Originalarbeiten - OUP 07-08/2013

Stellenwert der Hüftarthroskopie

Bei einer deutlichen Coxa profunda mit intaktem Labrum acetabulare oder schweren globalen Retroversionen stößt das arthroskopische Verfahren an seine Grenzen. Beides sind meistens Domänen des offenen Vorgehens, entweder mit offener, fast zirkulärer Pfannenrandtrimmung über eine chirurgische Luxation oder, im Falle der globalen Retroversion mit weit kaudal liegendem Kreuzungszeichen (Cross-Over-Sign [36]) und positivem Hinterwandzeichen, über eine inverse Pfannenreorientierung.

Freie Körper

Der radiologische Nachweis eines freien Körpers mit entsprechenden klinischen Symptomen stellt eine klassische Indikation für ein arthroskopisches Verfahren an der Hüfte dar [24–26, 30, 42]. Freie Körper finden sich nicht selten nach Subluxationen, Luxationen oder Anpralltrauma [8], auf dem Boden einer Koxarthrose [13], bei der synovialen Chondromatose [35] und dem M. Perthes [31]. Die klassische Diagnose einer Osteochondrosis dissecans liegt nur selten vor [27]. Arthroskopisch können meist auch größere Körper entfernt werden, hierzu müssen diese mit geeigneten Instrumenten zerkleinert werden (Abb. 3a–b). Insbesondere die Entfernung größerer knöcherner Osteochondrome in der Fossa acetabuli kann technisch sehr anspruchsvoll sein, solche können nur über die Anlage einer Kanüle mit einem größeren Innendurchmesser bis vor die Gelenkkapsel und Einbringen eines kräftigeren Instruments wie einem Rangeur geborgen werden. Je nach Lagerungsart sammeln sich freie Körper bevorzugt in den dorsalen oder medialen Gelenkanteilen an, oftmals versteckt unter den Schleimhautfalten im peripheren Kompartiment. Je nach Anzahl, Lage oder Größe der freien Körper ist alternativ ein offenes oder arthroskopisch-assistiertes Vorgehen zu erwägen. Die Ergebnisse der arthroskopischen Entfernung von freien Körpern sind meistens sehr gut [24–26, 30, 33, 42].

Labrumläsionen

Die isolierte Labrumruptur durch ein niedrig-energetisches Trauma ist eine Rarität. Die Risiko einer isolierten Labrum- und Knorpelverletzungen nach einer Hüftluxation ist dagegen groß. Bei dem radiologischen Verdacht auf eine Veränderung des Labrums eines Patienten ohne hochenergetisches Trauma ist daher immer auf eine andere pathologische Veränderung des Hüftgelenks zu achten. An erster Stelle stehen hier das femoroazetabuläre Impingement, sekundäre Kopfdeformitäten wie nach einer Epiphyseolysis capitis femoris und dem M. Perthes und die Hüftdysplasie. Ausgedehnte Labrumschäden und instabile Längsrisse finden sich häufiger bei der Hüftdysplasie und dem Pincer-FAI.

In Assoziation mit einem femoroazetabulären Impingement finden sich die Läsionen des Knorpel- und Labrumübergangs meist ventrosuperior, am stehenden Patienten zwischen 11 Uhr und 15 Uhr am rechten Hüftgelenk (Abb. 4a–b, 5a–b). Bei der Hüftdysplasie reichen sie weiter bis nach ventral und dorsal. Entsprechende MR-Tomogramme sind daher insbesondere hier auf direkte oder indirekte Zeichen einer solchen Läsion hin zu analysieren. Im MR-Arthrogramm sieht man häufig recht gut die beginnende Dissoziation des Labrum-Knorpel-Übergangs, während man im konventionellen MR meist nur die Labrumdegeneration, Labrumzysten und Azetabulumerkerzysten sieht [41].

