Übersichtsarbeiten - OUP 03/2021

Stellenwert der physikalischen Therapie zur Schmerzreduktion bei degenerativen Erkrankungen

Hierbei handelt es sich um ein in der Praxis vielfach angewandtes Verfahren. Der Markt, die aufgeführten Indikationen, die Applikationsformen (Spulen, Matten etc.) und die Anwendungsdauer variieren hierbei beträchtlich [13]. In einer Metaanalyse von Li et al., die 9 Studien eingeschlossen hat, gab es Hinweise, dass die Behandlung mit elektromagnetischen Feldern für Arthrose-Patienten einen mäßigen Nutzen in Bezug auf die Schmerzlinderung bieten kann [19]. Demgegenüber wird in Leitlinien wie z.B. für die Gonarthrose auf Grund der inkonsistenten Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen [27].

Ultraschalltherapie sowie die Hochfrequenztherapie-Verfahren der Kurz-, Dezimeter- und Mikrowelle dienen vordringlich der therapeutischen Wärmeerzeugung und werden nachfolgend dargestellt.

Thermotherapie

Unter Thermotherapie versteht man alle Arten von Therapien, bei denen dem Körper – bezogen auf die Körpertemperatur - Wärme zugeführt oder entzogen wird, um eine positive Wirkung auf den Körper zu erzielen, unabhängig von den physikalischen Grundlagen.

Wärmetransport erfolgt durch 3 Arten:

Leitung

Strömung (Konvektion)

Strahlung

Grenzen werden der Thermotherapie gesetzt durch die thermische Belastbarkeit der Gewebe, insbesondere der Haut, durch die (insbesondere kutane) Temperaturempfindung und durch nervale Eigenschutzreflexe.

Wärmetherapie

Es wird zwischen lokalen und allgemeinen Wirkungen der Wärmetherapie unterschieden:

Lokale Wirkungen: Lokal wirkt ein Wärmeanstieg im Gewebe stoffwechselsteigernd und analgetisch. Der physiologische Wirkmechanismus des schmerzlindernden Effektes von Wärme ist nicht vollständig geklärt [24].

Allgemeine Wirkungen: Allgemein führt Wärmetherapie zu einer Zunahme der Herzfrequenz und des Herzzeitvolumens, einer Absenkung von Venentonus und Blutdruck sowie zu einer psychischen Entspannung.

Die Anwendung von Wärmetherapie kann damit in der Schmerztherapie bei Arthrosen sämtlicher Gelenke, degenerativen Wirbelsäulensyndromen sowie chronischen Arthralgien, aber auch chronisch entzündlicher Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises angewendet werden. Auch Mischformen degenerativer Erkrankungen mit myofascialer Schmerzbeteiligung oder Enthesiopathien und Fibroostosen sind dankbare Anwendungsgebiete.

Die Temperaturerhöhung erfolgt sowohl in oberflächlichen als auch in tiefergelegenen Geweben und Organen grundsätzlich auf 2 Wegen: Entweder unmittelbar durch Eindringen von Wärme aus einem Wärmeträger (z.B. Packungen) oder unmittelbar durch Wärmebildung aufgrund Energieabsorption im Gewebe direkt, beispielsweise durch Infrarotstrahlung für oberflächliche Gewebe oder Ultraschall für tiefergelegene Gewebe.

Packungen und Peloide

Die am häufigsten verwendeten Wärmepackungen entfalten ihre Thermoeffekte als Wärmeträger. Peloide sind therapeutisch genutzte Torfe („Moor“), Schlämme, Schlick und gemahlener Tuffstein („Fango“). Es handelt sich dabei um organische oder anorganische Stoffe, die durch Aufbereitung oder bereits natürlich bestehend, zu lokal applizierbaren Wärmepackungen verarbeitet werden. Einigen wird neben der eigentlichen Wärmefunktion noch adstringierende, entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkungen zugeschrieben.

