Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter

Maren Janko1, Maika Voth1, Johannes Frank1, Ingo Marzi1

Zusammenfassung: Verletzungen am Knie im Kindesalter ziehen sich die Patienten in über 75 % bei Sport- und Freizeitaktivitäten sowie in der Schule zu. Die meisten dieser Verletzungen sind extraartikuläre Verletzungen wie oberflächliche Schürfungen, Prellungen, Zerrungen oder Bursaverletzungen. Mit dem Alter der Kinder nehmen die intraartikulären Verletzungen zu. Klinisch fallen sie mit einem Kniegelenkerguss, Schwellung und Bewegungseinschränkungen auf. Die weiterführende Diagnostik ist essenziell, damit keine Verletzungen übersehen werden, die zu gravierenden Folgeschäden führen können, z.B. der frühzeitigen Arthrose. Die häufigste Ursache für ein Hämarthros ist die Patellaluxation. Bei unkomplizierten Fällen ohne operationswürdige Begleiterkrankungen wird die konservative Therapie angewandt, ebenso bei einem reinen Hämarthros. Die Patellafrakturen werden in Längs- und Querfrakturen sowie Sleeve-Frakturen unterteilt, hier muss meist operiert werden. Kommt es am distalen Anteil des Ligamentums patellae zu einer Krafteinwirkung, kann es zu einem Tuberositasausriss kommen, der bei Dislokation operativ zu stabilisieren ist. Der Eminentia-intercondylaris-Ausriss entspricht dem knöchernen vorderen Kreuzband (VKB) Ausriss und ist bei den unter 12-Jährigen zu finden. Bei den älteren Jugendlichen kommt es eher zu intraligamentären VKB-Rupturen. Hier ist immer auf begleitende Meniskusverletzungen zu achten, die selten isoliert vorkommen. Bei Meniskusverletzungen ist frühzeitig eine Refixation vorzunehmen, die bei Kindern gute Heilungstendenzen zeigt. Die Frakturen sind im Kindesalter stereotyp und schützen durch die noch offenen Epiphysenfugen bei Krafteinwirkung das Gelenk des noch unreifen Knochens. Bei Dislokation mit Gelenkbeteiligung ist eine operative Versorgung indiziert.

Schlüsselwörter: Hämarthros, Patellaverletzungen,Tuberositasausriss, VKB-Verletzungen, Meniskusverletzungen, Frakturen, unreifer Knochen

Zitierweise
Janko M, Voth M, Frank J, Marzi I. Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter.
OUP 2015; 6: 286–292 DOI 10.3238/oup.2015.0286–0292

Summary: Knee injuries in childhood incur in over 75 % of the patients during sports and leisure activities as well as in school. The majority of these injuries are extra-articular injuries such as superficial abrasions, bruises, strains or injuries of the bursa. The older the children, the more they suffer from intra-articular injuries. Clinically, patients present a fluid collection in the knee joint, swelling and loss of motion. Further diagnostic is essential to ensure that no concomitant diseases are overlooked. These can lead to serious consequential damages, such as early osteoarthritis. The most common cause of a hemarthros is the dislocation of the patella. In uncomplicated cases without additional comorbidities, conservative treatment is applied, as well as in an isolated hemarthros. The patellar fractures are divided in longitudinal-, transverse and sleeve fractures. A surgical treatment is usually necessary. If the ligament of the patellae receives a force effect at the distal part, it possibly leads to a tuberositas tibiae fracture. In case of dislocation, a stabilization operation is needed. The intercondylar eminence avulsion corresponds to the bony anterior cruciate ligament (ACL)-tear and can be found in the under 12-year-old children. Children over 12 years tend to intraligamentary ACL ruptures. Always pay attention to concomitant meniscal injuries which occur rarely isolated. Meniscus injuries tears should be reattached should at an early stage because the meniscus in this age shows good healing and long term consequences are severe. Usually, fractures in childhood are stereotype and protect the articulation through the remaining open epiphyses of the immature bone. Surgical repair is indicated in the case of cartilage incongruence or fracture dislocation.

Keywords: Hemarthros, patella injuries, tuberositas tibiae fracture, anterior cruciate ligament injuries, meniscal tear, fractures, immature bone

Citation
Janko M, Voth M, Frank J, Marzi I. Sport traumatic injuries around the knee in childhood.
OUP 2015; 6: 286–292 DOI 10.3238/oup.2015.0286–0292

Einleitung

Die Verletzungen am Knie betreffen am häufigsten die extraartikulären Weichteile wie Wunden, Prellungen, Zerrungen oder Bursaeröffnungen. Die intraartikulären Verletzungen sind anzahlmäßig gering und nehmen mit dem Alter des Kindes zu [1]. Man führt diesen Anstieg zum einen auf die modernen Trendsportarten mit der Risikobereitschaft in dieser Alterspanne zurück und zum anderen auf die reduzierten Bewegungsreize während der kindlichen Entwicklung und den damit folgenden Koordinationsstörungen der Kinder bei Schul- und Freizeitaktivitäten [2]. Bei den älteren Kindern ab 12 Jahren werden seit einigen Jahren vermehrt ligamentäre Bandrupturen beobachtet, was auf aggressivere Sportarten oder unzureichendes Training zurückgeführt wird [3].

Das Kniegelenk mit den angrenzenden Wachstumsfugen ist bis zum Abschluss des Körperwachstums sowohl für die Längengewinnung als auch die Entwicklung der Beinachse wesentlich. Die Epiphysenfugen des distalen Femurs und der proximalen Tibia tragen zusammen zu einem 70 %igen Längenwachstum des gesamten Beins bei. Während des Wachstums entstehen physiologische O- und X-Bein-Stellungen, die sich bis etwa zum 8. Lebensjahr neutralisiert haben. Der Verschluss der Wachstumsfugen erfolgt zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr. Die Inzidenz für Verletzungen am distalen Femur liegt bei 0,8 % und der proximalen Tibia bei 1,2 %. Häufig sind diese Verletzungen durch Sporttraumata, Verkehrsunfälle oder Stürze aus großer Höhe entstanden. Ein besonderes Augenmerk ist immer auf eventuelle knöcherne Bandausrisse zu werfen, da bei hoher Elastizität der Bandstrukturen die einwirkenden Kräfte eher zu knöchernen Bandausrissen führen können als beim Erwachsenen [4]. Hier wird neben der klinischen und radiologischen Diagnostik die Abklärung einer unklaren Diagnose mittels Magnetresonanztomografie (MRT) immer bedeutender. Es werden wertvolle Zusatzinformationen gewonnen, die in einer radiologischen Diagnostik nicht gesehen werden können, z.B. eine Knochenprellung („Bone bruise“) oder Weichteilveränderungen [5].

Hämarthros

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