Wissenschaft - OUP 01/2019

Rückenschmerzen im Wachstumsalter

Die bildgebenden diagnostischen Verfahren der Wahl beinhalten je nach Fragestellung eine konventionell radiologische Untersuchung einzelner Abschnitte der Wirbelsäule oder der ganzen Wirbelsäule, wenn eine Deformitätenanalyse erforderlich ist. Weiterführende radiologische Untersuchungen sind in der Regel die Durchführung einer Kernspintomografie und für spezielle Fragestellungen auch einer Computertomografie. Mit diesen diagnostischen Mitteln können unter normalen Umständen alle Fragen beantwortet werden.

Schmerzhafte Wirbelsäulendeformitäten

Die schmerzhaften Wirbelsäulendeformitäten sind die Spondylolisthesis auf dem Boden der Spondylolyse, die Adoleszentenkyphose und die Adoleszentenskoliose.

Spondylolyse und
Spondylolisthesis

Mit einer Häufigkeit von bis zu 6 % ist die Spondylolyse eine recht häufige Pathologie. Sie betrifft hauptsächlich den 5. Lendenwirbelkörper und macht sich während ihrer Entstehung meist durch subakute lumbale Rückenschmerzen mit eingeschränkter Beweglichkeit und schmerzbedingter skoliotischer Fehlhaltung bemerkbar. Diese Kinder werden oft bereits ab dem 5. oder 6. Lebensjahr symptomatisch, sodass man an dieses Krankheitsbild immer denken muss. Aus der Spondylolyse kann sich dann ein mehr oder minder ausgeprägtes Wirbelgleiten, also die Spondylolisthesis, entwickeln, die insgesamt häufig asymptomatisch verbleibt, aber wenn sie symptomatisch wird, eine ähnlich skurrile Fehlhaltung der lumbalen Wirbelsäule bedingt. Mit zunehmendem Abrutschgrad kommt es außerdem zu einer rückwärtigen Neigung des Beckens und damit zu einem ganz charakteristischen sagittalen Haltungsprofil dieser Patienten. Diagnostisch wird ein Röntgenbild in der Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen angefertigt. Ist dies unauffällig kann man die inzipiente Spondylolyse im MRT durch eine Steigerung des Signals im Pedikel von L5 häufig nachweisen (Abb. 2).

Die Therapie der symptomatischen Spondylolyse besteht zunächst in einer Sportpause und der Immobilisation in einer Rumpf-Orthese oder einem Korsett für 3–6 Monate während der akuten Phase. Grundsätzlich ist eine Ausheilung der Spondylolyse möglich, meist kommt es aber zu einer Beruhigung der Symptome und zu einer vollen Rückkehr der Funktionalität mit Schmerzfreiheit. Bleibt diese aus, ist eine direkte Verschraubung der Interartikularportion mit Spongiosaplastik möglich.

Bei der Spondylolisthesis finden wir als klinisches Spezifikum die tastbare Stufe, die durch die abgeglittenen Wirbel verursacht wird. Häufig sieht man ein retrovertiertes Becken mit lumbo-sakraler Kyphose. Der Abgleitgrad der Spondylolisthesis wird nach Meyerding in 4 Grade eingeteilt [9]. Therapeutisch gelten für die konservative Therapie die gleichen Prinzipien wie zur Therapie der Spondylolyse, wobei allerdings die Verordnung einer Rumpforthese sehr fragwürdig ist. In Abhängigkeit der Beschwerdesituation, aber auch des Abrutschgrads ist die chirurgische Therapie nach fehlgeschlagener konservativer Behandlung zu indizieren. Hierbei kommen die Fusion in situ, die sehr gute Langzeitergebnisse hat [12], und die dorsoventrale Repositionsspondylodese, insbesondere bei höheren Abrutschgraden, in Frage. Mit dieser Methode lässt sich der lumbo-sakrale Übergang wieder normalisieren (Abb. 3).

Adoleszentenkyphose

Bei Patienten mit thorako-lumbalen und lumbalen Rückenschmerzen, selbstverständlich auch bei thorakalen Rückenschmerzen, muss das sagittale Profil besonders intensiv analysiert werden. Insbesondere eine thorako-lumbale und lumbale Kyphosierung kann stärkere Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung verursachen. Diese Fehlstatik wird häufig durch eine kompensatorische tieflumbale Hyperlordose ausgeglichen. Bei Patienten mit einer fixierten oder teilfixierten thorakalen Kyphose kommt es kompensatorisch zu einer Hyperlordose des zerviko-thorakalen Übergangs, die wiederum hochthorakale Schmerzen und Schmerzen zwischen den Schulterblättern auslösen kann. Die Röntgenaufnahme der Wirbelsäule sollte hier immer als Ganzaufnahme gemacht werden, um die Gesamtkrümmung und die Anschlusskrümmungen exakt beurteilen zu können. Die Wirbelkörper werden auf Keilwirbelform, auf das Vorhandensein Schmorl`scher Knötchen oder ventraler Kantenabbrüche hin untersucht, vor dem Hintergrund der möglichen Diagnose eines Morbus Scheuermann. Insbesondere der
thorako-lumbale und der lumbale Morbus Scheuermann verursachen chronifizierende Rückenschmerzen (Abb. 4).

Die Prognose der Adoleszentenkyphose hängt von ihrem Ausprägungsgrad ab. Während thorako-lumbale Kyphosen auch schon bei geringerer Ausprägung schmerzhaft sein können, bedarf es einer stärkeren Krümmung von sicher über 50°, bevor bei thorakalen Kyphosen regelmäßig Rückenschmerzen berichtet werden. Die Therapie ist in aller Regel konservativ, durch physiotherapeutische und allgemeinanalgetische sowie antiphlogistische Maßnahmen. Nur die sehr schweren Kyphosen kommen für eine operative Therapie durch eine dorsale Aufrichtungsspondylodese in Frage.

Adolenzentenskoliose

Schmerzen bei Patienten mit idiopathischer Skoliose, der häufigsten strukturellen Deformität der jugendlichen Wirbelsäule, galten lange Zeit als kaum existent. Die idiopathische Adoleszentenskoliose hat eine Prävalenz zwischen 2 und 3 %. In einer multizentrischen Studie, die sich mit der Prävalenz des Rückenschmerzes bei Patienten mit idiopathischer Adoleszentenskoliose beschäftigt hat, konnte nun eine Prävalenz von 34–42 % gefunden werden [15]. In einer Vergleichsstudie mit Adoleszenten ohne und mit Skoliose fand man eine Prävalenz von Rückenschmerzen von 11,4 % in der Nichtskoliosegruppe und 27,5 % in der Skoliosegruppe. Die lebenslange Prävalenz war 33 % in der Gruppe ohne Skoliose und knapp 60 % in der Skoliosegruppe. Es zeigt sich also, dass nicht nur die Jugendlichen mit einer idiopathischen Adoleszentenskoliose zu einem Drittel Rückenschmerzen haben, sondern dass sich diese Schmerzen im Erwachsenenalter erheblich verstärken. Damit wird die konsequente Therapie der Adoleszentenskoliose im Jugendalter auch vor diesem Hintergrund neu zu beleuchten sein.

Entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen

Eine in allen Altersgruppen vorkommende Ursache für Rückenschmerzen liegt in entzündlichen Erkrankungen der Wirbelkörper, der Bandscheiben und auch der kleinen Wirbelgelenke. Es kommen sowohl akute Spondylitiden und Spondylodiszitiden wie auch chronische entzündliche Erkrankungen vor.

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