Übersichtsarbeiten - OUP 06/2015

Sporttraumatologische Besonderheiten am Knie im Kindesalter

Als Primärbehandlung wird ein Oberschenkelgips in Extension angelegt. Aus den kontroversen Diskussionen der letzten Jahre kristallisiert sich eindeutig die operative Versorgung als Therapie der Wahl heraus. Die Therapie bei den kompletten Rupturen des vorderen Kreuzbands mit Knieinstabilität (giving way) wird mittels ASK und Sehnenersatzplastik (einzeitig oder je nach Begleitverletzungen) empfohlen (Abb 7.2), da in der Vergangenheit eine erhöhte Rate an instabilitätsbedingten Meniskus- und Knorpelläsionen und der Gefahr der Früharthrose bei der konservativen Therapie aufgetreten sind [15].

Das vermehrte Risiko einer Wachstumsstörung nach schonender operativer Therapie (steiler Bohrkanal mit kurzer Kreuzung der Fuge, Bohrkanal und Sehne mit gleichem Durchmesser, Fixation außerhalb der Fugen) [16, 17] bei noch nicht geschlossenen Wachstumsfugen konnte nicht nachgewiesen werden [18]. Auch in Studien [19] wurden bei der Kreuzbandrekonstruktion im Vergleich zur konservativen Therapie signifikant bessere Ergebnisse erzielt. Allerdings gilt zu bedenken, dass jüngere Patienten eher mit knöchernen Ausrissen als mit intraligamentären Rupturen vorstellig werden und daher das Vorgehen immer kritisch diskutiert werden sollte. Des Weiteren ist die Komplikationsrate bei den unter 12-jährigen Kindern unbekannt, sie sollte durch weitere Studien untersucht werden [20]. Die intraligamentäre Naht führte nicht zu Wachstumsstörungen, besitzt jedoch eine Rerupturrate von fast 5 % [15].

Die Nachbehandlung erfolgt in der Regel mittels Orthese ohne Bewegungslimit unter Teilbelastung für die ersten 4–6 Wochen. Eine Sportfähigkeit besteht bei freier Funktion, Schmerzfreiheit und symmetrischen Muskelverhältnissen. Die Nachkontrollen erfolgen wöchentlich bis zur freien Funktion und nach Abschluss bei Beschwerdefreiheit nach eineinhalb Jahren. Eine Kontrolle bei Wachstumsabschluss sollte erfolgen, da es selten zu Wachstumsstörungen kommen kann.

Meniskusverletzungen

Meniskusverletzungen sind selten und bei Kindern < 14 Jahren meist auf eine Anlagestörung zurückzuführen, den Scheibenmeniskus. Eine isolierte Verletzung des Meniskus ist unüblich. Häufig geht dieses Verletzungsbild mit einer Verletzung der Kreuzbänder einher [3]. Als primäres Therapieziel ist eine Refixation anzustreben, da die Heilungsraten hoch sind. Als Technik hat sich die All-side-in-Methode mit diversen Nahtinstrumenten bewährt und kann heute als Standard angesehen werden [21]. Sollte dies nicht möglich sein, wird eine sparsame Teilresektion durchgeführt, da bei totaler Resektion mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer frühen Arthrose zu rechnen ist [4].

Fraktur

In dieser Zeit kommt es zu stereotypen Frakturmustern. Bei noch offenen Epiphysenfugen werden diese nach Salter-Harris oder Aitken eingeteilt. Die Fugen schützen das Gelenk bei hohen Krafteinwirkungen, sodass es sehr selten zu Gelenkfrakturen kommt, sondern eher zu Epiphysenfugenverletzungen. Es gibt Zahlen, aus denen hervorgeht, dass das Verhältnis zwischen artikulären und extraartikulären Frakturen 1 : 50 beträgt [4]. Bei beginnendem Verschluss entstehen die sogenannten Übergangsfrakturen, die auch einem stereotypen Verletzungsmuster folgen und nicht so willkürlich sind wie bei den Knochenbrüchen der Erwachsenen. Eine Diagnose der Frakturen und intraartikulären Verletzungen ist wichtig aufgrund der frühzeitig möglichen Arthrose, um die Folgekomplikationen zu vermeiden [22]. Bei undislozierten Frakturen ist eine konservative Behandlung mittels Ruhigstellung in Streckstellung für 4–5 Wochen möglich. Bei der Gefahr für Wachstumsstörungen oder einem Abrutschen der Fraktur sowie bei dislozierten Frakturen ist eine operative Therapie unumgänglich. Hier ist die Reposition in Allgemeinanästhesie und die geschlossene Fixation mit 2 fugenkreuzenden K-Drähten oder durch eine epihysäre, parallel zum Gelenk verlaufende Schraube Mittel der Wahl. Die Nachbehandlung erfolgt für 4–5 Wochen im Oberschenkelgips, und nach radiologischer Konsolidierungskontrolle die K-Draht-Entfernung. Danach folgt die schmerzabhängige Aufbelastung [23]. Zu berücksichtigen bleibt bei jeder Fraktur, dass Wachstumsstörungen bei noch weit offenen Fugen möglich sind. Durch die stimulative Wachstumsstörung kann es zu einer Beinverlängerung kommen. Im Gegensatz dazu kann eine Verletzung der Fuge beim Unfall oder der Versorgung stattfinden und somit zu einem partiellen oder kompletten vorzeitigen Fugenschluss mit möglichem Fehlwachstum, Beinlängenverkürzung und Achsfehlstellungen kommen.

Epiphysenlösung

Übergangsfraktur

Beim Adoleszenten entstehen spezielle Frakturverläufe bei bereits beginnendem Fugenschluss, die Übergangsfrakturen genannt werden. Das Therapieziel ist die Wiederherstellung des Gelenks. Da der Fugenschluss bereits begonnen hat, dürfen fugenkreuzende Operationsverfahren angewandt werden, und Wachstumsstörungen sind nicht zu erwarten [24].

Dank der bestehenden Anatomie mit den noch offenen Wachstumsfugen und der daraus folgenden biomechanischen Besonderheit sind schwerwiegende Verletzungen am Kniegelenk selten. Die speziellen Verletzungsmuster der Kinder unterscheiden sich zu denen der Erwachsenen und sollten dem Untersucher und Behandler bekannt sein. Diese speziellen Kenntnisse erleichtern den Umgang mit der Verletzung und geben Sicherheit bei der Diagnostik und der weiterführenden Therapie der kindlichen Verletzung [23].

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Maren Janko

Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie

Klinikum der Goethe-Universität
Frankfurt

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

maren.janko@kgu.de

Literatur

1. Kraus T, Svehlik M, Singer G et al. 2012. The epidemiology of knee injuries in children and adolescents. Arch Orthop Trauma Surg 132, 6, 773–779

2. Mellerowics H, Dürrwächter H. Training und Sport. Mittel der präventiven Medizin. Deutsches Ärzteblatt 1985; 12, 834–841

3. Schneider F, Sperl M, Steinwender G et al. Pediatric knee injuries. Orthopade 2014; 43, 393–401: quiz 402–3

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