Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Stellenwert der physikalischen Therapie zur Schmerzreduktion bei degenerativen Erkrankungen

Thomas Gottfried

Zusammenfassung:
Physikalische Therapiemethoden nehmen in der Schmerztherapie bei degenerativen Erkrankungen, insbesondere bei multimodalen Therapieansätzen einen festen Platz ein. Ursprünglich, in Ermangelung ausreichend wirksamer Alternativen, vornehmlich in empirischer Anwendung erprobt, gibt es mittlerweile eine beachtliche Anzahl an Studien, die einen Einsatz der einzelnen Therapien zur Schmerzreduktion bei degenerativen Erkrankungen rechtfertigt. Die medizinische Evidenz sowie ein sehr günstiges Nutzen-Risiko-Profil ist auch eine solide Argumentationsgrundlage gegenüber Kostenträgern bei der Verordnung physikalischer Therapiemaßnahmen.

Schlüsselwörter:
Physikalische Therapie, Schmerztherapie, Multimodale Therapie, Rehabilitation, Degenerative
Erkrankungen

Zitierweise:
Gottfried T: Stellenwert der physikalischen Therapie zur Schmerzreduktion bei degenerativen
Erkrankungen. OUP 2021; 10: 0113–0118 DOI 10.3238/oup.2021.0113–0118

Summary: Physical therapy methods have a firm place in the pain management of degenerative diseases, especially in multimodal therapy approaches. Originally tested primarily empirically in the absence of sufficiently effective alternatives, there are now a considerable number of studies that justify the use of individual therapies to reduce pain in degenerative diseases. The medical evidence as well as a very favorable risk-benefit ratio should also convince cost bearers to finance physical therapy measures.

Keywords: Physical therapy, pain management, multimodal therapy, rehabilitation, degenerative diseases

Citation: Gottfried T: Relevance of physical therapy to reduce pain in degenerative diseases.
OUP 2021; 10: 0113–0118 DOI 10.3238/oup.2021.0113–0118

Klinik Höhenried gGmbH der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd

Definition

Unter dem Begriff der physikalischen Therapie werden in der Medizin Anwendungen verstanden, die natürliche Reaktionen auf äußere Reizsetzungen nutzen (griechisch physis, Natur). Dabei werden alle konservativen Behandlungsverfahren subsumiert, die physikalische Einwirkungen auf den menschlichen Organismus haben.

Die Effekte basieren auf dem Reiz-Reaktions-Prinzip. Die physikalische Therapie nutzt mechanische, thermische, elektrische und aktinische Energie sowie physiko-chemische Faktoren. Im weiteren Sinne werden auch Therapien wie die Physio-, Bewegungs- und Sporttherapie unter physikalischer Therapie subsumiert.

Die Wirkungen der physikalischen Therapie beruhen auf der Annahme, dass durch die Anwendung die Trophik, Durchblutung, Enzym- und Immunreaktionen beeinflusst werden. Auch zeichnen sich die Wirkungen nicht durch einen linearen Verlauf aus, in der Regel bewirkt also eine Dosiserhöhung nicht zwingend eine Therapieverbesserung. Zudem ist der Erfolg der Therapie nicht nur von der richtigen Wahl der Therapiemethode abhängig, sondern auch ganz wesentlich von der individuellen Dosierung des Reizes, von der Reaktionslage und dem Reaktionsvermögen des Patienten, der Kombination mit anderen Reizen sowie von der Dosierung der räumlichen und zeitlichen Verteilung des Reizes.

Physikalische Therapiemethoden, die über Jahre hinweg zu einem Großteil aus anwendungsbezogener Erfahrungsmedizin entstanden und weiterentwickelt worden sind, müssen sich regelmäßig der Kritik mangelnder Evidenz erwehren. Der Grundgedanke der evidenzbasierten Medizin besteht jedoch keineswegs nur darin, sich auf aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse oder gar ausschließlich auf randomisierte kontrollierte Studien und Metaanalysen zu verlassen. Vielmehr gilt es, die Schnittmenge dieser sogenannten „externen Evidenz“ mit der individuellen klinischen Erfahrung (interne Evidenz) und den Werten und Wünschen der Patienten (Partizipation) herauszuarbeiten und als Basis einer Entscheidungsfindung zu nutzen [27]. Viele Methoden der physikalischen Therapie werden komplementär mit anderen Verfahren kombiniert, z.B. in der Schmerztherapie mit Medikamenten, womit gerade randomisiert kontrollierte Studien schwerlich durchgeführt werden können. Dennoch liegt mittlerweile auch für die Methoden der physikalischen Therapie eine beachtliche Anzahl an evidenzbasierten Studien vor, sodass der oft geäußerte Vorwurf mangelnder Evidenz nicht mehr haltbar ist [7, 16, 22].

