahmen angefertigt werden [12]. Hilfreich sind in jedem Fall Bilder im Verlauf. Falls vorhanden, können die Röntgenbilder unmittelbar nach Implantation des Gelenkes zum Vergleich herangezogen werden. So werden Veränderungen wie Verkippung, Wanderungen oder Lockerungen der Implantate gut erkennbar. Als Kriterien gelten die unten genannten direkten und indirekten Zeichen.

Folgende radiologische Kriterien sind zu beachten, die auf eine Lockerung hinweisen [22]. Am besten können diese Zeichen im normalen Röntgen, ggf. unterstützt durch die Vorbilder und/oder in der Computertomographie festgestellt werden. Der Einsatz einer 3D-CT-Rekonstruktion kann helfen, sich einen Überblick über die Defektklassifikation zu verschaffen.

Direkte Zeichen:

periprothetische Fraktur

Zementfraktur

Implantatbruch, ggf. Bruch von Schrauben

Implantatwanderung mehr als 0,5 cm axial und/oder deutliche valgische/varische Achsveränderungen

Indirekte Zeichen:

breite Lysesäume oder größere Osteolysen, um die Implantate oder im Interface Knochen/Zement

umlaufende Lysesäume mit sklerosierendem Halo, manchmal nur im CT zu erkennen

erheblicher Abrieb an den Gleitpartnern z.B. einseitiger, kranialer Abrieb des Inlays

Die Dreiphasenskelettszintigraphie kann zusätzlich Informationen hinsichtlich einer Lockerung liefern. Anreicherungen in der Frühphase weisen auf eine Infektion hin. Insbesondere bei zementfreier Verankerungstechnik können Anreicherungen in der Spätphase allerdings auch noch 1–2 Jahre nach der Primäroperation auftreten, ohne dass eine aseptische Lockerung vorliegt [6]. Auch Low grade Infekte können positive Befunde in der Szintigraphie hervorrufen. Spätphasenanreicherungen zeigten in einer Studie von Claasen et al. 2014 eine Sensitivität von 76 % und Spezifität von 83 % [5]. Umgekehrt ist im negativen Fall eine Lockerung sehr unwahrscheinlich. In der diagnostischen Wertigkeit sollte dieses unspezifische Verfahren nicht überschätzt werden.

Cave: Die Dreiphasenskelettszintigraphie ist hinsichtlich einer aseptischen Lockerung erst nach frühestens 1,5–2,5 Jahren postoperativ verwertbar! Innerhalb der ersten Jahre nach Endoprothesenimplantation ist mit falsch positiven Ergebnissen zu rechnen!

Eine MRT-Untersuchung der Hüftregion hat keine Bedeutung zur Sicherung einer Prothesenlockerung. Eine Untersuchung mit Artefaktunterdrückung kann jedoch sehr hilfreich sein, um im Vorfeld die Intaktheit der Abspreizmuskulatur und das Ausmaß der fettigen Muskelatrophie zu beurteilen [13, 20]. So kann dem Patienten realistisch aufgezeigt werden, ob eine Verbesserung der Muskelkraft zu erwarten ist oder ob evtl. irreversible Schädigungen vorliegen. Dementsprechend sollte eine realistische Erwartungshaltung hinsichtlich eines postoperativen Hinkens vermittelt werden.

Nur wenige der oben genannten Methoden können einzeln eine Lockerung eindeutig beweisen. Deshalb kann es im klinischen Alltag bzw. intraoperativ vorkommen, dass eine vermeintlich feste Prothese gelockert ist oder umgekehrt.