Vor der Indikationsstellung zur arthoskopischen Behandlung ist die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren, da sie in der Regel das operative Verfahren festlegt. Bei isolierten traumatischen Rupturen gehen wir primär arthroskopisch vor. Beim femoroazetabulären Impingement hängt die Entscheidung von der Lokalisation und dem Schweregrad der Veränderung an Pfanne oder Femurkopf ab (s.o.). Bei Vorliegen einer Hüftdysplasie und dem Verdacht auf eine Labrumläsion stellt sich die Indikation zur Arthroskopie nur dann, wenn ein klinischer oder MR-tomografischer Anhalt für eine instabile, klinisch relevante Labrumläsion (z.B. Korbhenkelruptur) besteht (s.u.).

Ähnlich der Meniskuschirurgie am Kniegelenk gilt der Erhalt des Labrum acetabulare als primäres Ziel. In verschiedenen biomechanischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass das Labrum eine wesentliche Rolle in der Hüftstabilität spielt [21, 44]. Es wurde zudem gezeigt, dass das Labrum für eine homogene Gelenkflüssigkeitsverteilung wichtig ist [21]. Aus diesen Gründen erscheint es wichtig, das Labrum wenn immer möglich, zu erhalten und zu refixieren (Abb. 2a–f). Nur bei ausgedehnten Komplexrissen und schwerer Degeneration sollte das Labrum bevorzugt reseziert werden, sofern keine Dysplasie vorliegt. Sowohl bei arthroskopischem als auch offenem Vorgehen entfernen wir dabei nur instabile Anteile des Labrums bzw. des angrenzenden Knorpels. Sollte dieser bis auf den darunter liegenden subchondralen Knochen entfernt werden, wird dieser arthroskopisch mikrofrakturiert. Bei der Hüftdysplasie finden sich häufig instabile Längsrisse. Zu berücksichtigen ist die meistens erhebliche Degeneration des Labrumkörpers: Einerseits ist die Refixation häufig schwierig, anderseits kann eine partielle Resektion mit Erhalt der Labrumbasis problematisch sein. Ziel ist auch hier, das Labrum als „letzte Leitplanke“ der Dysplasie nicht zu entfernen [40]. Weiche, degenerierte Labra mit Längsrupturen ohne wesentliche Instabilität sollten belassen werden, da diese in der häufig anstehenden sekundären Umstellungsoperation mit dem angrenzenden, meist geschädigten Knorpel aus der direkten Belastungszone herausgedreht werden.

Die Ergebnisse der arthroskopischen wie offenen Labrumchirurgie hängen primär vom Zustand des Gelenkknorpels ab. Die Behandlung traumatischer Läsionen des Labrum-Knorpel-Übergangs führt häufig zu guten Ergebnissen, bei ausgedehnten Knorpelschäden und degenerativen Gelenkprozessen sind die Resultate weniger gut (Abb. 6a–c) [38].

Läsionen des hyalinen
Gelenkknorpels

Isolierte traumatische Knorpelläsionen am Hüftgelenk sind selten. Häufig sind diese mit anderen Verletzungen assoziiert, wie mit Rupturen des Lig. capitis femoris oder Labrumrupturen nach Subluxationen oder Luxationen, oder nach direkten seitlichen Anpralltraumen [8]. Unserer Erfahrung nach sind dies vorteilhafte Indikationen zur arthroskopischen Intervention. Die instabilen Knorpelareale können entfernt, assoziierte Rupturen des Lig. capitis femoris oder anderer Strukturen reseziert und der darunterliegende Knochen mikrofrakturiert werden (Abb. 4a–b) [9, 16].

Alternativ zur Mikrofrakturierung kann eine Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) erfolgen. Diese kann sowohl arthroskopisch (Abb. 5a–b) als auch offen durchgeführt werden [37]. Erste kurz- bis mittelfristige Studien zeigen überraschend gute Ergebnisse [8]. Langfristige Ergebnisse zur arthroskopischen ACT am Hüftgelenk stehen allerdings noch aus.

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