Die Ziele der physikalischen Therapie in der Schmerztherapie degenerativer Erkrankungen sind in Tabelle 1 dargestellt. Die physikalischen Therapieanwendungen sind daher regelhaft immer Teil eines Gesamtkonzeptes, welches nicht losgelöst ist von den übrigen diagnostischen und therapeutischen Überlegungen und damit auch nicht als Alternative zu anderen, insbesondere medikamentösen und operativen Therapien zu sehen, sondern vielmehr als Ergänzung derselben.

Elektrotherapie

Zur Elektrotherapie werden alle Verfahren gezählt, die dem Körper elektrische Energie zuführen. Neben direkten und indirekten analgetischen Effekten können je nach elektrischem Impuls auch an Membranen peripherer Muskel- und Nervenfasern Aktionspotenziale ausgelöst werden. Dabei werden unterschiedliche Stromformen über Elektroden auf der Haut medizinisch angewandt. Unterschieden wird zwischen Gleichstrom- und Wechselstromanwendungen.

Beim Gleichstrom bleibt die Polung der Elektroden immer konstant, er ist dadurch definiert, dass er längere Zeit in die gleiche Richtung fließt.

Galvanisation

Bei der Galvanisation erfolgt die Behandlung mit Strom konstanter Spannung, Stromrichtung und Stromstärke. Physiologisch kommt es zu einer Verschiebung des Membranpotenzials der Haut- und Muskelzellen im Sinne einer Depolarisation und Hyperpolarisation, die das Mikromilieu der Gewebe beeinflusst. Die analgetische Wirkung tritt zumeist unter der hyperpolarisierenden Anode (Pluspol) auf.

Iontophorese

Bei der Iontophorese macht man sich zusätzlich die Ionenwanderung zur Einbringung von Medikamenten unter Umgehung des Verdauungstraktes durch die intakte Haut zunutze. Zur Anwendung kommen in Flüssigkeit gelöste Medikamente in Form von Gels oder Salben. Damit können bei degenerativen Krankheiten Prozesse zur Schmerzlinderung, Abschwellung und Entzündungshemmung unterstützend behandelt werden, indem NSAR, Salicylsäure sowie heparin- und hirudinhaltige Salben, die zumeist negativ (anionenhaltig) geladen sind unter der Kathode eingebracht werden; kationenhaltige Salben wie Lidocain, Procain, Adrenalin, Histamin und Hyaluronidase werden an der Anode angebracht.

Hydroelektrische Bäder

Bei den hydrogalvanischen Bädern werden die analgetischen Wirkungen der Gleichstromtherapie mit den Effekten eines Voll- (Stangerbad) oder Teilbades (Zwei- oder Vier-Zellen-Bad) kombiniert.

Der Vorteil der Anwendungen ist, dass das Wasser als „Elektrode“ dem Körper überall gleichmäßig anliegt, wobei nur maximal 30 % des Stroms den Körper passieren. Bei den hydroelektrischen Teilbädern gibt es keine Nachteile durch den hydrostatischen Druck auf Herz und Kreislauf durch den Körperstamm und keinen Stromverlust durch Stromschleifen um den Körper. Zudem bestehen je nach Längs-, Quer- und Diagonalschaltung vielfache Durchflutungsmöglichkeiten der Strombehandlung.

Hydroelektrische Bäder eignen sich daher sehr gut bei ausstrahlenden radikulären und pseudoradikulären Schmerzsyndromen, bei degenerativen lumbalen und zervikalen Wirbelsäulensyndromen (Stangerbad) sowie bei schmerzhaften Arthrosen an Händen und Füßen (Zwei- und Vier-Zellen-Bad).