Nach sorgfältiger Analyse der „Schadenssituation“ und der Ursache der Pfannenlockerung ist eine strukturierte Planung des Pfannenwechsels zu empfehlen. Um das Ergebnis zu optimieren, sollten folgende Punkte bedacht werden:

  • e) Zugangsweg: Welcher Zugang wurde gewählt, wie ist der Status der Weichteile?
  • f) Materialcheckliste: Welche Implantate sind derzeit verbaut, welche Instrumente und Implantate sind für den Pfannenwechsel notwendig?
  • g) Knochendefektanalyse, welches Implantat kann noch verankert werden?

e) Zugang bei der Revisionschirurgie der Hüftpfanne

Um Weichteile und Muskel-/ Sehnenansätze möglichst zu schonen, sollte bei der Revisionschirurgie nach Möglichkeit der primäre Zugang erneut verwendet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Chirurg mit dem Zugang vertraut ist und sämtliche Erweiterungsmöglichkeiten beherrscht. Sollte dies nicht der Fall sein und wird ein weiterer Zugang gewählt, sollten die Weichteile und insbesondere der M. gluteus medius möglichst geschont werden.

Prinzipiell bieten anterolaterale und dorsolaterale Zugänge die besten Optionen zur Pfannen- und Schaftrevision. Bei alleinigen Pfannenrevisionen sind auch ventrale Zugänge problemlos möglich.

Wird z.B. anstelle eines primär dorsolateralem Zugangs bei der Revision ein streng lateraler Zugang gewählt, sollte die Hautbrücke mindestens 5 cm betragen, um keine Hautnekrose hervorzurufen. Ein Watson-Jones-Zugang ist zur Pfannenrevision deutlich besser geeignet als ein streng lateraler Bauer-Zugang, da der Glutaeus medius weitgehend geschont und nicht gespalten wird [1]. Beide Zugänge ermöglichen zudem eine leichte Erweiterung zum Schaft.

Primär ventrale Zugänge erlauben eine sehr schöne Darstellung der Pfannensituation und können im Sinne eines Judet-Zugangs derart erweitert werden, dass eine problemlose Darstellung der Pfannenregion und der Beckenschaufel unter Schonung der Weichteile möglich ist. Allerdings ist die Schaftrevision über einen ventralen Zugang deutlich erschwert. Ebenso können Trochanterfrakturen oder proximale Schaftfissuren, die eine Cerclage oder andere Osteosyntheseverfahren benötigen, allein vom ventralen Zugang nur unter erschwerten Bedingungen versorgt werden. Dorsale Pfeilerversorgung ist nicht möglich.

Wie schone ich am besten die Weichteile, vor allem den M glutaeus medius?

Der N. glutaeus superior und die Vasa glutaeae sind 3–5 cm proximal der Trochanterspitze zu erwarten [1, 18]. Eine Schonung ist zu gewährleisten, da ansonsten ein Insuffizienzhinken durch die Schädigung des Nervens bzw. des M glutaeus medius resultiert. Ein kontrolliertes Spalten des Muskels unter Schonung des Gefäß-Nervenbündels z.B. beim Bauer-Zugang kann gut funktionieren, allerdings ist ein weiteres Zerreißen der Muskulatur durch Hohmannhaken oder rüde Repositionsmanöver zu vermeiden.

Um Instabilitäten und auch ein hinkendes Gangbild zu vermeiden, ist es ebenso wichtig, den Hebelarm der Muskulatur möglichst anatomisch zu rekonstruieren. Daher sollten im Vorfeld das erforderliche „Offset“ der Endoprothese möglichst genau geplant und intraoperativ rekonstruiert werden [21].

Dorsale Zugänge tangieren den Glutaeusmuskel weniger. Sie haben aber den Nachteil, dass der N. Ischadicus u.U. dargestellt und geschont werden muss und dass auch die Außenrotatoren sicher refixiert werden sollten, um hintere Instabilitäten zu vermeiden.

f) Materialcheckliste

Um einen Prothesenwechsel möglichst zügig und komplikationsarm durchzuführen, ist eine sorgfältige Vorbereitung enorm wichtig. Nach Möglichkeit sollten sämtliche Operations- und Entlassungsberichte im Verlauf sowie auch der Prothesenausweis vorliegen.

