Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter

Maren Janko1, Maika Voth1, Johannes Frank1, Ingo Marzi1

Zusammenfassung: Verletzungen am Knie im Kindesalter ziehen sich die Patienten in über 75 % bei Sport- und Freizeitaktivitäten sowie in der Schule zu. Die meisten dieser Verletzungen sind extraartikuläre Verletzungen wie oberflächliche Schürfungen, Prellungen, Zerrungen oder Bursaverletzungen. Mit dem Alter der Kinder nehmen die intraartikulären Verletzungen zu. Klinisch fallen sie mit einem Kniegelenkerguss, Schwellung und Bewegungseinschränkungen auf. Die weiterführende Diagnostik ist essenziell, damit keine Verletzungen übersehen werden, die zu gravierenden Folgeschäden führen können, z.B. der frühzeitigen Arthrose. Die häufigste Ursache für ein Hämarthros ist die Patellaluxation. Bei unkomplizierten Fällen ohne operationswürdige Begleiterkrankungen wird die konservative Therapie angewandt, ebenso bei einem reinen Hämarthros. Die Patellafrakturen werden in Längs- und Querfrakturen sowie Sleeve-Frakturen unterteilt, hier muss meist operiert werden. Kommt es am distalen Anteil des Ligamentums patellae zu einer Krafteinwirkung, kann es zu einem Tuberositasausriss kommen, der bei Dislokation operativ zu stabilisieren ist. Der Eminentia-intercondylaris-Ausriss entspricht dem knöchernen vorderen Kreuzband (VKB) Ausriss und ist bei den unter 12-Jährigen zu finden. Bei den älteren Jugendlichen kommt es eher zu intraligamentären VKB-Rupturen. Hier ist immer auf begleitende Meniskusverletzungen zu achten, die selten isoliert vorkommen. Bei Meniskusverletzungen ist frühzeitig eine Refixation vorzunehmen, die bei Kindern gute Heilungstendenzen zeigt. Die Frakturen sind im Kindesalter stereotyp und schützen durch die noch offenen Epiphysenfugen bei Krafteinwirkung das Gelenk des noch unreifen Knochens. Bei Dislokation mit Gelenkbeteiligung ist eine operative Versorgung indiziert.

Schlüsselwörter: Hämarthros, Patellaverletzungen,Tuberositasausriss, VKB-Verletzungen, Meniskusverletzungen, Frakturen, unreifer Knochen

Zitierweise
Janko M, Voth M, Frank J, Marzi I. Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter.
OUP 2015; 6: 286–292 DOI 10.3238/oup.2015.0286–0292

Summary: Knee injuries in childhood incur in over 75 % of the patients during sports and leisure activities as well as in school. The majority of these injuries are extra-articular injuries such as superficial abrasions, bruises, strains or injuries of the bursa. The older the children, the more they suffer from intra-articular injuries. Clinically, patients present a fluid collection in the knee joint, swelling and loss of motion. Further diagnostic is essential to ensure that no concomitant diseases are overlooked. These can lead to serious consequential damages, such as early osteoarthritis. The most common cause of a hemarthros is the dislocation of the patella. In uncomplicated cases without additional comorbidities, conservative treatment is applied, as well as in an isolated hemarthros. The patellar fractures are divided in longitudinal-, transverse and sleeve fractures. A surgical treatment is usually necessary. If the ligament of the patellae receives a force effect at the distal part, it possibly leads to a tuberositas tibiae fracture. In case of dislocation, a stabilization operation is needed. The intercondylar eminence avulsion corresponds to the bony anterior cruciate ligament (ACL)-tear and can be found in the under 12-year-old children. Children over 12 years tend to intraligamentary ACL ruptures. Always pay attention to concomitant meniscal injuries which occur rarely isolated. Meniscus injuries tears should be reattached should at an early stage because the meniscus in this age shows good healing and long term consequences are severe. Usually, fractures in childhood are stereotype and protect the articulation through the remaining open epiphyses of the immature bone. Surgical repair is indicated in the case of cartilage incongruence or fracture dislocation.