Beim Wechselstrom ändert sich die Polung der Elektroden kontinuierlich. Der Rhythmus des Wechsels wird als Frequenz mit der Einheit Hertz (Hz) angegeben. Diese werden in 3 Frequenzbereiche eingeteilt:

Niederfrequenz (0 – 1000 Hz)

Mittelfrequenz (1000 – 300.000 Hz, therapeutisch i.d.R. bis 10 KHz)

Hochfrequenz (über 300 KHz)

Transkutane Elektrische
Nervenstimulation (TENS)

Die für die Praxis am weitesten verbreitete Therapiemethode niederfrequenter Wechselströme ist die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS). Dabei kommen ausschließlich bidirektionale nullliniensymmetrische niederfrequente Wechselströme zur Anwendung. Eingesetzt werden kleine batteriegetriebene Geräte, die über kleinflächige Elektroden variable, in der Regel Rechteckimpulse von 0,1 ms Dauer abgeben. Um einen direkten Stromfluss der Elektroden zu vermeiden, sollte der Mindestabstand 1 cm und mehr betragen. Bei den heute handelsüblichen Geräten kann die Stromstärke ebenso wie die Impulsfrequenz und -breite individuell eingestellt werden: Der Anwendungsbereich reicht von einer schmerzarmen TENS-Anwendung bei niedrigen Stromstärken mit sensibel erträglicher Stromwahrnehmung (subjektives Kribbeln) ohne motorische Reizung bis zu einer schmerzhaften TENS-Anwendung bei hohen Stromstärken mit schmerzhaft empfundener Stromwirkung (subjektiv Nadelstiche) mit motorischer Wirkung. Die Wirkung der TENS-Therapie ist in der Regel auf die Stimulationsdauer begrenzt, teilweise gibt es einen poststimulatorischen analgetischen Effekt. Die Effekte der Anwendung sind dabei von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, es bedarf einer individuellen variablen Geräteeinstellung, einer geduldigen Optimierung der Elektrodenplatzierung sowie einer Schulung des Patienten im Umgang mit der eigenständigen Anwendung dieser Therapieform [17]. In der Literatur werden hohe initiale Behandlungserfolge, insbesondere bezüglich der Schmerzlinderung beschrieben, während die Langzeiterfolge als deutlich geringer ausgewiesen sind und auch teilweise ein Placeboeffekt unterstellt wird [23]. In der Anwendung bei Gonarthrose konnten in einer Meta-Analyse aussagekräftige Studien identifiziert werden, die den Schluss zulassen, dass das Verfahren hinsichtlich der Schmerztherapie effektiver ist als eine Placebobehandlung [25]. Eine Besserung der Funktion konnte jedoch mittels TENS-Anwendung nicht nachgewiesen werden [5].

Manche Geräte können auch zur isolierten Muskelstimulation multifunktionell umgeschaltet werden und fungieren dann als (Neuro-) Muskuläre Elektrische Stimulation (NMES oder EMS). Die Studienlage ist hierzu jedoch inkonsistent, weshalb die deutsche Gonarthrose-Leitlinie NMES zur Muskelkräftigung nicht empfiehlt [27].

Neofaradischer Strom

Der neofaradische Strom wird als niederfrequenter Strom in abwechselnder Form von Stromimpuls und definierter Pausendauer verabreicht. Eine spezielle Form stellt der Ultrareizstrom nach Träbert dar, bei dem bei einer Frequenz von 143 Hz, einer Impulsdauer von 2 ms und einer Pausendauer von 5 ms ein Rechteckimpuls appliziert wird. Die analgesierende Wirkung steht dabei im Vordergrund, wobei durch die kurze Impulsdauer eine große Tiefenwirkung erzielt werden kann. Anwendungsgebiete sind wirbelsäulenbedingte degenerative Schmerzsyndrome sowie Arthrosen und Arthropathien großer Gelenke.

