Wissenschaft - OUP 01/2019

Rückenschmerzen im Wachstumsalter

Thomas Wirth, Micha Langendörfer

Zusammenfassung:

Rückenschmerzen kommen bis zum Alter von 10 Jahren selten vor,
gehören aber bei Jugendlichen zu den häufigsten Schmerzursachen. In dieser Altersgruppe
können die Weichen für eine Chronifizierung gestellt werden.

Es gibt vielfältige Ursachen für Rückenschmerzen im Wachstumsalter. Bei Schmerzpatienten unter
10 Jahren müssen diese immer, bei Jugendlichen bei fehlendem Behandlungserfolg ausgeschlossen
werden. Hinweise auf schwerwiegende Erkrankungen können in einer fixierten Fehlhaltung,
einer eingeschränkten Beweglichkeit oder in peripheren neurologischen Symptomen zu finden sein.

Strukturelle Ursachen für Rückenschmerzen im Wachstumsalter sind Spondylolyse und Spondylolisthesis, die Adoleszentenkyphose und -skoliose. Aus dem Formenkreis der entzündlichen Erkrankungen ist an
die akute Spondyl(-odisz)itis, die juvenile idiopathische Arthritis (JIA), die chronische nicht-bakterielle (CNO), die chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis (CRMO) und die ankylosierende Spondylitis zu denken. Maligne Tumore kommen an der Wirbelsäule selten vor. Häufigere Schmerzverursacher sind aber benigne Tumore oder tumorähnliche Veränderungen wie das Osteoidosteom, das Osteoblastom
und die aneurysmatische Knochenzyste. In die differenzialdiagnostischen Überlegungen müssen auch
degenerative Bandscheibenerkrankungen einbezogen werden.

Schlüsselwörter:
Rückenschmerzen, Spondylolyse, Spondylodiszitis, Osteoidosteom

Zitierweise:
Wirth T, Langendörfer M: Rückenschmerzen im Wachstumsalter. OUP 2019; 8: 014–020

DOI 10.3238/oup.2019.0014–0020

Summary: Backpain is rare in the age group under 10 years but represents one of the 4 most frequent causes for painful episodes in adolescence. In this age group a significant risk of chronification exists.
There are many causes for back pain during the growth period. In patients under 10 years of age and in adolecents with missing therapeutic success a thorough and consequent differential diagnostic pathway must be followed. Clinical signs of severe pathologies are fixed postural deformities, restricted range of motion or peripheral neurological abnormalities.
Structural causes for back pain are spondylolysis, spondylolisthesis, adolescent kyphosis and scoliosis. Several inflammatory conditions such as acute spondyl(odisc)itis, juvenile rheumatoid arthritis, chronic nonbacterial (CNO) and chronic recurrent multifocal osteomyellitis (CRMO) as well as ancylosing spondylitis can lead to back pain in children and adolescents. Malignant tumours of the spine are rare. Much more frequently benign tumours or tumour-like lesions such as osteoidosteoma, osteoblastoma and aneurysmatic bone cysts are being identified. Further degenerative disk diseases may be causing lumbar back pain in the adolescent.

Keywords: back pain, spondylolysis, spondylolisthesis, osteoidosteoma

Citation: Wirth T, Langendörfer M: Back pain in growing age, OUP 2019; 8: 014–020

DOI 10.3238/oup.2019.0014–0020

Für alle Autoren: Orthopädische Klinik, Klinikum Stuttgart, Olgahospital

Einleitung

Rückenschmerzen sind die vierthäufigste Schmerzursache bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren [11].