Keywords: Hemarthros, patella injuries, tuberositas tibiae fracture, anterior cruciate ligament injuries, meniscal tear, fractures, immature bone

Citation
Janko M, Voth M, Frank J, Marzi I. Sport traumatic injuries around the knee in childhood.
OUP 2015; 6: 286–292 DOI 10.3238/oup.2015.0286–0292

Einleitung

Die Verletzungen am Knie betreffen am häufigsten die extraartikulären Weichteile wie Wunden, Prellungen, Zerrungen oder Bursaeröffnungen. Die intraartikulären Verletzungen sind anzahlmäßig gering und nehmen mit dem Alter des Kindes zu [1]. Man führt diesen Anstieg zum einen auf die modernen Trendsportarten mit der Risikobereitschaft in dieser Alterspanne zurück und zum anderen auf die reduzierten Bewegungsreize während der kindlichen Entwicklung und den damit folgenden Koordinationsstörungen der Kinder bei Schul- und Freizeitaktivitäten [2]. Bei den älteren Kindern ab 12 Jahren werden seit einigen Jahren vermehrt ligamentäre Bandrupturen beobachtet, was auf aggressivere Sportarten oder unzureichendes Training zurückgeführt wird [3].

Das Kniegelenk mit den angrenzenden Wachstumsfugen ist bis zum Abschluss des Körperwachstums sowohl für die Längengewinnung als auch die Entwicklung der Beinachse wesentlich. Die Epiphysenfugen des distalen Femurs und der proximalen Tibia tragen zusammen zu einem 70 %igen Längenwachstum des gesamten Beins bei. Während des Wachstums entstehen physiologische O- und X-Bein-Stellungen, die sich bis etwa zum 8. Lebensjahr neutralisiert haben. Der Verschluss der Wachstumsfugen erfolgt zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr. Die Inzidenz für Verletzungen am distalen Femur liegt bei 0,8 % und der proximalen Tibia bei 1,2 %. Häufig sind diese Verletzungen durch Sporttraumata, Verkehrsunfälle oder Stürze aus großer Höhe entstanden. Ein besonderes Augenmerk ist immer auf eventuelle knöcherne Bandausrisse zu werfen, da bei hoher Elastizität der Bandstrukturen die einwirkenden Kräfte eher zu knöchernen Bandausrissen führen können als beim Erwachsenen [4]. Hier wird neben der klinischen und radiologischen Diagnostik die Abklärung einer unklaren Diagnose mittels Magnetresonanztomografie (MRT) immer bedeutender. Es werden wertvolle Zusatzinformationen gewonnen, die in einer radiologischen Diagnostik nicht gesehen werden können, z.B. eine Knochenprellung („Bone bruise“) oder Weichteilveränderungen [5].

Hämarthros

Wird klinisch nach einem Trauma ein Hämarthros diagnostiziert, indiziert das immer eine weiterführende Diagnostik. Die häufigste Ursache für ein Hämarthros stellt die Patellaluxation dar [18]. Danach folgen Verletzungen wie der Riss des vorderen Kreuzbands und der knöcherne Eminentia-intercondylaris-Ausriss. In einer Studie von Askenberger et al. hatten insgesamt 70 % der Kinder mit Hämarthros eine schwerwiegende intraartikuläre Verletzung. Bei 39 % der Patienten zeigten die durchgeführten radiologischen Diagnostiken keine knöchernen Verletzungen, jedoch konnten nachfolgend im MRT behandlungswürdige Verletzungen nachgewiesen werden [6]. Dies zeigt die Wichtigkeit der weiterführenden Diagnostik bei Kindern mit Hämarthros nach Knietraumata.

Patellaluxation

Aufgrund des umfangreichen Themas der habituellen und chronischen Patellaluxationen werden diese in diesem Kapitel nicht behandelt, und es wird nur auf die traumatischen Patellaluxationen eingegangen. Sie sind generell selten (Inzidenz: 29 bis 77/100.000 Jahr) und meist durch ein direktes Trauma verursacht. Mädchen sind häufiger von einer Luxation betroffen als Jungen [7].

Die Diagnose ist durch die häufige Reposition direkt am Unfallort schwer zu stellen. Hinweise auf eine stattgefundene Patellaluxation liefert ein Druckschmerz über dem medialen Retinakulum oder der medialen Patella sowie über dem lateralen Femurkondylus mit positivem Apprehensiontest, wobei der Luxationsvorgang nachgeahmt wird und es dabei zu einer Schmerzangabe des Patienten kommt [5].