Auflagen und Wickel

Wickel sind ein oder mehrere zirkulär um den Körper (Ganzkörperwickel) oder einen Körperteil (Teilwickel) angelegte Tücher, die mit einer temperierten Flüssigkeit befeuchtet oder mit einer Substanz bestrichen sind. Hier ist die Reflexwirkung auf umgebende Gewebe, aber auch auf innere Organe sehr stark ausgeprägt.

Bei der „heißen Rolle“ wird ein auf halbe Breite trichterförmig gefaltetes Handtuch mit heißem Wasser befeuchtet und anschließend auf verspannte Muskelpartien aufgetragen. Das Verfahren wird begleitend zur Physiotherapie verwendet, dabei werden die von außen her abkühlenden Bereiche im Sinne einer Gegenrolle aufgewickelt und damit „entfernt“. Dabei kommt es weniger zu einem Wärmeaustausch als zu einem reflektorischen Therapieeffekt, den sich der Therapeut in Kombination mit seinen gelenkaktivierenden Maßnahmen zunutze macht.

Ultraschall

Bei der Ultraschalltherapie werden Schallwellen mit einer Frequenz von ca. 800 kHz zur Wärmebildung im Gewebe genutzt. Gewebe mit hohem Wassergehalt absorbiert die Wärme dabei um ein Vielfaches und erfährt dabei eine höhere Wärmeentwicklung als Fettgewebe. Damit gehört die Ultraschalltherapie zu den wirksamsten, gezielten, regionalen Tiefenwärmungsverfahren. Da Knochen bei geringer Eindringtiefe eine sehr hohe Absorption besitzt, bietet sich das Verfahren insbesondere zur Therapie knochennaher Erkrankungen wie z.B. Arthrosen kleiner Fingergelenke oder bei der Gonarthrose an [5]. Dabei kommt es über eine Verbesserung der Mikrozirkulation zu einer Steigerung der Durchblutung und in der Folge zu einer Steigerung der Zellpermeabilität und Förderung des Stoffwechsels sowie durch die Indurationsabnahme mit Gewebeauflockerung zu einer Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. Auch eine Schmerzreduktion konnte nachgewiesen werden [17].

Phonophorese

Bei der Phonophorese wird zusätzlich zum Ultraschall in Kombination lokal ein Medikament in Form einer Salbe aufgetragen. Die analgetischen Wirkungen sind dabei besser als bei der Anwendung von reinem Ultraschall [14]. Die Wirkungen der Ultraschall-/Phonophoresetherapie sind:

Schmerzlinderung

Resorptionssteigerung

Muskeldetonisierung

Durchblutungssteigerung

Entzündungshemmung

Hochfrequenztherapie (> 100 KHz)

Diese werden für therapeutische Zwecke in 3 Frequenzbereiche eingeteilt:

Kurzwelle: Die Kondensatorfeldmethode (2 Applikatoren) führt zur größten Energieabsorption im Fettgewebe, die Spulenfeldmethode (1 Applikator) hingegen in der Muskulatur und im umgebenden Gewebe. Die Dosierung erfolgt je nach akuten oder chronischen Erkrankungen in 4 Graden (nach Schliephake). Kontinuierliche Kurzwellentherapie kann die Schmerzintensität bei Patienten mit Arthrose reduzieren, wobei die Effekte bei Anwendung von pulsierender Kurzwellentherapie noch verbessert werden können [33, 37].

Dezimeterwelle: Hier wird die größtmögliche Tiefenwirkung erzielt. Allerdings ist das Wärmempfinden der Patienten sehr gering und damit die Dosierung sehr vorsichtig zu wählen.

Mikrowelle: Bei der Mikrowellenbehandlung werden durch das Strahlenfeld in erster Linie oberflächliche Strukturen erreicht. Rabini et al. konnten durch die Anwendung von Mikrowellentherapie bei Patienten mit Gonarthrose eine signifikante Schmerzreduktion, aber auch eine Besserung in allen anderen Outcomes im WOMAC nachweisen [26]. Bei Verwendung von Traktionsliegen kann unter Einsatz individuell einstellbarer Mikrowellenstrahler eine Kombinationsbehandlung von Extension und Wärme durchgeführt werden.

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