Diadynamische Ströme

Hier werden niederfrequente (50 – 100 Hz) sinusförmige Wechselströme mit einer Impulsdauer von 10 ms appliziert. Jeder Impuls löst dabei ein Aktionspotential aus (im Gegensatz zur Gleichstromtherapie, von der keine direkte Reizwirkung auf die Muskel- und Nervenzellen ausgeht). Unterschieden wird die Stromform MF (monophase fixe) zur Muskelreizung und DF (diphase fixe). DF hat eine dämpfende Wirkung auf das vegetative Nervensystem und ist damit besser für die Schmerztherapie geeignet und hat nur eine geringere Auswirkung auf die Muskulatur.

Mittelfrequenz-
Interferenzstromtherapie

Bei der Interferenztherapie werden 2 mittelfrequente Wechselströme verwendet, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Bei der Zweipolmethode werden 2 Elektroden verwendet, bei der Vierpolmethode werden 4 Elektroden am Körper angelegt. Dort wo sich diese Ströme im Gewebe überschneiden, entsteht eine Interferenz. Dabei werden verschiedene Behandlungsströme wirksam. Zunächst die mittelfrequente Trägerfrequenz über 2 KHz, die dazu beiträgt, den Hautwiderstand zu verringern und eine größere Tiefenwirkung zu erreichen. Darüber liegen die Behandlungsfrequenzen im niederfrequenten Bereich bis 200 Hz.

Neben einer schmerzdämpfenden Wirkung kommt es zu einer Durchblutungssteigerung, Detonisierung und Stoffwechselsteigerung im behandelten Gewebe. Bei der Gonarthrose konnte eine Verbesserung des Outcomes beim WOMAC von Gundog et al. im Rahmen einer 15-tägigen Applikation bei 40, 100 und 180 Hz nachgewiesen werden [10]. Aufgrund einer guten Tiefen- und Volumenwirkung kann der Einsatz auch bei arthrotischen Veränderungen der Wirbelsäule (Spondylarthrosen) erwogen werden.

Lasertherapie

Bei dieser Form der Phototherapie wird stark gebündeltes, monochromatisches Licht von hoher Intensität eingesetzt. Es kommt der sogenannte Low-level-Laser (LLL) zur lokalen Bestrahlung mit Laserlicht niedriger Energie zum Einsatz. Dieser hat wenig thermische Effekte, wirkt aber vor allem durch Aktivierung intrazellulärer photochemischer Prozesse. Marquina et al. konnten bei Behandlung mit einem therapeutischen Lasersystem mit dualer Wellenlänge (660 nm/905 nm) über 4 Wochen mit dreimal wöchentlicher Therapie bei Gonarthrose eine signifikante Schmerzlinderung in der LLL-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe im VAS nachweisen [21].

Magnetfeldtherapie

Hierbei handelt es sich um ein in der Praxis vielfach angewandtes Verfahren. Der Markt, die aufgeführten Indikationen, die Applikationsformen (Spulen, Matten etc.) und die Anwendungsdauer variieren hierbei beträchtlich [13]. In einer Metaanalyse von Li et al., die 9 Studien eingeschlossen hat, gab es Hinweise, dass die Behandlung mit elektromagnetischen Feldern für Arthrose-Patienten einen mäßigen Nutzen in Bezug auf die Schmerzlinderung bieten kann [19]. Demgegenüber wird in Leitlinien wie z.B. für die Gonarthrose auf Grund der inkonsistenten Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen [27].

Ultraschalltherapie sowie die Hochfrequenztherapie-Verfahren der Kurz-, Dezimeter- und Mikrowelle dienen vordringlich der therapeutischen Wärmeerzeugung und werden nachfolgend dargestellt.

Thermotherapie

Unter Thermotherapie versteht man alle Arten von Therapien, bei denen dem Körper – bezogen auf die Körpertemperatur - Wärme zugeführt oder entzogen wird, um eine positive Wirkung auf den Körper zu erzielen, unabhängig von den physikalischen Grundlagen.

Wärmetransport erfolgt durch 3 Arten:

Leitung

Strömung (Konvektion)

Strahlung

Grenzen werden der Thermotherapie gesetzt durch die thermische Belastbarkeit der Gewebe, insbesondere der Haut, durch die (insbesondere kutane) Temperaturempfindung und durch nervale Eigenschutzreflexe.

