Originalarbeiten - OUP 07-08/2013

Stellenwert der Hüftarthroskopie

M. Kusma1, M. Dienst2

Zusammenfassung: Die Arthroskopie des Hüftgelenks hat zu einem besseren Verständnis der funktionellen Anatomie und ihrer pathologischen Veränderungen geführt. Nicht nur der allgemeine Trend zur minimalinvasiven Therapie, auch die Entwicklung neuer Instrumente und pathogenetischer Konzepte haben eine rasante Verbesserung der technischen Möglichkeiten mit völlig neuen therapeutischen Optionen nach sich gezogen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über sinnvollen Indikationen zur Hüftarthroskopie und ihre Abgrenzungen zum offenen Vorgehen.

Schlüsselwörter: Hüftgelenk, Arthroskopie, Indikationen

 

Zitierweise

Kusma M, Dienst M: Stellenwert der Hüftarthroskopie. OUP 2013; 7: 342–351. DOI 10.3238/oup.2013.0342–0351

Abstract: Hip arthroscopy has lead to a better understanding of the functional anatomy and pathological conditions. Together with a general trend to minimally invasive surgery, newly developed pathological concepts and instrumentations resulted in a vast improvement of technical opportunities and therapeutical options. The following paper gives an overview of current indication with respect to alternative open procedures.

Keywords: hip, arthroscopy, indications

 

Citation

Kusma M, Dienst M: Stellenwert der Hüftarthroskopie. OUP 2013; 7: 342–351. DOI 10.3238/oup.2013.0342–0351

Einleitung

Seit Jahren ist das Interesse an der Hüftarthroskopie hoch. Gründe hierfür liegen vor allem in der Entwicklung von gelenkerhaltenden Behandlungsstrategien und dem allgemeinen Trend zur minimalinvasiven Therapie.

Die zunehmende Erfahrung mit der arthroskopischen und offenen gelenkerhaltenden Hüftchirurgie hat zu einem besseren Verständnis der Funktion und Anatomie des normalen Hüftgelenks, seiner Normvariationen und krankhaften Veränderungen und damit zur Spezifizierung der Indikationen zur arthroskopischen oder offenen gelenkerhaltenden Hüftchirurgie geführt. Im folgenden Beitrag werden wichtige Grundlagen der Hüftarthroskopie beschrieben, arthroskopische und offene Therapieverfahren voneinander abgegrenzt und sinnvolle Indikationen für ein arthroskopisches Vorgehen vorgestellt (Tab. 1).

Anatomische Grundlagen

Der arthroskopische Zugang und die Beweglichkeit von Arthroskop und Instrumenten im Hüftgelenk sind schwieriger als in anderen Gelenken. Hierfür sind verschiedene anatomische Eigenheiten des Hüftgelenks verantwortlich: ein kräftiger Weichteilmantel, die Nähe zu 2 neurovaskulären Bündeln, eine straffe Gelenkkapsel, ein vergleichsweise kleiner Binnenraum, der permanente Kontakt von Femurkopf und Pfanne und die zusätzliche Abdichtung des „tiefen“ Gelenkanteils durch das Labrum acetabulare. Ohne Zug am Bein liegt zwischen den Gelenkflächen von Azetabulum und Femur nur ein dünner Flüssigkeitsfilm.

Bei der Anlage der Portale zur Arthroskopie des Hüftgelenks muss insbesondere die Anatomie des Labrum acetabulare berücksichtigt werden. Das Labrum dichtet den „tiefen“ Gelenkanteil ab, sodass sogar unter vollständiger Muskelrelaxation eine Vakuumkraft zwischen 120 und 200 N aufrechterhalten wird [14, 17]. Zur Separation von Femurkopf und Gelenkpfanne und damit Überwindung des Vakuums und Dehnung der gelenküberbrückenden Weichteile bedarf es der Anlage von nicht unerheblichen Zugkräften, die nicht selten über 400–500 N liegen. Nur so lässt sich das Labrum weit genug vom Femurkopf wegziehen, um Arthroskop und Instrumente sicher zwischen Kopf und Pfanne einzubringen [7]. Auf der anderen Seite führt die Traktion zur Anspannung der Gelenkkapsel und ihrer intrinsischen Ligamente, dem Lig. iliofemorale, Lig. ischiofemorale und Lig. pubofemorale, sodass der Gelenkraum peripher zum Labrum acetabulare abnimmt. Zudem kann das Hüftgelenk unter Traktion mit Ausnahme der Rotation kaum bewegt werden. Die Arthroskopie des peripheren Gelenkbereichs ohne Traktion mit beweglich gelagertem Hüftgelenk bietet damit große Vorteile [14].