Mögliche Begleiterkrankungen sind Weichteilschäden oder osteochondrale Frakturen. Die Diagnostik besteht aus der klinischen Untersuchung und einem Röntgenbild des Knies in 2 Ebenen (a.p. und lateral). In einer Studie von Sellnow wurde in 75 % der untersuchten Fälle bereits klinisch die Patellaluxation diagnostiziert und konnte in allen Fällen arthroskopisch verifiziert werden. Wenn der Verdacht besteht, dass der Knochen mit betroffen sein könnte, ist eine MRT häufig richtungsweisend, sowie die primäre ASK bei ausgeprägtem Hämarthros und dem Verdacht, eine erwartete therapeutische Maßnahme durchführen zu können. Zusätzlich können mittels der gewonnenen MRT-Daten die anatomischen Risikofaktoren herausgefiltert und dadurch das therapeutische Vorgehen angeglichen werden [5].

Eine Kniegelenkpunktion kann im Akutfall zur Schmerzreduktion durchgeführt werden. Zeigen sich gelbe Fettaugen auf dem Blut, deutet es auf eine knöcherne Verletzung hin. Die Therapie richtet sich nach den möglichen Begleitverletzungen. Bei unkomplizierten Erstluxationen ohne Begleitverletzungen kann eine konservative Therapie mittels Oberschenkelgips für 3 Wochen angewandt werden. Anschließend wird funktionell mit Muskelaufbau des M. vastus medialis obliquus der M. quadriceps behandelt. Die Sportfähigkeit besteht bei reizlosem Kniegelenk und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 6 Wochen.

Bei osteochondralen Begleitverletzungen ist immer eine primäre Operation mit der Möglichkeit der Knorpelrefixation notwendig, auch nach einer erfolglosen konservativen Therapie ist eine operative Therapie indiziert. Besteht der Nachweis einer medialen patellofemoralen Ligamenten- (MPFL) Ruptur, ist ebenfalls eine OP indiziert (Abb1). Nach der Patellaluxation wurde bei 90,2 % der Kinder eine Verletzung am MPFL im MRT nachgewiesen [8]. Das Band ist der stärkste passive Stabilisator des Kniegelenks in 0–30° Beugung und limitiert die laterale Beweglichkeit im Kniegelenk, und es kann an verschiedenen Stellen reißen. Zum einen kann der Abriss nahe oder an der Patella liegen oder nach medial dorsal im Verlauf des MPFL verlagert sein. Eine Wiederherstellung der Knieanatomie mittels primärer Naht oder Refixation mit Knochenanker und gegebenenfalls mittels Sehnenrekonstruktion des MPFL wird bei Patellainstabilität auch bei jungen Patienten empfohlen [9, 10].

Patellafraktur

Eine Fraktur der Patella ist bei Kindern, aufgrund des nachgiebigeren Kniegelenks und des noch laxeren Bandapparats im Vergleich zum Erwachsenen seltener. Die Inzidenz beträgt 1 %. Es werden Längs- und Querfrakturen unterschieden, sowie die unten beschriebenen Sleeve-Frakturen. Häufig erfolgten die Patellafrakturen durch ein direktes Trauma. Diagnostiziert werden sie mit Röntgenbildern in a.p. und dem seitlichen Strahlengang und ggf. durch eine zusätzliche axiale Aufnahme bei Längsfrakturen. In unklaren Fällen kann ein MRT hilfreich sein oder bei zu erwartenden therapeutischen Maßnahmen eine Arthroskopie. Das Therapieziel ist eine Rekonstruktion des Streckapparats und die Erhaltung der Gelenkkongruenz. Die undislozierten Frakturen und vor allem Längsfrakturen werden 4 Wochen im Oberschenkelgips unter Abrollbelastung therapiert. Die Nachbehandlung beinhaltet nochmals eine 2-wöchige Abrollbelastung nach der Gipsentnahme und dann eine folgende schmerzadaptierte Aufbelastung mit eventueller krankengymnastischer Unterstützung. Die Sportfähigkeit ist bei freier Funktion und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 3 Monaten wieder gegeben. Die dislozierten Frakturen stellen die Indikation zur operativen Versorgung dar. Bei den Querfrakturen wird offen reponiert und eine Zuggurtungsosteosynthese durchgeführt. Die Längsfrakturen können arthroskopisch mittels Schraubenosteosynthese oder ggf offen fixiert werden. Die Versorgungen sind übungsstabil. Bei der Zuggurtung wird meist eine Abrollbelastung im Oberschenkelgips oder eine Orthese für 5 Wochen bis zur radiologischen Kontrolle empfohlen und dann eine schmerzabhängige Aufbelastung.

