Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter

Wird klinisch nach einem Trauma ein Hämarthros diagnostiziert, indiziert das immer eine weiterführende Diagnostik. Die häufigste Ursache für ein Hämarthros stellt die Patellaluxation dar [18]. Danach folgen Verletzungen wie der Riss des vorderen Kreuzbands und der knöcherne Eminentia-intercondylaris-Ausriss. In einer Studie von Askenberger et al. hatten insgesamt 70 % der Kinder mit Hämarthros eine schwerwiegende intraartikuläre Verletzung. Bei 39 % der Patienten zeigten die durchgeführten radiologischen Diagnostiken keine knöchernen Verletzungen, jedoch konnten nachfolgend im MRT behandlungswürdige Verletzungen nachgewiesen werden [6]. Dies zeigt die Wichtigkeit der weiterführenden Diagnostik bei Kindern mit Hämarthros nach Knietraumata.

Patellaluxation

Aufgrund des umfangreichen Themas der habituellen und chronischen Patellaluxationen werden diese in diesem Kapitel nicht behandelt, und es wird nur auf die traumatischen Patellaluxationen eingegangen. Sie sind generell selten (Inzidenz: 29 bis 77/100.000 Jahr) und meist durch ein direktes Trauma verursacht. Mädchen sind häufiger von einer Luxation betroffen als Jungen [7].

Die Diagnose ist durch die häufige Reposition direkt am Unfallort schwer zu stellen. Hinweise auf eine stattgefundene Patellaluxation liefert ein Druckschmerz über dem medialen Retinakulum oder der medialen Patella sowie über dem lateralen Femurkondylus mit positivem Apprehensiontest, wobei der Luxationsvorgang nachgeahmt wird und es dabei zu einer Schmerzangabe des Patienten kommt [5].

Mögliche Begleiterkrankungen sind Weichteilschäden oder osteochondrale Frakturen. Die Diagnostik besteht aus der klinischen Untersuchung und einem Röntgenbild des Knies in 2 Ebenen (a.p. und lateral). In einer Studie von Sellnow wurde in 75 % der untersuchten Fälle bereits klinisch die Patellaluxation diagnostiziert und konnte in allen Fällen arthroskopisch verifiziert werden. Wenn der Verdacht besteht, dass der Knochen mit betroffen sein könnte, ist eine MRT häufig richtungsweisend, sowie die primäre ASK bei ausgeprägtem Hämarthros und dem Verdacht, eine erwartete therapeutische Maßnahme durchführen zu können. Zusätzlich können mittels der gewonnenen MRT-Daten die anatomischen Risikofaktoren herausgefiltert und dadurch das therapeutische Vorgehen angeglichen werden [5].

Eine Kniegelenkpunktion kann im Akutfall zur Schmerzreduktion durchgeführt werden. Zeigen sich gelbe Fettaugen auf dem Blut, deutet es auf eine knöcherne Verletzung hin. Die Therapie richtet sich nach den möglichen Begleitverletzungen. Bei unkomplizierten Erstluxationen ohne Begleitverletzungen kann eine konservative Therapie mittels Oberschenkelgips für 3 Wochen angewandt werden. Anschließend wird funktionell mit Muskelaufbau des M. vastus medialis obliquus der M. quadriceps behandelt. Die Sportfähigkeit besteht bei reizlosem Kniegelenk und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 6 Wochen.

Bei osteochondralen Begleitverletzungen ist immer eine primäre Operation mit der Möglichkeit der Knorpelrefixation notwendig, auch nach einer erfolglosen konservativen Therapie ist eine operative Therapie indiziert. Besteht der Nachweis einer medialen patellofemoralen Ligamenten- (MPFL) Ruptur, ist ebenfalls eine OP indiziert (Abb1). Nach der Patellaluxation wurde bei 90,2 % der Kinder eine Verletzung am MPFL im MRT nachgewiesen [8]. Das Band ist der stärkste passive Stabilisator des Kniegelenks in 0–30° Beugung und limitiert die laterale Beweglichkeit im Kniegelenk, und es kann an verschiedenen Stellen reißen. Zum einen kann der Abriss nahe oder an der Patella liegen oder nach medial dorsal im Verlauf des MPFL verlagert sein. Eine Wiederherstellung der Knieanatomie mittels primärer Naht oder Refixation mit Knochenanker und gegebenenfalls mittels Sehnenrekonstruktion des MPFL wird bei Patellainstabilität auch bei jungen Patienten empfohlen [9, 10].

