Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter

Ausrisse der Tuberositas können extra- oder intrartikulär sein. Die Einteilung erfolgt nach Watson-Jones, die 3 Typen festgelegt haben (Abb 3). Grad I und II sind extraartikulär und Grad III besitzt eine artikuläre Komponente.

Die Verdachtsdiagnose wird anhand der Klinik gestellt, die ein Hämatom lokal, einen Hämarthros und eine Streckunfähigkeit zeigt, und mittels Röntgen in 2 Ebenen (a.p. und seitlich) bestätigt. Gegebenenfalls kann eine Arthroskopie des Kniegelenks weitere Gelenkbeteiligungen offenbaren und im selben Eingriff therapiert werden.

Das Therapieziel ist eine funktionelle Rekonstruktion und eine Dislokation unter 5 mm. Wenn es sich bei Typ I und II um eine nicht dislozierte Fraktur und eine Dislokation unter 5 mm handelt, kann die Therapie konservativ im Oberschenkelgips für 6 Wochen unter Abrollbelastung erfolgen. Eine Konsolidierungskontrolle erfolgt mittels Röntgenbild nach 6 Wochen. Die Sportfähigkeit besteht bei symmetrischen Muskelverhältnissen etwa 4–6 Wochen nach der Konsolidierung.

Ist die Fraktur von Typ II und III hingegen disloziert mit einer Dislokation > 5 mm und einer Gelenkstufe von > 2 mm, wird ein offenes Verfahren angestrebt, mit der Frakturreposition und -retention mittels Schraubenosteosynthese (Abb 4). Ein fugenkreuzendes Verfahren ist hier aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Adoleszenten und den sich bereits verschließenden Fugen möglich. Wichtig ist bei der Versorgung der intraartikulären Fraktur die offene oder ASK-gesteuerte Gelenkrekonstruktion zur Vermeidung von Folgeschäden. Je nach Weichteilsituation muss ggf. eine Weichteilrekonstruktion erfolgen. Die postoperative Nachbehandlung sieht eine Abrollbelastung für 6 Wochen bei freier Beweglichkeit vor. Sollten es die Weichteile erfordern, kann bis zur Konsolidierung des Gewebes eine Oberschenkelschiene angelegt werden. Neben der postoperativen Stellungskontrolle erfolgt die Konsolidierungskontrolle 6 Wochen nach der Operation. Eine Metallentfernung wird 12 Wochen postoperativ empfohlen. Die Sportfähigkeit besteht wie bei dem konservativen Vorgehen etwa 4–6 Wochen nach der Konsolidierung bei symmetrischen Muskelverhältnissen.

Nach der anatomischen Rekonstruktion der Fraktur sind die Ergebnisse gut und ein Schluss der Fugen selten, da es sich meist um ausgewachsene Verunfallte im Stadium des Fugenschlusses handelt. Bis zur freien Funktion sollten 3-wöchentliche Kontrollen durchgeführt werden und dann halbjährliche Kontrollen zur Überprüfung der Beinlängendifferenzen oder Achsfehlstellungen. Sollte es zu Fehlstellungen kommen, wird eine radiologische Kontrolle durchgeführt.