Wärmetherapie

Es wird zwischen lokalen und allgemeinen Wirkungen der Wärmetherapie unterschieden:

Lokale Wirkungen: Lokal wirkt ein Wärmeanstieg im Gewebe stoffwechselsteigernd und analgetisch. Der physiologische Wirkmechanismus des schmerzlindernden Effektes von Wärme ist nicht vollständig geklärt [24].

Allgemeine Wirkungen: Allgemein führt Wärmetherapie zu einer Zunahme der Herzfrequenz und des Herzzeitvolumens, einer Absenkung von Venentonus und Blutdruck sowie zu einer psychischen Entspannung.

Die Anwendung von Wärmetherapie kann damit in der Schmerztherapie bei Arthrosen sämtlicher Gelenke, degenerativen Wirbelsäulensyndromen sowie chronischen Arthralgien, aber auch chronisch entzündlicher Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises angewendet werden. Auch Mischformen degenerativer Erkrankungen mit myofascialer Schmerzbeteiligung oder Enthesiopathien und Fibroostosen sind dankbare Anwendungsgebiete.

Die Temperaturerhöhung erfolgt sowohl in oberflächlichen als auch in tiefergelegenen Geweben und Organen grundsätzlich auf 2 Wegen: Entweder unmittelbar durch Eindringen von Wärme aus einem Wärmeträger (z.B. Packungen) oder unmittelbar durch Wärmebildung aufgrund Energieabsorption im Gewebe direkt, beispielsweise durch Infrarotstrahlung für oberflächliche Gewebe oder Ultraschall für tiefergelegene Gewebe.

Packungen und Peloide

Die am häufigsten verwendeten Wärmepackungen entfalten ihre Thermoeffekte als Wärmeträger. Peloide sind therapeutisch genutzte Torfe („Moor“), Schlämme, Schlick und gemahlener Tuffstein („Fango“). Es handelt sich dabei um organische oder anorganische Stoffe, die durch Aufbereitung oder bereits natürlich bestehend, zu lokal applizierbaren Wärmepackungen verarbeitet werden. Einigen wird neben der eigentlichen Wärmefunktion noch adstringierende, entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkungen zugeschrieben.

Auflagen und Wickel

Wickel sind ein oder mehrere zirkulär um den Körper (Ganzkörperwickel) oder einen Körperteil (Teilwickel) angelegte Tücher, die mit einer temperierten Flüssigkeit befeuchtet oder mit einer Substanz bestrichen sind. Hier ist die Reflexwirkung auf umgebende Gewebe, aber auch auf innere Organe sehr stark ausgeprägt.

Bei der „heißen Rolle“ wird ein auf halbe Breite trichterförmig gefaltetes Handtuch mit heißem Wasser befeuchtet und anschließend auf verspannte Muskelpartien aufgetragen. Das Verfahren wird begleitend zur Physiotherapie verwendet, dabei werden die von außen her abkühlenden Bereiche im Sinne einer Gegenrolle aufgewickelt und damit „entfernt“. Dabei kommt es weniger zu einem Wärmeaustausch als zu einem reflektorischen Therapieeffekt, den sich der Therapeut in Kombination mit seinen gelenkaktivierenden Maßnahmen zunutze macht.

Ultraschall

Bei der Ultraschalltherapie werden Schallwellen mit einer Frequenz von ca. 800 kHz zur Wärmebildung im Gewebe genutzt. Gewebe mit hohem Wassergehalt absorbiert die Wärme dabei um ein Vielfaches und erfährt dabei eine höhere Wärmeentwicklung als Fettgewebe. Damit gehört die Ultraschalltherapie zu den wirksamsten, gezielten, regionalen Tiefenwärmungsverfahren. Da Knochen bei geringer Eindringtiefe eine sehr hohe Absorption besitzt, bietet sich das Verfahren insbesondere zur Therapie knochennaher Erkrankungen wie z.B. Arthrosen kleiner Fingergelenke oder bei der Gonarthrose an [5]. Dabei kommt es über eine Verbesserung der Mikrozirkulation zu einer Steigerung der Durchblutung und in der Folge zu einer Steigerung der Zellpermeabilität und Förderung des Stoffwechsels sowie durch die Indurationsabnahme mit Gewebeauflockerung zu einer Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. Auch eine Schmerzreduktion konnte nachgewiesen werden [17].