Patellafraktur

Eine Fraktur der Patella ist bei Kindern, aufgrund des nachgiebigeren Kniegelenks und des noch laxeren Bandapparats im Vergleich zum Erwachsenen seltener. Die Inzidenz beträgt 1 %. Es werden Längs- und Querfrakturen unterschieden, sowie die unten beschriebenen Sleeve-Frakturen. Häufig erfolgten die Patellafrakturen durch ein direktes Trauma. Diagnostiziert werden sie mit Röntgenbildern in a.p. und dem seitlichen Strahlengang und ggf. durch eine zusätzliche axiale Aufnahme bei Längsfrakturen. In unklaren Fällen kann ein MRT hilfreich sein oder bei zu erwartenden therapeutischen Maßnahmen eine Arthroskopie. Das Therapieziel ist eine Rekonstruktion des Streckapparats und die Erhaltung der Gelenkkongruenz. Die undislozierten Frakturen und vor allem Längsfrakturen werden 4 Wochen im Oberschenkelgips unter Abrollbelastung therapiert. Die Nachbehandlung beinhaltet nochmals eine 2-wöchige Abrollbelastung nach der Gipsentnahme und dann eine folgende schmerzadaptierte Aufbelastung mit eventueller krankengymnastischer Unterstützung. Die Sportfähigkeit ist bei freier Funktion und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 3 Monaten wieder gegeben. Die dislozierten Frakturen stellen die Indikation zur operativen Versorgung dar. Bei den Querfrakturen wird offen reponiert und eine Zuggurtungsosteosynthese durchgeführt. Die Längsfrakturen können arthroskopisch mittels Schraubenosteosynthese oder ggf offen fixiert werden. Die Versorgungen sind übungsstabil. Bei der Zuggurtung wird meist eine Abrollbelastung im Oberschenkelgips oder eine Orthese für 5 Wochen bis zur radiologischen Kontrolle empfohlen und dann eine schmerzabhängige Aufbelastung.

Eine Metallentfernung wird 6 Monate postoperativ empfohlen. Nach etwa 3 Monaten ist bei symmetrischen Muskelverhältnissen die Sportfähigkeit wiederhergestellt. Zu den Komplikationen kann es bei Gelenkstufen mit einer folgenden Präarthrose kommen, sowie zu Pseudarthrosen oder dem Ausriss des Osteosynthesematerials. Wachstumsstörungen sind nicht zu erwarten. Eine Nachkontrolle sollte bis zur Ausheilung mit freier Funktion durchgeführt werden.

Knöcherne Ausrisse des
Ligamentum patellae
(Sleeve-Fraktur)

Bei den Sleeve-Frakturen handelt es sich um einen osteochondralen Abriss des Ligamentum patellae am caudalen Patellapol. Hauptsächlich sind die 8 bis 12 Jährigen betroffen, die eine plötzliche Quadrizepsspannung durchgeführt haben, wie es z.B. beim Hochsprung erfolgt. Die Diagnose kann sowohl klinisch als auch radiologisch schwer zu stellen sein, wenn keine knöchernen Anteile mit verletzt werden. Hierbei können eine hochstehende Patella und die Sonografie der Sehne richtungsweisend sein [11]. Die Behandlung der nicht dislozierten (< 2 mm) Sleeve-Frakturen kann konservativ in Streckstellung durchgeführt werden (Abb 2a und 2b). Bei dislozierten Sleeve-Frakturen muss eine operative Therapie durchgeführt werden (Abb 2c und d), bei der zunächst die Fraktur repositioniert wird und anschließend eine Refixation mittels transossärer Fixationsnaht mit PDS der Stärke 1,0 oder einem Bio-Corkscrew-Anker erfolgt. Hierbei ist auf die Wiederherstellung des Kontakts von Periost mit der subkutanen Oberfläche der Patella zu achten. Wenn Knochenpins benutzt werden, sollten diese aus resorbierbarem Material sein. Bei einer notwendigen Schraubenosteosynthese ist eine Metallentfernung nach 6 Monaten empfohlen.

Tuberositasausrisse

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