Anhand der implantierten Komponenten bzw. auch der geplanten Wechseloperation muss sorgfältig geprüft werden, ob sämtliche Instrumente für die Wechseloperation bzw. auch sämtliche Implantate vorhanden sind bzw. ob diese bestellt werden müssen. Ist die Verwendung von Prothesenkomponenten verschiedener Hersteller geplant, empfiehlt es sich, den Patienten im Vorfeld darüber aufzuklären („Off-label use“).

Checkliste Materialien

Instrumente und Implantate zum Wechsel/zur Entfernung der Hüftpfanne

Welches Implantat ist derzeit in situ, von welcher Firma?

Sind (firmenspezifische) Instrumente zur Entfernung der Implantate in situ notwendig (z.B. Pfannenumschneidungsmeißel, Ausdrehinstrumentarium bei Schraubpfannen, spezielle Ausschläger, spezielle Entfernungsinstrumente, Zementextraktoren, Hochfrequenzfräsen, Speziallichtquelle)?

Welche Gleitpaarung ist implantiert, welche ist erlaubt? (Besonders bei Hart/Hart-Gleitpaarungen zu berücksichtigen)

Instrumente und Implantate für die
Revision-/Wechseloperation

geplante Implantate (Plan A, auch Plan B sollte vorhanden sein!)

Kenntnis des Schaftkonus, wenn Schaft verbleiben soll (10/12er, 11/13er, 12/14er Euro-Konus, oder 14/16er, V40er oder andere english-size Koni)

Sind ggfs. Wechselinlays/Probeinlays vorhanden?

Welche Hüftköpfe in welcher Größe und für welchen Konus sind erforderlich?

Sind Keramikhüftköpfe mit Metallhülse (gebrauchter Konus), eine gewinkelte Hülse oder überlange Köpfe (z.B. von Merete) notwendig?

Revisionsschäfte

Pfannenfräsen, die auch kleine Mengen autologe Spongiosa sammeln

Instrumente für die Verdichtung beim Impaction bone grafting

Cerclagen oder Plattenosteosynthesen am Becken

Interimsprothese als Spacer bei Infekten und zweizeitigem Vorgehen

Knochenersatzstoffe

aseptisch aufbereitete Hüftköpfe, Drehreibe zur Herstellung der Knochenchips

Kortikospongiöse Späne, wieviel für welchen Defekt?

Strutgrafts

Knochenersatzstoffe zum Beimengen

Antibiotikaflies

Augmente aus Tantal oder Titan, die in den Knochendefekt eingeschraubt werden, um die Primärstabilität zu vergrößern und die Pfannenauswahl auf ein Pressfit-System zu ermöglichen

Stadienabhängige Versorgung der Knochendefekte und Auswahl der Pfannenimplantate

Anhand der Knochendefektsituation können Acetabulumdefekte, z.B. nach Paprowski et al. 1994 oder nach der DGOU-Klassifikation (Bettin, Katthagen 1997) eingeteilt werden [3, 19].

Abhängig vom Ausmaß des Knochenverlustes und der Pfeilerdefekte wurden stadienabhängige Knochendefektauffüllungen mit Fremdknochen aus der Knochenbank kombiniert mit entsprechenden Implantaten propagiert [10]. Orientierend wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen:

kleine Defekte, noch guter autochthoner Knochen: Press-Fit-Pfanne mit/ohne Schrauben, alternativ Schraubpfanne (Abb.1)

mittlere Defekte, noch mäßig viel autochthoner Knochen: Stützringe mit einzuzementierendem PE-Inlay (Typ Müller/Ganz), kraniale Fixierung mit Schrauben, optional mit Sitzbeinhaken (Rekonstruktionsschalen ohne Ileum-Laschen)

große Defekte, 2–3 Pfeilerdefekte, Beckendiskontinuität: Stützring mit Ileum-Laschen (Typ Burch-Schneider) und Sitzbeinhaken, lange Os Ileum-Laschen, ggf. mit dorsaler Plattenosteosynthese, zusätzliche Knochendefektauffüllung (Impaction bone grafting) (Abb. 2–3).