Eine Metallentfernung wird 6 Monate postoperativ empfohlen. Nach etwa 3 Monaten ist bei symmetrischen Muskelverhältnissen die Sportfähigkeit wiederhergestellt. Zu den Komplikationen kann es bei Gelenkstufen mit einer folgenden Präarthrose kommen, sowie zu Pseudarthrosen oder dem Ausriss des Osteosynthesematerials. Wachstumsstörungen sind nicht zu erwarten. Eine Nachkontrolle sollte bis zur Ausheilung mit freier Funktion durchgeführt werden.

Knöcherne Ausrisse des
Ligamentum patellae
(Sleeve-Fraktur)

Bei den Sleeve-Frakturen handelt es sich um einen osteochondralen Abriss des Ligamentum patellae am caudalen Patellapol. Hauptsächlich sind die 8 bis 12 Jährigen betroffen, die eine plötzliche Quadrizepsspannung durchgeführt haben, wie es z.B. beim Hochsprung erfolgt. Die Diagnose kann sowohl klinisch als auch radiologisch schwer zu stellen sein, wenn keine knöchernen Anteile mit verletzt werden. Hierbei können eine hochstehende Patella und die Sonografie der Sehne richtungsweisend sein [11]. Die Behandlung der nicht dislozierten (< 2 mm) Sleeve-Frakturen kann konservativ in Streckstellung durchgeführt werden (Abb 2a und 2b). Bei dislozierten Sleeve-Frakturen muss eine operative Therapie durchgeführt werden (Abb 2c und d), bei der zunächst die Fraktur repositioniert wird und anschließend eine Refixation mittels transossärer Fixationsnaht mit PDS der Stärke 1,0 oder einem Bio-Corkscrew-Anker erfolgt. Hierbei ist auf die Wiederherstellung des Kontakts von Periost mit der subkutanen Oberfläche der Patella zu achten. Wenn Knochenpins benutzt werden, sollten diese aus resorbierbarem Material sein. Bei einer notwendigen Schraubenosteosynthese ist eine Metallentfernung nach 6 Monaten empfohlen.

Tuberositasausrisse

Ausrisse der Tuberositas können extra- oder intrartikulär sein. Die Einteilung erfolgt nach Watson-Jones, die 3 Typen festgelegt haben (Abb 3). Grad I und II sind extraartikulär und Grad III besitzt eine artikuläre Komponente.

Die Verdachtsdiagnose wird anhand der Klinik gestellt, die ein Hämatom lokal, einen Hämarthros und eine Streckunfähigkeit zeigt, und mittels Röntgen in 2 Ebenen (a.p. und seitlich) bestätigt. Gegebenenfalls kann eine Arthroskopie des Kniegelenks weitere Gelenkbeteiligungen offenbaren und im selben Eingriff therapiert werden.

Das Therapieziel ist eine funktionelle Rekonstruktion und eine Dislokation unter 5 mm. Wenn es sich bei Typ I und II um eine nicht dislozierte Fraktur und eine Dislokation unter 5 mm handelt, kann die Therapie konservativ im Oberschenkelgips für 6 Wochen unter Abrollbelastung erfolgen. Eine Konsolidierungskontrolle erfolgt mittels Röntgenbild nach 6 Wochen. Die Sportfähigkeit besteht bei symmetrischen Muskelverhältnissen etwa 4–6 Wochen nach der Konsolidierung.