Sie rangieren bezüglich ihrer Intensität aber weit hinter Kopf-, Bauch- oder Beinschmerzen [6]. Immerhin erleben 18,6 % der Kinder eine Episode von Rückenschmerzen täglich [7]. Der Kreuzschmerz ist für 23 % der Schulfehltage und 29 % der Nichtteilnahme am Sportunterricht verantwortlich [1]. Unter kindlichen Schmerzpatienten sind diejenigen mit Rückenschmerzen signifikant älter als Kinder, die keine Rückenschmerzen angeben [6]. Die jährliche Inzidenz der Rückenschmerzen verdoppelt sich in der Adoleszenz bis zum Ende des Wachstumsalters [2]. Daraus kann umgekehrt gefolgert werden, dass Rückenschmerzen bei Kindern, die jünger als 10 Jahre sind, eher eine Seltenheit darstellen und besonderer diagnostischer Aufmerksamkeit bedürfen.

Immer wieder wird die Entstehung von Rückenschmerzen mit dem Tragen des Schulranzens in Verbindung gebracht, insbesondere wenn er die empfohlenen 10 % des Verhältnisses Körpergewicht zu Schulranzengewicht übersteigt. Es gibt aber keine überzeugenden Daten, die diese immer wieder geäußerte Vermutung wissenschaftlich untermauern [16]. Allerdings zeigt sich eine positive Auswirkung einer Gewichtsreduzierung des Schulranzens auf die Körperhaltung, insbesondere bei jüngeren Kindern [4, 14].

Risikofaktoren für die Entstehung von Rückenschmerzen im Wachstumsalter sind häufigere manuelle Arbeit, längeres Sitzen [13], Übergewicht [3] und eine auf das Alter bezogen große Körpergröße, insbesondere in Phasen schnellen Wachstums [10].

Aus den epidemiologischen Daten geht hervor, dass Rückenschmerzen in der Adoleszenz ein häufiges Phänomen sind. Prädiktoren für eine Chronifizierung sind vor allem lange Episoden lumbaler Rückenschmerzen, eine Ausstrahlung in die Beine, aber auch allgemein verbreitete Körperschmerzen, eine geringere Körpergröße und psychosoziale Faktoren [7]. Entscheidend in der Diagnostik dieses Krankheitsbilds ist also, die klinischen Befunde, die zu einer therapiebedürftigen Pathologie des Rückenschmerzes gehören, zu identifizieren und die weitere Abklärungsbedürftigkeit zu erkennen.

Alarmierende klinische
Befunde des wachsenden Rückens

Grundsätzlich gilt, dass Rückenschmerzen bei Kindern unter einem Lebensalter von 10 Jahren immer mit einem besonderen Argwohn betrachtet werden müssen, weil sie für diese Altersgruppe untypisch sind. Deshalb ist eine sorgfältige Anamnese, die sich mit Schmerzdauer, -frequenz, -intensität und Fragen zum allgemeinen Wohlbefinden oder auch zurückliegenden Infektionen beschäftigt, unabdingbar. Der klinische Untersuchungsbefund impliziert die Analyse der Körperhaltung, der Beweglichkeit der einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule sowie die klinischen Zeichen einer Wurzelreizung bzw. sogar der Einbeziehung neurologischer Symptome. Dabei ist eine schmerzbedingte skoliotische Fehlhaltung mit verstrichener Taille, Abweichung aus dem Lot und gleichzeitiger eingeschränkter Beweglichkeit bei Inklination ein Alarmzeichen (Abb. 1a). Ein weiteres, sehr bedeutsames auf eine sichere Pathologie hinweisendes klinisches Zeichen ist die Hüft-Lenden-Strecksteife, d.h.t das automatische Mitanheben des Gesäßes bei Anheben der gestreckten Beine an der Ferse (Abb. 1b). Zusätzlich können die Kinder über lokale Klopfschmerzen, lokale Druckschmerzen, aber auch über einen muskulären Hartspann klagen, der in der Regel gut tastbar ist. Wichtig ist die Beurteilung der Beinlänge, die Analyse des Iliosakralgelenks auf Schmerzhaftigkeit und Blockierung sowie die Position des Beckens im Hinblick auf eine vermehrte In- oder Reklination. Peripher neurologisch findet man bei Kindern selten schwerwiegende Ausfälle. Das Lasègue-Zeichen ist allerdings bei einer Wurzelreizung auch bei Kindern und Jugendlichen positiv. Lähmungen und Sensibilitätsausfälle gibt es hingegen nicht sehr häufig. Sind diese nachweisbar, muss man mit einer schlimmeren Pathologie rechnen.

