Wissenschaft - OUP 01/2019

Rückenschmerzen im Wachstumsalter

Die akute Spondylodiszitis oder Spondylitis im Wachstumsalter zeigt alle Zeichen einer akuten bakteriellen Entzündung. Wir finden einen reduzierten Allgemeinzustand, Fieber, gelegentlich septische Situationen und typische Laborkonstellationen mit Leukozytose und CRP-Erhöhung. Das Röntgenbild kann eine Verschmälerung des Bandscheibenraums und auch Arrosionen der Grund- und Deckplatten zeigen, es kann aber auch völlig normal sein. In der MRT sieht man dann die Signalveränderungen der Bandscheibe, die Signalerhöhungen im Wirbelkörper und eventuell den begleitenden paravertebralen oder Psoasabszess (Abb. 5). Die Therapie ist selten chirurgisch. In der Regel führt eine idealerweise antibiogrammgerechte (Blutkulturen) antibiotische Therapie zur Ausheilung des Befunds und zur Beschwerdefreiheit. Nur in Einzelfällen muss eine Ausräumung des Psoasabszesses oder die Entfernung des Entzündungsherds mit kurzstreckiger Fusion vorgenommen werden. Auch im Kindesalter kommen spezifische akute Infektionen, insbesondere verursacht durch Tuberkulosekeime, vor.

Chronische Entzündungen der Wirbelsäule betreffen vor allem Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, wie die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) oder die chronisch nicht-bakterielle (CNO) bzw. chronisch rezidivierende multifokale Osteomyelitis (CRMO). Die Symptome sind ähnlich: rezidivierende Schmerzen ohne Allgemeinsymptome, leichte CRP-Erhöhungen und im Einzelfall positive Laborbefunde im Hinblick auf die JIA, wie Nachweis des Rheumafaktors. In den meisten Fällen lässt einen die Röntgendiagnostik im Stich. Nur bei der CRMO kann man immer wieder Höhenminderungen der Wirbelkörper bis hin zur Vertebra plana finden (Abb. 6a). Diagnostisch ist in der Regel die MRT und bei der CRMO die Ganzkörper-MRT. Bei der Arthritis findet man die typischen entzündlichen Veränderungen der Facettengelenke (Abb. 6b) und bei der CNO und CRMO die Signalverstärkungen der betroffenen entzündeten Region. Wenn Zweifel an der Diagnose bestehen und eine CRMO gegen eine Langerhanszell-Histiozytose abgegrenzt werden muss, muss eine Biopsie zur Diagnosesicherung durchgeführt werden. Die Therapie ist antiinflammatorisch. Bei der JIA enthält sie alle Elemente der Behandlung der juvenilen rheumatischen Arthritis, bei der CRMO mit Wirbelsäulenbefall kommen zusätzlich Bisphosphonate zum Einsatz [5].

In die Differenzialdiagnose juveniler Rückenschmerzen muss auch die ankylosierende Spondylitis einbezogen werden. Laborparameter wie der Nachweis des HLA B27 oder typische MRT-Befunde weisen den Weg.

Tumore der Wirbelsäule

In allen Lebensabschnitten des Wachstums können Tumore der Wirbelsäule für Rückenschmerzen verantwortlich sein. Dabei sind maligne Tumore wie das Osteosarkom oder das Ewing-Sarkom sehr selten. Allerdings kommen immer wieder Metastasen, z.B. bei generalisiertem Neuroblastom, als Schmerzursache vor.