Ist die Fraktur von Typ II und III hingegen disloziert mit einer Dislokation > 5 mm und einer Gelenkstufe von > 2 mm, wird ein offenes Verfahren angestrebt, mit der Frakturreposition und -retention mittels Schraubenosteosynthese (Abb 4). Ein fugenkreuzendes Verfahren ist hier aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Adoleszenten und den sich bereits verschließenden Fugen möglich. Wichtig ist bei der Versorgung der intraartikulären Fraktur die offene oder ASK-gesteuerte Gelenkrekonstruktion zur Vermeidung von Folgeschäden. Je nach Weichteilsituation muss ggf. eine Weichteilrekonstruktion erfolgen. Die postoperative Nachbehandlung sieht eine Abrollbelastung für 6 Wochen bei freier Beweglichkeit vor. Sollten es die Weichteile erfordern, kann bis zur Konsolidierung des Gewebes eine Oberschenkelschiene angelegt werden. Neben der postoperativen Stellungskontrolle erfolgt die Konsolidierungskontrolle 6 Wochen nach der Operation. Eine Metallentfernung wird 12 Wochen postoperativ empfohlen. Die Sportfähigkeit besteht wie bei dem konservativen Vorgehen etwa 4–6 Wochen nach der Konsolidierung bei symmetrischen Muskelverhältnissen.

Nach der anatomischen Rekonstruktion der Fraktur sind die Ergebnisse gut und ein Schluss der Fugen selten, da es sich meist um ausgewachsene Verunfallte im Stadium des Fugenschlusses handelt. Bis zur freien Funktion sollten 3-wöchentliche Kontrollen durchgeführt werden und dann halbjährliche Kontrollen zur Überprüfung der Beinlängendifferenzen oder Achsfehlstellungen. Sollte es zu Fehlstellungen kommen, wird eine radiologische Kontrolle durchgeführt.

Eminentia-intercondylaris -Ausrisse

Um das 12. Lebensjahr herum ist ein entscheidender Zeitpunkt, ob hauptsächlich ein knöcherner Ausriss des vorderen Kreuzbands (Eminentia-intercondylaris-Ausriss) vorliegt (Patienten < 12 Jahre) oder ob es bei den > 12-Jährigen eher zu intraligamentären Kreuzbandrupturen (s.u.) kommt. Der Eminentia-intercondylaris-Ausriss liegt intraartikulär, epiphysär und betrifft nicht die Epiphyse. Er zählt zu den häufigsten epiphysären Frakturen der proximalen Tibia. Begleitend stellen sich die Patienten mit einem ausgeprägten Hämarthros und Instabilität im Kniegelenk vor. Diagnostiziert wird ein Eminentia-intercondylaris-Ausriss mittels Röntgendiagnostik in 2 Ebenen. Eine primäre ASK zur Entlastung des Hämarthros und der gleichzeitigen operativen Versorgung ist möglich. Um Begleitverletzungen aufzudecken, bietet sich gegebenenfalls eine MRT an, wobei diese selten sind [12]. Eingeteilt wird die Fraktur nach Meyers und McKeever (Abb 5). Das Therapieziel besteht in einer Wiederherstellung der Bandstabilität, sowie der Vermeidung von Meniskusläsionen oder Knorpelschäden als Spätschäden. Als Primärbehandlung dient ggf. eine Punktion des Hämarthros zur Entlastung und Schmerzreduktion, eine Oberschenkelanlage in Extension und bei Bedarf eine medikamentöse Analgesie und Thromboseprophylaxe.

Bei nicht oder undislozierten knöchernen Bandausrissen wird eine konservative Therapie durchgeführt. Hierbei wird ein Oberschenkelgips in Streckstellung für 3 Wochen angelegt und dann eine 10°-Beugestellung für weitere 3 Wochen unter Vollbelastung. Die Nachbehandlung zielt auf eine schmerzabhängige Mobilisation ab mit Muskelaufbau und Krankengymnastik. Nach einer Woche erfolgt die radiologische Stellungskontrolle und nach 6 Wochen eine Konsolidierungskontrolle. Die Sportfähigkeit ist bei freier Funktion und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 12 Wochen wiederhergestellt.