Die bildgebenden diagnostischen Verfahren der Wahl beinhalten je nach Fragestellung eine konventionell radiologische Untersuchung einzelner Abschnitte der Wirbelsäule oder der ganzen Wirbelsäule, wenn eine Deformitätenanalyse erforderlich ist. Weiterführende radiologische Untersuchungen sind in der Regel die Durchführung einer Kernspintomografie und für spezielle Fragestellungen auch einer Computertomografie. Mit diesen diagnostischen Mitteln können unter normalen Umständen alle Fragen beantwortet werden.

Schmerzhafte Wirbelsäulendeformitäten

Die schmerzhaften Wirbelsäulendeformitäten sind die Spondylolisthesis auf dem Boden der Spondylolyse, die Adoleszentenkyphose und die Adoleszentenskoliose.

Spondylolyse und
Spondylolisthesis

Mit einer Häufigkeit von bis zu 6 % ist die Spondylolyse eine recht häufige Pathologie. Sie betrifft hauptsächlich den 5. Lendenwirbelkörper und macht sich während ihrer Entstehung meist durch subakute lumbale Rückenschmerzen mit eingeschränkter Beweglichkeit und schmerzbedingter skoliotischer Fehlhaltung bemerkbar. Diese Kinder werden oft bereits ab dem 5. oder 6. Lebensjahr symptomatisch, sodass man an dieses Krankheitsbild immer denken muss. Aus der Spondylolyse kann sich dann ein mehr oder minder ausgeprägtes Wirbelgleiten, also die Spondylolisthesis, entwickeln, die insgesamt häufig asymptomatisch verbleibt, aber wenn sie symptomatisch wird, eine ähnlich skurrile Fehlhaltung der lumbalen Wirbelsäule bedingt. Mit zunehmendem Abrutschgrad kommt es außerdem zu einer rückwärtigen Neigung des Beckens und damit zu einem ganz charakteristischen sagittalen Haltungsprofil dieser Patienten. Diagnostisch wird ein Röntgenbild in der Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen angefertigt. Ist dies unauffällig kann man die inzipiente Spondylolyse im MRT durch eine Steigerung des Signals im Pedikel von L5 häufig nachweisen (Abb. 2).

Die Therapie der symptomatischen Spondylolyse besteht zunächst in einer Sportpause und der Immobilisation in einer Rumpf-Orthese oder einem Korsett für 3–6 Monate während der akuten Phase. Grundsätzlich ist eine Ausheilung der Spondylolyse möglich, meist kommt es aber zu einer Beruhigung der Symptome und zu einer vollen Rückkehr der Funktionalität mit Schmerzfreiheit. Bleibt diese aus, ist eine direkte Verschraubung der Interartikularportion mit Spongiosaplastik möglich.

Bei der Spondylolisthesis finden wir als klinisches Spezifikum die tastbare Stufe, die durch die abgeglittenen Wirbel verursacht wird. Häufig sieht man ein retrovertiertes Becken mit lumbo-sakraler Kyphose. Der Abgleitgrad der Spondylolisthesis wird nach Meyerding in 4 Grade eingeteilt [9]. Therapeutisch gelten für die konservative Therapie die gleichen Prinzipien wie zur Therapie der Spondylolyse, wobei allerdings die Verordnung einer Rumpforthese sehr fragwürdig ist. In Abhängigkeit der Beschwerdesituation, aber auch des Abrutschgrads ist die chirurgische Therapie nach fehlgeschlagener konservativer Behandlung zu indizieren. Hierbei kommen die Fusion in situ, die sehr gute Langzeitergebnisse hat [12], und die dorsoventrale Repositionsspondylodese, insbesondere bei höheren Abrutschgraden, in Frage. Mit dieser Methode lässt sich der lumbo-sakrale Übergang wieder normalisieren (Abb. 3).