Bei der Anwendung von langen Ileumlaschen ist der Operationszugang allerdings so zu wählen, dass M. glutaeus medius oder N. glutaeus superior möglichst nicht beeinträchtigt werden.

In dieser Hinsicht haben neuere Techniken Vorteile:Als alternatives und vermutlich gewebeschonenderes Konzept hat sich die Auffüllung von kranialen Knochensubstanzdefekten mit makrorauhen bzw. makrostrukturierten Metallkonstrukten (modular als Metallaugmente oder nichtmodular als längsovale Monoblockimplantate) etabliert. Diese können nach Anfrischen des autochthonen Knochens in den Defekt eingebracht werden, so dass eine primärstabile Situation resultiert. Darüber hinaus kann die Defektgröße häufig derart reduziert werden, dass eine anschließende Versorgung mit Press-Fit-Pfanne und Schrauben möglich ist (Abb.4). Zur Vermeidung eines direkten Metall-Metall-Kontakts sollte allerdings eine Zementschicht zwischen Augment und Pfanne eingebracht werden [26].

So können z.B. 2-Pfeilerdefekte mit 2 Augmenten und einer Press-fit-Pfanne, alternativ mit 1 Augment, kombiniert mit einem Impaction bone grafting und einem Cage, z.B. einer Rekonstruktionsschale ohne Ileumlasche, Typ Müller/Ganz, versorgt werden [27]. Zudem kann mit Tantal-Press-Fit Pfannen oder ähnlich knochenaffinen Rekonstruktionsschalen auch bei 50–70< %iger Auflagefläche auf autochthonem Knochen eine gute Primärstabilität erzielt werden.

Spongiöse Knochenchips wiederum eignen sich dagegen sehr gut, um umschlossene (contained) Knochendefekte am Pfannenboden oder am superomedialen Pfannendach in „Impaction-grafting-Technik“ zu rekonstruieren und damit gute Versorgungsergebnisse zu erzielen [26]. In den allermeisten Fällen integriert der Ersatzknochen problemlos und trägt dazu bei, dass große Defekte verkleinert werden bzw. eine Beckendiskonuität verhindert wird.

Scheint mit konventionellen Techniken keine Versorgung möglich, kann z.B. bei übergroßen Defekten oder auch Beckendiskontinuitäten ein Individualimplantat aus dem „3-D-Drucker“ angefordert werden. Dieser Beckenteilersatz wird in der Regel anhand einer Dünnschicht-CT-Untersuchung angefertigt und an den 3 Pfeilern des Beckens verankert. Hohe Primärstabilität und kürzere Nachbehandlungszeiten sind möglich. Diese aufwendigen Verfahren sollten Zentren vorbehalten bleiben, die auch in der Tumorchirurgie Erfahrung haben.

Wie können Instabilitäten am Hüftgelenk vermieden werden?

Instabilitäten am Hüftgelenk werden in erster Linie durch Implantatfehlpositionierungen, Impingement, unzureichender Offsetrekonstruktion oder durch eine Glutealinsuffizienz verursacht. Umgekehrt gewährleistet eine Rekonstruktion der Hebelarme durch die Implantate mit möglichst anatomischem Offset und normaler Muskelvorspannung eine optimale Funktion der hüftnahen Muskulatur und verhindert Instabilitäten [21].

Voraussetzung ist, dass die Implantation der Hüftpfanne im Vorfeld sorgfältig geplant wird, so dass anatomische Hebelverhältnisse möglichst wiederhergestellt werden können. Ebenso sollte die Biomechanik der am Trochanter major ansetzenden und hüftübergreifenden Muskulatur funktionieren und auch sekundäre Stabilisatoren (z.B. Tractus iliotibialis, Gelenkkapsel) möglichst intakt sein.

Auch der Durchmesser des gewählten Hüftkopfes kann entscheidend zur Stabilität der Hüftendoprothese beitragen: Die 22iger Köpfe der Charnely Prothesen luxierten schnell, mit den heute üblichen 32iger und 36iger Köpfen mit ggf. langen oder überlangen Hälsen kann eine gute Stabilität erreicht werden [7].