Phonophorese

Bei der Phonophorese wird zusätzlich zum Ultraschall in Kombination lokal ein Medikament in Form einer Salbe aufgetragen. Die analgetischen Wirkungen sind dabei besser als bei der Anwendung von reinem Ultraschall [14]. Die Wirkungen der Ultraschall-/Phonophoresetherapie sind:

Schmerzlinderung

Resorptionssteigerung

Muskeldetonisierung

Durchblutungssteigerung

Entzündungshemmung

Hochfrequenztherapie (> 100 KHz)

Diese werden für therapeutische Zwecke in 3 Frequenzbereiche eingeteilt:

Kurzwelle: Die Kondensatorfeldmethode (2 Applikatoren) führt zur größten Energieabsorption im Fettgewebe, die Spulenfeldmethode (1 Applikator) hingegen in der Muskulatur und im umgebenden Gewebe. Die Dosierung erfolgt je nach akuten oder chronischen Erkrankungen in 4 Graden (nach Schliephake). Kontinuierliche Kurzwellentherapie kann die Schmerzintensität bei Patienten mit Arthrose reduzieren, wobei die Effekte bei Anwendung von pulsierender Kurzwellentherapie noch verbessert werden können [33, 37].

Dezimeterwelle: Hier wird die größtmögliche Tiefenwirkung erzielt. Allerdings ist das Wärmempfinden der Patienten sehr gering und damit die Dosierung sehr vorsichtig zu wählen.

Mikrowelle: Bei der Mikrowellenbehandlung werden durch das Strahlenfeld in erster Linie oberflächliche Strukturen erreicht. Rabini et al. konnten durch die Anwendung von Mikrowellentherapie bei Patienten mit Gonarthrose eine signifikante Schmerzreduktion, aber auch eine Besserung in allen anderen Outcomes im WOMAC nachweisen [26]. Bei Verwendung von Traktionsliegen kann unter Einsatz individuell einstellbarer Mikrowellenstrahler eine Kombinationsbehandlung von Extension und Wärme durchgeführt werden.

Kontraindikationen der Hochfrequenz-Therapien sind Patienten mit Herzschrittmacher, Schwangerschaft, Metalle jeglicher Art (Osteosynthesematerial, Ringe, Piercings, Spangen etc.), sowie bei Bekleidung mit Gewebe aus Perlon, Nylon und dergleichen, insbesondere wenn diese feucht sind (Schwitzen).

Infrarottherapie

Die Infrarottherapie basiert auf elektromagnetischer Energie, die erst im Gewebe direkt in Wärme umgewandelt wird. Die Wellenbereiche der Infrarottherapie liegen zwischen 780 bis > 3000 nm. Die Absorption und der thermische Effekt umfassen nur die oberflächlichen Hautschichten (Strahlungswärme). Für große Gelenkstrukturen konnten deshalb keine Effekte in Bezug auf Funktion, Aktivität, Partizipation und Lebensqualität durch die Behandlung mit monochromatischer Infrarottherapie nachgewiesen werden [11].

Kältetherapie

Diese umfasst physikalische Therapieverfahren, bei denen dem Körper Wärme entzogen wird. Therapeutisch werden Temperaturen zwischen +15° bis –180° C verwendet. Der Begriff Kryotherapie wird verwendet, wenn Temperaturen unter 0° C eingesetzt werden.

Kältetherapie als lokaler Wärmeentzug führt zu einer veränderten Vasomotorik mit Vasokonstriktion der Haut und Muskelgefäße, zu einem Absinken der Gewebetemperatur und einer Reduktion der Stoffwechselvorgänge durch Verlangsamung der Mikrozirkulation. Mit zeitlicher Verzögerung werden damit auch eine Ödembildung, Entzündung und Lymphproduktion sowie Blutungsneigung gehemmt und die Gewebeviskosität erhöht - allesamt Kälteeffekte, die zur Behandlung postoperativer Schwellneigungen und entzündlicher und degenerativer Prozesse genutzt werden kann. Es kommt zu einer Verringerung der Nervenleitungsgeschwindigkeit sowie zu einer Verlangsamung der physiologischen Kenngrößen eines Muskels (Latenz-, Kontraktions- und Erschlaffungszeit) und damit zu einer Detonisierung der Muskulatur.