Adoleszentenkyphose

Bei Patienten mit thorako-lumbalen und lumbalen Rückenschmerzen, selbstverständlich auch bei thorakalen Rückenschmerzen, muss das sagittale Profil besonders intensiv analysiert werden. Insbesondere eine thorako-lumbale und lumbale Kyphosierung kann stärkere Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung verursachen. Diese Fehlstatik wird häufig durch eine kompensatorische tieflumbale Hyperlordose ausgeglichen. Bei Patienten mit einer fixierten oder teilfixierten thorakalen Kyphose kommt es kompensatorisch zu einer Hyperlordose des zerviko-thorakalen Übergangs, die wiederum hochthorakale Schmerzen und Schmerzen zwischen den Schulterblättern auslösen kann. Die Röntgenaufnahme der Wirbelsäule sollte hier immer als Ganzaufnahme gemacht werden, um die Gesamtkrümmung und die Anschlusskrümmungen exakt beurteilen zu können. Die Wirbelkörper werden auf Keilwirbelform, auf das Vorhandensein Schmorl`scher Knötchen oder ventraler Kantenabbrüche hin untersucht, vor dem Hintergrund der möglichen Diagnose eines Morbus Scheuermann. Insbesondere der
thorako-lumbale und der lumbale Morbus Scheuermann verursachen chronifizierende Rückenschmerzen (Abb. 4).

Die Prognose der Adoleszentenkyphose hängt von ihrem Ausprägungsgrad ab. Während thorako-lumbale Kyphosen auch schon bei geringerer Ausprägung schmerzhaft sein können, bedarf es einer stärkeren Krümmung von sicher über 50°, bevor bei thorakalen Kyphosen regelmäßig Rückenschmerzen berichtet werden. Die Therapie ist in aller Regel konservativ, durch physiotherapeutische und allgemeinanalgetische sowie antiphlogistische Maßnahmen. Nur die sehr schweren Kyphosen kommen für eine operative Therapie durch eine dorsale Aufrichtungsspondylodese in Frage.

Adolenzentenskoliose

Schmerzen bei Patienten mit idiopathischer Skoliose, der häufigsten strukturellen Deformität der jugendlichen Wirbelsäule, galten lange Zeit als kaum existent. Die idiopathische Adoleszentenskoliose hat eine Prävalenz zwischen 2 und 3 %. In einer multizentrischen Studie, die sich mit der Prävalenz des Rückenschmerzes bei Patienten mit idiopathischer Adoleszentenskoliose beschäftigt hat, konnte nun eine Prävalenz von 34–42 % gefunden werden [15]. In einer Vergleichsstudie mit Adoleszenten ohne und mit Skoliose fand man eine Prävalenz von Rückenschmerzen von 11,4 % in der Nichtskoliosegruppe und 27,5 % in der Skoliosegruppe. Die lebenslange Prävalenz war 33 % in der Gruppe ohne Skoliose und knapp 60 % in der Skoliosegruppe. Es zeigt sich also, dass nicht nur die Jugendlichen mit einer idiopathischen Adoleszentenskoliose zu einem Drittel Rückenschmerzen haben, sondern dass sich diese Schmerzen im Erwachsenenalter erheblich verstärken. Damit wird die konsequente Therapie der Adoleszentenskoliose im Jugendalter auch vor diesem Hintergrund neu zu beleuchten sein.

Entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen

Eine in allen Altersgruppen vorkommende Ursache für Rückenschmerzen liegt in entzündlichen Erkrankungen der Wirbelkörper, der Bandscheiben und auch der kleinen Wirbelgelenke. Es kommen sowohl akute Spondylitiden und Spondylodiszitiden wie auch chronische entzündliche Erkrankungen vor.

Die akute Spondylodiszitis oder Spondylitis im Wachstumsalter zeigt alle Zeichen einer akuten bakteriellen Entzündung. Wir finden einen reduzierten Allgemeinzustand, Fieber, gelegentlich septische Situationen und typische Laborkonstellationen mit Leukozytose und CRP-Erhöhung. Das Röntgenbild kann eine Verschmälerung des Bandscheibenraums und auch Arrosionen der Grund- und Deckplatten zeigen, es kann aber auch völlig normal sein. In der MRT sieht man dann die Signalveränderungen der Bandscheibe, die Signalerhöhungen im Wirbelkörper und eventuell den begleitenden paravertebralen oder Psoasabszess (Abb. 5). Die Therapie ist selten chirurgisch. In der Regel führt eine idealerweise antibiogrammgerechte (Blutkulturen) antibiotische Therapie zur Ausheilung des Befunds und zur Beschwerdefreiheit. Nur in Einzelfällen muss eine Ausräumung des Psoasabszesses oder die Entfernung des Entzündungsherds mit kurzstreckiger Fusion vorgenommen werden. Auch im Kindesalter kommen spezifische akute Infektionen, insbesondere verursacht durch Tuberkulosekeime, vor.

Chronische Entzündungen der Wirbelsäule betreffen vor allem Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, wie die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) oder die chronisch nicht-bakterielle (CNO) bzw. chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis (CRMO). Die Symptome sind ähnlich: rezidivierende Schmerzen ohne Allgemeinsymptome, leichte CRP-Erhöhungen und im Einzelfall positive Laborbefunde im Hinblick auf die JIA, wie Nachweis des Rheumafaktors. In den meisten Fällen lässt einen die Röntgendiagnostik im Stich. Nur bei der CRMO kann man immer wieder Höhenminderungen der Wirbelkörper bis hin zur Vertebra plana finden (Abb. 6a). Diagnostisch ist in der Regel die MRT und bei der CRMO die Ganzkörper-MRT. Bei der Arthritis findet man die typischen entzündlichen Veränderungen der Facettengelenke (Abb. 6b) und bei der CNO und CRMO die Signalverstärkungen der betroffenen entzündeten Region. Wenn Zweifel an der Diagnose bestehen und eine CRMO gegen eine Langerhanszell-Histiozytose abgegrenzt werden muss, muss eine Biopsie zur Diagnosesicherung durchgeführt werden. Die Therapie ist antiinflammatorisch. Bei der JIA enthält sie alle Elemente der Behandlung der juvenilen rheumatischen Arthritis, bei der CRMO mit Wirbelsäulenbefall kommen zusätzlich Bisphosphonate zum Einsatz [5].

In die Differenzialdiagnose juveniler Rückenschmerzen muss auch die ankylosierende Spondylitis einbezogen werden. Laborparameter wie der Nachweis des HLA B27 oder typische MRT-Befunde weisen den Weg.

Tumore der Wirbelsäule

In allen Lebensabschnitten des Wachstums können Tumore der Wirbelsäule für Rückenschmerzen verantwortlich sein. Dabei sind maligne Tumore wie das Osteosarkom oder das Ewing-Sarkom sehr selten. Allerdings kommen immer wieder Metastasen, z.B. bei generalisiertem Neuroblastom, als Schmerzursache vor.