Die beschriebenen anatomischen Gegebenheiten führten zur Unterteilung des Hüftgelenks durch Dorfmann und Boyer [20] in 2 arthroskopische Kompartimente. Das zentrale Kompartiment umfasst die azetabuläre Gelenkfläche, die Fossa acetabuli mit Pulvinar und Lig. capitis femoris und die vorwiegend belastete Gelenkfläche des Femurkopfs. Hiervon abgetrennt durch das Labrum acetabulare finden sich im peripheren Kompartiment die meist nicht belastete Knorpelfläche des Femurkopfs, der intraartikulär liegende Schenkelhals mit seinen Synovialfalten, ein Großteil der Gelenkschleimhaut und die Gelenkkapsel mit ihren intrinsischen Ligamenten und der Zona orbicularis.

Indikationen

Femoroazetabuläres Impingement

Die Einführung des Konzepts des femoroazetabulären Impingements (FAI) durch die Arbeitsgruppe um Ganz [22] hat die Hüftchirurgie in den vergangenen Jahren maßgeblich beeinflusst. Bis vor etwa 10 Jahren wurden Veränderungen auf der azetabulären (Pincer-FAI oder Beißzangen-FAI) und femoralen Seite (Cam-FAI oder Nockenwellen-FAI) ausschließlich durch die von Ganz propagierte digastrische Trochanterosteotomie angegangen. Trotz des eleganten und anatomisch respektvollen Zugangs und der hervorragenden Übersicht und Erreichbarkeit des gesamten Hüftgelenks haben sich im Hinblick auf die Invasivität des Verfahrens und die langwierige Rehabilitation arthroskopische Techniken zur Behandlung des FAI entwickelt. Mittlerweile stellt das FAI die wichtigste Indikation zur Hüftarthroskopie dar.

Die Behandlung des fokalen Cam-FAI erfolgt ausschließlich arthroskopisch (Abb. 1a–b). Bei weiter Ausladung der fokalen Deformierung nach dorsolateral und schweren Deformitäten wie nach Epiphyseolysis capitis femoris oder M. Perthes wird das arthroskopische Vorgehen technisch schwieriger, sodass diese arthroskopischen Eingriffe von erfahrenen Hüftarthroskopeuren durchgeführt werden sollten. Neben der anspruchsvollen Erreichbarkeit besteht bei diesen Deformitäten zudem das Risiko einer Verletzung der Endäste der A. circumflexa media und damit Beeinträchtigung der Hüftkopfdurchblutung. In diesen Fällen muss alternativ über ein offenes Vorgehen nachgedacht werden, da hier die Gefäßeintrittsstellen sicher dargestellt und größere Kopfanteile in kürzerer Zeit zurückgetrimmt werden können. Auch bei globalen Cam-Fehlstellungen wie einem Epiphysenfugentilt von mehr als 30° bestehen Indikationen für offene Eingriffe wie subkapitale oder intertrochantäre Umstellungsoperationen.

War das deutliche Pincer-FAI vor wenigen Jahren noch eine Domäne des offenen Vorgehens, kommt heute auch hier – mit entsprechender arthroskopischer Erfahrung – ein arthroskopisches Vorgehen in Betracht. Durch entsprechend angepasste Instrumente und Implantate kann eine schonende Ablösung des Labrum acetabulare mit konsekutivem Zurücktrimmen des Pfannenrands und Refixation des Labrums mit Ankern – z.T. auch über eine größere Zirkumferenz – erfolgen (Abb. 2a–f). Bei verknöchertem oder stark degenerativ verändertem Labrum acetabulare kann dieses arthroskopisch reseziert und der Pfannenrand zurückgefräst werden. Auch rekonstruktive Verfahren mit einer Labrum-Plastik z.B. aus Faszia-lata-Streifen sind beschrieben, eine Überlegenheit gegenüber resezierenden Verfahren ist allerdings noch nicht nachgewiesen [36].

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