Bei einer Anwendungsdauer von mindestens 20 Minuten wird die Wirkung der Kältetherapie bei degenerativen Erkrankungen vermittelt über eine

Reduktion der Aktivität knorpelschädigender Enzyme,

Hemmung der Freisetzung und Aktivierung von Entzündungsmediatoren [24],

Schmerzschwellenanhebung von Nozizeptoren und Blockierung bzw. Verlangsamung der Schmerzfortleitung [1].

Neben den direkten lokalen Reaktionen kommt es im Sinne einer Fernwirkung zu einer thermoregulatorischen Gegenreaktion, die sich durch Blutdruckerhöhung, eine Intensivierung der Atmung sowie kutiviszerale Reaktionen auszeichnet.

In der Praxis werden bei einer aktivierten Arthrose unterschiedliche Verfahren der Kältetherapie eingesetzt u.a. kaltes Peloid, kalter Wickel, Eisgranulat und Eisbeutel, gestielte Eisroller, Gelpackungen und Kältekompressen. Bei Anwendung von Eismassage konnte in einem systematischen Review der Cochrane Collaboration bei Gonarthrose ein günstiger Effekt auf die Besserung des Bewegungsumfanges, die Bewegungsfunktion und die Muskelkraft nachgewiesen werden [4].

Kältekammer

Bei der Ganzkörperkältetherapie (Kältekammer) erfolgt eine Exposition an trockener kalter Luft in Badekleidung unter Akren- und Atemschutz. Teilweise erfolgt eine Kälteadaption in einer Vorkammer (–60° C). In der Hauptkammer (–110° C) bewegen sich die Patienten moderat-schnell bis zu maximal 3 Minuten. Bei fehlender Verdampfungskälte werden die Temperaturen nicht ganz so unerträglich eiskalt wahrgenommen. Es kommt zu einer Absenkung der Hauttemperatur um ca. 5° C, die Körperkerntemperatur bleibt unverändert. Reaktiv kommt es zu einer oberflächlichen reaktiven Hyperämie. In vereinzelten Studien konnte eine Reduzierung des Arzneimittelverbrauchs nach serieller Ganzkörperkältetherapie bei –110° C beobachtet werden [30, 31]. Dies ist hauptsächlich auf die antiphlogistische und analgetische Wirkung zurückzuführen.

Massage

Massagetherapie muss als komplexes Ganze gesehen werden, in dem viele Wirkmechanismen miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Dabei sind verschiedene, sowohl physiologische als auch psychologische Aspekte zu berücksichtigen, da neben reflektorisch-segmentalen Wirkungen und einer lokalen Hyperämisierung, alleine schon durch die Berührung, auch emotionale und psychische Effekte ausgelöst werden können. Effekte der einzelnen Massagetherapien (klassische Massage, Weichteiltechniken, Funktionsmassage, mobilisierende Massage u.a.) zielen – je nach Anwendungsform - auf folgende Effekte:

Reduktion von Schmerzen

Gewebsmobilisation

Fazilitation von neuralen Anpassungsprozessen

Beeinflussung des Stoffwechsels

Die Manipulativmassage nach Terrier kann durch vielfältige Druck- und Dehnungsreize in Form von kombinierten Traktions- und Gleittechniken zu einer raschen Schmerzlinderung und verbesserten Beweglichkeit der Gelenke führen.

Die Querfriktion nach Cyriax entfaltet seine schmerzreduzierende Wirkung in erster Linie bei begleitenden Tendinosen und Tenosynovitiden, wobei die Wirkungsweise letztlich nicht geklärt ist.

Bei der manuellen Lymphdrainage führt eine spezielle Grifftechnik über eine Verschiebung von Gewebsflüssigkeit und Lymphe zu einer verbesserten Aufnahme von Flüssigkeit in die Lymphbahnen und dort zu einem Anstieg der Lymphangiomotorik. Einsatzgebiet sind daher insbesondere postoperative Zustände aber auch Schwellungszustände der Gelenke bei degenerativen Erkrankungen.