Viel häufiger sind gutartige Tumore oder tumor-ähnliche Veränderungen wie das Osteoidosteom, das Osteoblastom und die aneurysmatische Knochenzyste (AKZ). Gelegentlich findet man auch Osteochondrome an der Wirbelsäule. Osteoidosteome fallen durch nächtliche Schmerzen auf, die auf nicht-steroidale Antiphlogistika ansprechen. Sie sind nicht immer ganz einfach zu diagnostizieren. Allerdings führen sie zu oft sehr grotesken, oftmals skoliotischen Fehlhaltungen und zu einer signifikanten Bewegungseinschränkung des betroffenen Abschnitts. Für die Osteoblastome, die histologisch den Osteoidosteomen gleichen und nur wesentlich größer sind, gilt eine ähnliche Symptomatik. Osteoidosteome lassen sich im Röntgenbild durch Corticalisverdickungen und Sklerosierungsinseln vermuten und im MRT gut nachweisen, insbesondere in der Kontrastmitteluntersuchung mit Erstellung einer Kontrastmitteldynamik. Osteoblastome fallen durch Auftreibung des betroffenen Abschnitts und durch Osteolysen auf (Abb. 7a). Eine MRT zur Darstellung der Tumorgröße ist immer nötig. In Zweifelsfällen und bei kritischen Lagebeziehungen hilft eine Computertomografie weiter. Die Therapie besteht in der Entfernung des Nidus beim Osteoidosteom, ob durch bildgesteuerte Thermoablation, Radiofrequenzablation oder offene Resektion sei dahingestellt, und in der Resektion beim Osteoblastom. Bei beiden Tumorarten muss mit einer 10-prozentigen Rezidivrate gerechnet werden.

Die aneurysmatische Knochenzyste kann ebenfalls Rückenschmerzen, skurrile Fehlhaltungen und eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule verursachen. Sie kann aber auch stumm bleiben und zufällig entdeckt werden. Im Röntgenbild ist eine Osteolyse sichtbar. Man muss die Pedikel genau inspizieren, denn die aneurysmatische Knochenzyste zeigt häufig eine asymmetrische Aufweitung des Pedikels (Abb. 7b). Im MRT findet man die typische Spiegelbildung als Charakteristikum der AKZ. Therapeutisch kommen konservative oder operative Maßnahmen in Betracht. Bei kritischen Lokalisationen kann ein Off-Label-Gebrauch von Denosumab, ein Rankl-Liganden-Hemmer, gegeben werden [8]. Es kommt meist zur Schrumpfung und Konsolidierung der Zyste. Chirurgisch gut zugängliche Zysten können operativ entfernt und durch Spongiosaplastik therapiert werden. Da sie sehr gut durchblutet sind, sollte präoperativ eine selektive Embolisierung geprüft und gegebenenfalls vorgenommen werden.

Bandscheibenerkrankungen

Degenerative Erkrankungen der Bandscheibe kommen bereits im Jugendalter vor, sind aber sehr selten. Meist ist anamnestisch eine familiäre Belastung vorhanden. Man findet sowohl Protrusionen als auch manifeste Prolapse (Abb. 8). Klinisch verursachen beide akute, in der Regel lumbale Rückenschmerzen ohne und mit Ausstrahlung in die Beine. Während die klinischen Wurzelreizungszeichen wie das Lasègue-Zeichen und die Hüft-Lenden-Strecksteife positiv sind, kommen nur selten weitergehende neurologische Symptome wie Sensibilitätsstörungen und Lähmungen vor. Die Diagnose wird im MRT gestellt. Die Therapie ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle konservativ. Meist bilden sich die Symptome innerhalb von 6 Wochen zurück. Eine Nukleotomie ist nur bei völligem Ausbleiben des Therapieerfolgs oder bei massiven neurologischen Ausfällen angezeigt. Eine Differenzialdiagnose des Bandscheibenprolapses ist der traumatische Abriss der knorpeligen Ringapophyse. Hier lässt sich aber immer das dazugehörige Trauma anamnestisch erheben.