Ab Grad II ist eine operative Reposition mit entsprechender Fixation notwendig, wenn ein dislozierter, instabiler Bandausriss vorliegt oder Begleitverletzungen, wie z.B. Meniskus-, Kollateralband- oder Knorpelläsionen (Abb 6). Ein Komplikationsrisiko dieser Verletzung ist die Einklemmung der Vorderhörner der Menisken oder des anterioren intermeniskalen Bands, die ein Repositionshindernis sein können [13]. Diese müssen bei Grad II und III inspiziert werden. Als Vorgehen wird hier die ASK gewählt. Es wird eine arthroskopische Reposition durchgeführt mit Fixation durch Naht, Schraube oder K-Drähten. Hierbei ist auf die Wachstumsfugen zu achten. Es erfolgt eine postoperative Stellungskontrolle 6 Wochen postoperativ. Eine Metallentfernung steht bei konsolidierten Frakturen nach 12 Wochen an. Die Sportfähigkeit besteht bei freier Funktion und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 12 Wochen wieder.

Bis zum Wachstumsabschluss sollten Nachkontrollen der Kniebandstabilität durchgeführt werden, um eine dauerhafte Bandinstabilität herauskristallisieren zu können. Eine weitere Langzeitkomplikation kann die sekundäre ACL-Insuffizienz darstellen.

VKB Ruptur

Zu einer intraligamentären Ruptur des vorderen Kreuzbands kommt es hauptsächlich bei Kindern > 12 Jahre, in Einzelfällen jedoch auch schon < 10 Jahren. Die Inzidenz hat in den letzten Jahren zugenommen, was auf die steigenden und intensiveren Teilnahmen an kniebelastenden Sportarten durch die Kinder erklärt wird [3]. Schon 1938 [14] wurde eine anatomische Präposition für den vorderen Kreuzbandriss beschrieben. Klinisch zeigt sich bei den Patienten ein Hämarthros sowie eine Instabilität im Kniegelenk. Als Diagnostik führt man ein Röntgenbild in 2 Ebenen durch, um knöcherne Bandausrisse auszuschließen, und zur Diagnosesicherung eine MRT (Abb 7.1). Bei dieser Verletzungsart kommt es häufig zu denselben Begleitverletzungen wie beim Eminentia-intercondylaris-Ausriss.

Als Primärbehandlung wird ein Oberschenkelgips in Extension angelegt. Aus den kontroversen Diskussionen der letzten Jahre kristallisiert sich eindeutig die operative Versorgung als Therapie der Wahl heraus. Die Therapie bei den kompletten Rupturen des vorderen Kreuzbands mit Knieinstabilität (giving way) wird mittels ASK und Sehnenersatzplastik (einzeitig oder je nach Begleitverletzungen) empfohlen (Abb 7.2), da in der Vergangenheit eine erhöhte Rate an instabilitätsbedingten Meniskus- und Knorpelläsionen und der Gefahr der Früharthrose bei der konservativen Therapie aufgetreten sind [15].

Das vermehrte Risiko einer Wachstumsstörung nach schonender operativer Therapie (steiler Bohrkanal mit kurzer Kreuzung der Fuge, Bohrkanal und Sehne mit gleichem Durchmesser, Fixation außerhalb der Fugen) [16, 17] bei noch nicht geschlossenen Wachstumsfugen konnte nicht nachgewiesen werden [18]. Auch in Studien [19] wurden bei der Kreuzbandrekonstruktion im Vergleich zur konservativen Therapie signifikant bessere Ergebnisse erzielt. Allerdings gilt zu bedenken, dass jüngere Patienten eher mit knöchernen Ausrissen als mit intraligamentären Rupturen vorstellig werden und daher das Vorgehen immer kritisch diskutiert werden sollte. Des Weiteren ist die Komplikationsrate bei den unter 12-jährigen Kindern unbekannt, sie sollte durch weitere Studien untersucht werden [20]. Die intraligamentäre Naht führte nicht zu Wachstumsstörungen, besitzt jedoch eine Rerupturrate von fast 5 % [15].

Die Nachbehandlung erfolgt in der Regel mittels Orthese ohne Bewegungslimit unter Teilbelastung für die ersten 4–6 Wochen. Eine Sportfähigkeit besteht bei freier Funktion, Schmerzfreiheit und symmetrischen Muskelverhältnissen. Die Nachkontrollen erfolgen wöchentlich bis zur freien Funktion und nach Abschluss bei Beschwerdefreiheit nach eineinhalb Jahren. Eine Kontrolle bei Wachstumsabschluss sollte erfolgen, da es selten zu Wachstumsstörungen kommen kann.