Bei der Triggerpunktmassage/-therapie werden je nach Lokalisation myofasziale, kutane, fasziale, ligamentäre und periostale Triggerpunkte, Zentren erhöhter Reizbarkeit in einem Gewebe, mit verschiedenartigen Behandlungstechniken (Kühlspray, Dehnung, Druck, Infiltration) bearbeitet [34].

Bei der Triggerpunktbehandlung mit dünnen Nadeln („dry needling“) gibt es einen fließenden Übergang zur Akupunktur, ein Verfahren, das definitionsgemäß den naturheilkundlichen Behandlungsformen zugerechnet wird. Die Studienlage ist hier, auch aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, sehr uneinheitlich. Zur Akupunktur bei Gonarthrose liegen mehrere RCTs vor, bei denen die Verum-Akupunkturgruppen hinsichtlich Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung und Lebensqualität den Kontrollgruppen gegenüber (Sham-Akupunktur, NSAIDs, Warteliste etc.) signifikant überlegen waren [20]. Die deutsche Gonarthrose-Leitlinie führt Akupunktur als Kann-Option auf [27].

Hydro- und Balneotherapie

Als Hydrotherapie wird die Anwendung reinen Wassers als Heilmittel zur Unterstützung der Genesung bezeichnet. Bei der Balneotherapie werden in der Regel mineralisierte Wässer und andere Heilmittel (Gase, Peloide) verwendet. In der internationalen Literatur wird häufig auch die Bewegungstherapie im Wasser (Bewegungsbad) zur Hydrotherapie gerechnet. In Deutschland wird diese vielmehr unter dem Begriff der Physiotherapie subsumiert.

Es kommen dabei folgende Wirkqualitäten in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen:

Temperatur,

hydrostatischer Druck,

Auftriebskraft und

Reibungswiderstand (bei Bewegungsbädern)

Von den in der Balneotherapie verwendeten Heilmitteln sind in der Schmerztherapie bei degenerativen Erkrankungen vor allem Kohlenstoffdioxid (CO2), Schwefelwasserstoff (H2S) und Torf (Moor) von Bedeutung.

Der Cochrane Review von Verhagen et al. schloss 7 RCTs von geringer methodischer Qualität mit insgesamt 498 Arthrose-Patienten (4 RCTs ausschließlich Kniearthrose) zu Hydro- und Balneotherapie ein. Der Review fand kurzfristige Wirkungen von Mineralbädern auf Schmerz, Funktion, Lebensqualität und Schmerzmitteleinnahme, aber keine Wirkung bei anderen balneologischen Anwendungen [36].

Zusammenfassung

Der physikalischen Therapie kommt in der Behandlung von Schmerzen bei degenerativen Erkrankungen primär eine unterstützende Funktion im Rahmen eines multimodalen Therapieansatzes zu. Dabei können die differenziert und mit einigem Erfahrungsschatz eingesetzten physikalischen Therapiemethoden die Schmerzen bei degenerativen Krankheiten positiv beeinflussen und haben bei Beachtung der Kontraindikationen kaum Nebenwirkungen. Die Anwendung, zumeist in Kombination mit anderen Therapiemethoden, aber auch die Schwierigkeiten bei physikalischen Therapieverfahren in einem Studiendesign eine Verblindung vorzunehmen, führten dazu, dass bislang nur wenige randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt wurden. Dies wiederum ist ein wesentlicher Grund für die zum Teil noch uneinheitliche Studienlage zur Evidenzbasierung.

Da die wissenschaftlichen Erkenntnisse aber zunehmen und physikalische Therapiemethoden bei den Patienten eine hohe Akzeptanz haben, sollten diese trotz zunehmendem Kostendruck dem Gesundheitswesen erhalten bleiben.

Interessenskonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis
zu diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Thomas Gottfried

Klinik Höhenried gGmbH der

Deutschen Rentenversicherung

Bayern Süd

82347 Bernried

thomas.gottfried@hoehenried.de

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