Eminentia-intercondylaris -Ausrisse

Um das 12. Lebensjahr herum ist ein entscheidender Zeitpunkt, ob hauptsächlich ein knöcherner Ausriss des vorderen Kreuzbands (Eminentia-intercondylaris-Ausriss) vorliegt (Patienten < 12 Jahre) oder ob es bei den > 12-Jährigen eher zu intraligamentären Kreuzbandrupturen (s.u.) kommt. Der Eminentia-intercondylaris-Ausriss liegt intraartikulär, epiphysär und betrifft nicht die Epiphyse. Er zählt zu den häufigsten epiphysären Frakturen der proximalen Tibia. Begleitend stellen sich die Patienten mit einem ausgeprägten Hämarthros und Instabilität im Kniegelenk vor. Diagnostiziert wird ein Eminentia-intercondylaris-Ausriss mittels Röntgendiagnostik in 2 Ebenen. Eine primäre ASK zur Entlastung des Hämarthros und der gleichzeitigen operativen Versorgung ist möglich. Um Begleitverletzungen aufzudecken, bietet sich gegebenenfalls eine MRT an, wobei diese selten sind [12]. Eingeteilt wird die Fraktur nach Meyers und McKeever (Abb 5). Das Therapieziel besteht in einer Wiederherstellung der Bandstabilität, sowie der Vermeidung von Meniskusläsionen oder Knorpelschäden als Spätschäden. Als Primärbehandlung dient ggf. eine Punktion des Hämarthros zur Entlastung und Schmerzreduktion, eine Oberschenkelanlage in Extension und bei Bedarf eine medikamentöse Analgesie und Thromboseprophylaxe.

Bei nicht oder undislozierten knöchernen Bandausrissen wird eine konservative Therapie durchgeführt. Hierbei wird ein Oberschenkelgips in Streckstellung für 3 Wochen angelegt und dann eine 10°-Beugestellung für weitere 3 Wochen unter Vollbelastung. Die Nachbehandlung zielt auf eine schmerzabhängige Mobilisation ab mit Muskelaufbau und Krankengymnastik. Nach einer Woche erfolgt die radiologische Stellungskontrolle und nach 6 Wochen eine Konsolidierungskontrolle. Die Sportfähigkeit ist bei freier Funktion und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 12 Wochen wiederhergestellt.

Ab Grad II ist eine operative Reposition mit entsprechender Fixation notwendig, wenn ein dislozierter, instabiler Bandausriss vorliegt oder Begleitverletzungen, wie z.B. Meniskus-, Kollateralband- oder Knorpelläsionen (Abb 6). Ein Komplikationsrisiko dieser Verletzung ist die Einklemmung der Vorderhörner der Menisken oder des anterioren intermeniskalen Bands, die ein Repositionshindernis sein können [13]. Diese müssen bei Grad II und III inspiziert werden. Als Vorgehen wird hier die ASK gewählt. Es wird eine arthroskopische Reposition durchgeführt mit Fixation durch Naht, Schraube oder K-Drähten. Hierbei ist auf die Wachstumsfugen zu achten. Es erfolgt eine postoperative Stellungskontrolle 6 Wochen postoperativ. Eine Metallentfernung steht bei konsolidierten Frakturen nach 12 Wochen an. Die Sportfähigkeit besteht bei freier Funktion und symmetrischen Muskelverhältnissen nach etwa 12 Wochen wieder.

Bis zum Wachstumsabschluss sollten Nachkontrollen der Kniebandstabilität durchgeführt werden, um eine dauerhafte Bandinstabilität herauskristallisieren zu können. Eine weitere Langzeitkomplikation kann die sekundäre ACL-Insuffizienz darstellen.

VKB Ruptur

Zu einer intraligamentären Ruptur des vorderen Kreuzbands kommt es hauptsächlich bei Kindern > 12 Jahre, in Einzelfällen jedoch auch schon < 10 Jahren. Die Inzidenz hat in den letzten Jahren zugenommen, was auf die steigenden und intensiveren Teilnahmen an kniebelastenden Sportarten durch die Kinder erklärt wird [3]. Schon 1938 [14] wurde eine anatomische Präposition für den vorderen Kreuzbandriss beschrieben. Klinisch zeigt sich bei den Patienten ein Hämarthros sowie eine Instabilität im Kniegelenk. Als Diagnostik führt man ein Röntgenbild in 2 Ebenen durch, um knöcherne Bandausrisse auszuschließen, und zur Diagnosesicherung eine MRT (Abb 7.1). Bei dieser Verletzungsart kommt es häufig zu denselben Begleitverletzungen wie beim Eminentia-intercondylaris-Ausriss.

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