Meniskusverletzungen

Meniskusverletzungen sind selten und bei Kindern < 14 Jahren meist auf eine Anlagestörung zurückzuführen, den Scheibenmeniskus. Eine isolierte Verletzung des Meniskus ist unüblich. Häufig geht dieses Verletzungsbild mit einer Verletzung der Kreuzbänder einher [3]. Als primäres Therapieziel ist eine Refixation anzustreben, da die Heilungsraten hoch sind. Als Technik hat sich die All-side-in-Methode mit diversen Nahtinstrumenten bewährt und kann heute als Standard angesehen werden [21]. Sollte dies nicht möglich sein, wird eine sparsame Teilresektion durchgeführt, da bei totaler Resektion mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer frühen Arthrose zu rechnen ist [4].

Fraktur

In dieser Zeit kommt es zu stereotypen Frakturmustern. Bei noch offenen Epiphysenfugen werden diese nach Salter-Harris oder Aitken eingeteilt. Die Fugen schützen das Gelenk bei hohen Krafteinwirkungen, sodass es sehr selten zu Gelenkfrakturen kommt, sondern eher zu Epiphysenfugenverletzungen. Es gibt Zahlen, aus denen hervorgeht, dass das Verhältnis zwischen artikulären und extraartikulären Frakturen 1 : 50 beträgt [4]. Bei beginnendem Verschluss entstehen die sogenannten Übergangsfrakturen, die auch einem stereotypen Verletzungsmuster folgen und nicht so willkürlich sind wie bei den Knochenbrüchen der Erwachsenen. Eine Diagnose der Frakturen und intraartikulären Verletzungen ist wichtig aufgrund der frühzeitig möglichen Arthrose, um die Folgekomplikationen zu vermeiden [22]. Bei undislozierten Frakturen ist eine konservative Behandlung mittels Ruhigstellung in Streckstellung für 4–5 Wochen möglich. Bei der Gefahr für Wachstumsstörungen oder einem Abrutschen der Fraktur sowie bei dislozierten Frakturen ist eine operative Therapie unumgänglich. Hier ist die Reposition in Allgemeinanästhesie und die geschlossene Fixation mit 2 fugenkreuzenden K-Drähten oder durch eine epihysäre, parallel zum Gelenk verlaufende Schraube Mittel der Wahl. Die Nachbehandlung erfolgt für 4–5 Wochen im Oberschenkelgips, und nach radiologischer Konsolidierungskontrolle die K-Draht-Entfernung. Danach folgt die schmerzabhängige Aufbelastung [23]. Zu berücksichtigen bleibt bei jeder Fraktur, dass Wachstumsstörungen bei noch weit offenen Fugen möglich sind. Durch die stimulative Wachstumsstörung kann es zu einer Beinverlängerung kommen. Im Gegensatz dazu kann eine Verletzung der Fuge beim Unfall oder der Versorgung stattfinden und somit zu einem partiellen oder kompletten vorzeitigen Fugenschluss mit möglichem Fehlwachstum, Beinlängenverkürzung und Achsfehlstellungen kommen.

Epiphysenlösung

Übergangsfraktur

Beim Adoleszenten entstehen spezielle Frakturverläufe bei bereits beginnendem Fugenschluss, die Übergangsfrakturen genannt werden. Das Therapieziel ist die Wiederherstellung des Gelenks. Da der Fugenschluss bereits begonnen hat, dürfen fugenkreuzende Operationsverfahren angewandt werden, und Wachstumsstörungen sind nicht zu erwarten [24].

Dank der bestehenden Anatomie mit den noch offenen Wachstumsfugen und der daraus folgenden biomechanischen Besonderheit sind schwerwiegende Verletzungen am Kniegelenk selten. Die speziellen Verletzungsmuster der Kinder unterscheiden sich zu denen der Erwachsenen und sollten dem Untersucher und Behandler bekannt sein. Diese speziellen Kenntnisse erleichtern den Umgang mit der Verletzung und geben Sicherheit bei der Diagnostik und der weiterführenden Therapie der kindlichen Verletzung [23].

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Maren Janko

Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

Klinikum der Goethe-Universität
Frankfurt

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

maren.janko@kgu.de

Literatur

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Fussnoten

1 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt

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