Viel häufiger sind gutartige Tumore oder tumor-ähnliche Veränderungen wie das Osteoidosteom, das Osteoblastom und die aneurysmatische Knochenzyste (AKZ). Gelegentlich findet man auch Osteochondrome an der Wirbelsäule. Osteoidosteome fallen durch nächtliche Schmerzen auf, die auf nicht-steroidale Antiphlogistika ansprechen. Sie sind nicht immer ganz einfach zu diagnostizieren. Allerdings führen sie zu oft sehr grotesken, oftmals skoliotischen Fehlhaltungen und zu einer signifikanten Bewegungseinschränkung des betroffenen Abschnitts. Für die Osteoblastome, die histologisch den Osteoidosteomen gleichen und nur wesentlich größer sind, gilt eine ähnliche Symptomatik. Osteoidosteome lassen sich im Röntgenbild durch Corticalisverdickungen und Sklerosierungsinseln vermuten und im MRT gut nachweisen, insbesondere in der Kontrastmitteluntersuchung mit Erstellung einer Kontrastmitteldynamik. Osteoblastome fallen durch Auftreibung des betroffenen Abschnitts und durch Osteolysen auf (Abb. 7a). Eine MRT zur Darstellung der Tumorgröße ist immer nötig. In Zweifelsfällen und bei kritischen Lagebeziehungen hilft eine Computertomografie weiter. Die Therapie besteht in der Entfernung des Nidus beim Osteoidosteom, ob durch bildgesteuerte Thermoablation, Radiofrequenzablation oder offene Resektion sei dahingestellt, und in der Resektion beim Osteoblastom. Bei beiden Tumorarten muss mit einer 10-prozentigen Rezidivrate gerechnet werden.

Die aneurysmatische Knochenzyste kann ebenfalls Rückenschmerzen, skurrile Fehlhaltungen und eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule verursachen. Sie kann aber auch stumm bleiben und zufällig entdeckt werden. Im Röntgenbild ist eine Osteolyse sichtbar. Man muss die Pedikel genau inspizieren, denn die aneurysmatische Knochenzyste zeigt häufig eine asymmetrische Aufweitung des Pedikels (Abb. 7b). Im MRT findet man die typische Spiegelbildung als Charakteristikum der AKZ. Therapeutisch kommen konservative oder operative Maßnahmen in Betracht. Bei kritischen Lokalisationen kann ein Off-Label-Gebrauch von Denosumab, ein Rankl-Liganden-Hemmer, gegeben werden [8]. Es kommt meist zur Schrumpfung und Konsolidierung der Zyste. Chirurgisch gut zugängliche Zysten können operativ entfernt und durch Spongiosaplastik therapiert werden. Da sie sehr gut durchblutet sind, sollte präoperativ eine selektive Embolisierung geprüft und gegebenenfalls vorgenommen werden.

Bandscheibenerkrankungen

Degenerative Erkrankungen der Bandscheibe kommen bereits im Jugendalter vor, sind aber sehr selten. Meist ist anamnestisch eine familiäre Belastung vorhanden. Man findet sowohl Protrusionen als auch manifeste Prolapse (Abb. 8). Klinisch verursachen beide akute, in der Regel lumbale Rückenschmerzen ohne und mit Ausstrahlung in die Beine. Während die klinischen Wurzelreizungszeichen wie das Lasègue-Zeichen und die Hüft-Lenden-Strecksteife positiv sind, kommen nur selten weitergehende neurologische Symptome wie Sensibilitätsstörungen und Lähmungen vor. Die Diagnose wird im MRT gestellt. Die Therapie ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle konservativ. Meist bilden sich die Symptome innerhalb von 6 Wochen zurück. Eine Nukleotomie ist nur bei völligem Ausbleiben des Therapieerfolgs oder bei massiven neurologischen Ausfällen angezeigt. Eine Differenzialdiagnose des Bandscheibenprolapses ist der traumatische Abriss der knorpeligen Ringapophyse. Hier lässt sich aber immer das dazugehörige Trauma anamnestisch erheben.

Zusammenfassung

Rückenschmerzen bei Kindern unter 10 Jahren sind ungewöhnlich und bedürfen einer sehr genauen Abklärung. Im Jugendalter gehören Rückenschmerzen zu den häufigsten Schmerzursachen. Sie müssen aber auch genau untersucht werden, wenn eine zeitnahe Besserung ausbleibt. Die Differenzialdiagnosen sind im gesamten Wachstumsalter vielfältig und reichen von strukturellen Deformitäten über entzündliche Erkrankungen bis zu Tumoren und Bandscheibenerkrankungen. Kann eine Ursache für die Rückenschmerzen gefunden werden, kann eine spezifische Therapie fast immer zur Ausheilung der Beschwerden führen.

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