Zeichnet sich bereits im Vorfeld einer Operation ab, dass muskuläre Insuffizienzen zu erwarten sind, empfiehlt sich der Einsatz von tripolaren oder auch modularen bipolaren Revisionspfannensystemen. Hierbei wird eine Revisionsschale mit metallisch glatter Innenfläche in üblicher Weise implantiert. Eingebracht wird ein Polyethylen-Großkopf, in dem wiederum ein Standard-Aufsteckkopf eingeklickt ist. Der Großkopf bildet das Drehzentrum der Gleitpaarung, so dass Luxationen weitestgehend verhindert werden [7]. Verschiedene Hersteller bieten derartige Systeme an, die sich mittlerweile zur Beseitigung oder Vermeidung von Instabilitäten bewährt haben, ohne durch signifikant erhöhten Abrieb aufzufallen [2].

Allerdings können auch tripolare Pfannensysteme luxieren: Häufiger beobachtet wurde ein ventrales Impingement des Konus am Pfannenrand, so dass es über einen Hebelmechanismus zu einer dorsalen Luxation der Großkopfprothese kommt. Daher ist auch bei tripolaren Systemen auf eine sorgfältige Positionierung der Pfannenkomponente und auf eine bestmögliche Weichteilrekonstruktion zu achten (Abb. 5a–b) [17].

Wie kommen wir zu guten
Ergebnissen?

Die sorgfältige Vorbereitung eines Hüftpfannenwechsels mit Analyse der „Ist-Situation“ und mit Definition des Versorgungsziels ist wichtig, um Komplikationen, intraoperative Überraschungen und unnötig lange Operationszeiten zu vermeiden.

Es empfiehlt sich im Vorfeld, den Patienten soweit als möglich vorzubereiten und Risiken zu minimieren. Dazu gehört es unter anderem, den Allgemeinzustand möglichst zu optimieren und z.B. Infektionen auszuschließen bzw. zu behandeln. Bei Bedarf sollte ein geriatrisches Assessment mit entsprechender Nachbehandlung veranlasst werden.

Im Rahmen des „Patient blood managements“ sollten anämische Situationen im Vorfeld erkannt und nach Möglichkeit behandelt werden. Intraoperativ sollte „blutsparend“ operiert werden. Bei Ausschluss von Kontraindikationen empfiehlt sich in jedem Fall die systemische und/oder lokale Gabe von Tranexamsäure [25, 28], ebenso sollte ein „cell saver“-System vorhanden sein und angewendet werden. Nicht nur im Rahmen des „Team time in“ sondern auch während der Operation ist eine Kommunikation mit dem Anästhesisten wichtig, um rechtzeitig auf besondere Situationen reagieren zu können und unerwünschte Kreislaufsituationen zu vermeiden. In jedem Fall sollte sichergestellt sein, dass ein intraoperatives Röntgen möglich ist, um sämtliche Operationsschritte zu kontrollieren und die Implantatpositionierungen zu überprüfen. Im Rahmen der Qualitätssicherung empfiehlt sich, dass die Klinik den grundsätzlichen Anforderungen eines zertifizierten Endoprothetikzentrums genügt.

Zu guter Letzt spielt die Erfahrung des Operateurs eine entscheidende Rolle und es sollte darauf geachtet werden, dass „komplizierte“ Versorgungen ausschließlich unter Mitwirkung eines erfahrenen Operateurs stattfinden. So sollten qualitative Standards gewährleistet und sichergestellt sein, dass ein optimales Ergebnis für den Patienten erzielt werden kann.

Interessenkonflikte:

keine angegeben

Das Literaturverzeichnis
zu diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Olaf Rolf

Klinik für Orthopädie
und Unfallchirurgie

Niels-Stensen-Kliniken

Franziskus-Hospital Harderberg

Alte Rothenfelder Str. 23

49124 Georgsmarienhütte

olaf.rolf@niels-stensen-kliniken.de

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