Zusammenfassung

Rückenschmerzen bei Kindern unter 10 Jahren sind ungewöhnlich und bedürfen einer sehr genauen Abklärung. Im Jugendalter gehören Rückenschmerzen zu den häufigsten Schmerzursachen. Sie müssen aber auch genau untersucht werden, wenn eine zeitnahe Besserung ausbleibt. Die Differenzialdiagnosen sind im gesamten Wachstumsalter vielfältig und reichen von strukturellen Deformitäten über entzündliche Erkrankungen bis zu Tumoren und Bandscheibenerkrankungen. Kann eine Ursache für die Rückenschmerzen gefunden werden, kann eine spezifische Therapie fast immer zur Ausheilung der Beschwerden führen.

Interessenkonflikt:

Keine angegeben.

Literatur

1. Beija I, Abid N, Ben Salem K et al.: Low back pain in a cohort of 622 Tunisian school-children and adolescents: an epipdemiological study. Eur Spine J 2005; 14: 331–6

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3. De Sa Pinto AL, de Barros Holanda PM, Radu AS, Villares SM, Lima FR: Musculoskeletal findings in obese children. J Paediatr Child Health. 2006; 42: 341–4

4. Grannemann JJ, Holzhauer S, Blumentritt S, Larsen J, Braunschweig L, Hell AK: A prospective 1-year study on load reduction of school backpacks shows reversible changes of body posture in schoolchildren. Int J Adolesc Med Health 2018; Oct 20: doi: 10.1515/iJamh-2018–0132 (Epub ahead of print)

5. Hospach T, Langendörfer M, von Kalle T, Maier J, Dannecker GE: Spinal involvement in chronic recurrent multifocal osteomyelitis (CRMO) in childhood and effect of pamidronate. Eur J Pediatr 2010; 169: 1105–11

6. Huguet A, Miró J: The severity of chronic pediatric pain: An epidemiological study. J Pain 2008; 9: 226–36

7. Jones GT, Macfarlane GJ: Epidemiology of low back pain in children and adolescents. Arch Dis Child 2005; 90: 312–6

8. Lange T, Stehling C, Fröhlich B et al.: Denosumab: a potential new and innovative treatment option for aneurysmal bone cysts. Eur Spine J 2013; 1417–22

9. Meyerding HW: Spondylolisthesis. Surg Gynecol Obstetr 1932; 54: 371–7

10. Poussa MS, Heliövaara MM, Seitsamo JT, Könönen MH, Hurmerinta KA, Nissinen MJ: Anthropometric measurements and growth as predictors of low-back-pain: a cohort study of children followed up from the age of 11 to 22 years. Eur Spine J 2005; 14: 595–8

11. Roth-Isigkeit A, Thyen U, Raspe HH, Stöven H, Schmucker P: Reports of pain among German children and adolescents: an epidemiological study. Acta Paediatr 2004; 93: 258–63

12. Jalanko T, Helenius I, Remes V: Operative treatment of isthmic spondylolisthsis in children: a long-term, retrospective comparative clinical study with matched cohorts. Eur Spine J 2011; 20: 766–75

13. Sjolie AN: Persistence and change in non-specific low back pain among adolescents: a 3-year prospective study. Spine 2004; 29: 2452–7

14. Skaggs DL, Early SD, D’Ambra P, Tolo VT, Kay RM: Back pain and backpacks in school children. J Pediatr Orthop. 2006; 26: 358–63

15. Théroux J, Stomski N, Hodgetts CJ et al.: Prevalence of low back pain in adolescents with idiopathic scoliosis: a systematic review. Chiropractic Manual Therap 2017; 25: 10–5

16. Yamamoto TP, Maher CG, Traeger AC, Wiliams CM, Kamper SJ: Do schoolbags cause back pain in children and adolescents? A systematic review. Br J Sports Med 2018; 52: 1241–5

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Thomas Wirth

Orthopädische Klinik

Klinikum Stuttgart

Olgahospital

Kriegsbergstraße 62

70174 Stuttgart

t.wirth@klinikum-stuttgart.de

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